Doch hält sein Team dem großen Druck wirklich stand? In der Rückrunde überzeugte die Borussia zwar als Jäger, zeigte als Tabellenführer aber Nerven. Gleich zweimal ging der eroberte Spitzenplatz gleich am nächsten Spieltag wieder verloren. Das schärft die Sinne für den Showdown gegen Mainz. "Als Zweiter hatten wir zuletzt diesen absoluten Fokus auf die Spiele, sind sehr selbstbewusst, stark und dominant aufgetreten. Das müssen wir weiter durchziehen", kommentierte Sébastien Haller.
Tuchel spricht von "einer Minimalchance"
Bei aller Anspannung verspürt der Torjäger eine enorme Vorfreude auf die mögliche Meisterparty: "Der letzte Schritt muss jetzt folgen. Wir wollen alle unbedingt Teil eines so besonderen Club-Moments werden. Ich fahre manchmal mit meinem Auto über den Borsigplatz. Aber ich will diesen Platz unbedingt voll mit Menschen sehen."
Bei den Bayern ist der Glaube auf den Titel trotz eines Zwei-Punkte-Rückstandes noch nicht verloren. Zumindest die größere Erfahrung in dramatischen Schlussakkorden spricht für den Rekordmeister. Ein Punkt am letzten Spieltag der Saison 1999/2000 bei der SpVgg Unterhaching hätte Leverkusen für die erste deutsche Meisterschaft gereicht. Doch die Bayern nutzten die 0:2-Niederlage der Leverkusener durch einen eigenen 3:1-Sieg gegen Bremen und triumphierten doch noch. In der Nachspielzeit der Saison 2000/01 entrissen die Münchner dem FC Schalke die Schale im letzten Moment. Dem Revierclub aus Gelsenkirchen blieb nur der Ruf als "Meister der Herzen".
Gelingt es den Münchnern auch diesmal ein Last-Minute-Coup? Wirklich angriffslustig klang Trainer Thomas Tuchel am Freitag nicht und sprach nur noch von "einer Minimalchance": "Wir müssen gewinnen - und dann brauchen wir Schützenhilfe." Der Nachfolger von Julian Nagelsmann verzichtete darauf, mit Kampfansagen an den BVB Emotionen zu schüren: "Wir haben genug mit uns zu tun. Wir müssen wieder mal gewinnen und müssen wieder aus einem Tief eine Reaktion zeigen - wie viel zu oft."
FC Bayern vor einer Zeitenwende
Mehr Zuversicht verbreitete Präsident Herbert Hainer, der noch immer auf eine große Party von Männern und Frauen auf dem Münchner Marienplatz hofft. "Wir alle wünschen uns, dass der FC Bayern am Ende dieser spannenden Saison mit seinen Fans am Sonntag zwei Meisterschalen feiern kann." Im Gegensatz zu den Männern führt das Frauen-Team die Tabelle vor dem letzten Spieltag mit zwei Zählern Vorsprung an.
Egal, ob der Wunsch des Präsidenten in Erfüllung geht, steht der FC Bayern vor einer Zeitenwende. Ein geräuschloser Übergang zur Tagesordnung ist selbst beim elften Meistertitel in Serie nicht zu erwarten. Dafür hat das Aus in Champions League und Pokal zu viele Spuren hinterlassen. Schon vor dem Saisonfinale wird mehr über die Zukunft als die Gegenwart debattiert. Muss der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn gehen? Wird Sportvorstand Hasan Salihamidzic auch die nächste Einkaufstour im Sommer anvertraut? Welche Spieler sollen kommen - und welche gehen? Tuchel zog schon vor dem Meisterfinale ein ernüchterndes Fazit: "Das wird keine Saison mehr, mit der wir zufrieden sind, ganz egal, wie es am Ende ausgeht."