Lesung und Diskussion Bäume im Wald werden kleiner

Julia Pöhlmann
Frank Quilitzsch. Foto: imago images/VIADATA/Uwe-Jens Igel via www.imago-images.de

Müssen wir wegen des Klimawandels in Panik geraten? Der Buchautor Frank Quilitzsch meint: Nein. Aber auch er macht sich Sorgen. Wahrscheinlich wird der Wald der Zukunft ganz anders aussehen, als wir ihn kennen. Nun will er in Vesser und Schleusingen darüber diskutieren.

 
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In der Reihe „ZukunftDenken“ widmen sich die Veranstalter vom Verein Provinzkultur, der Initiative Aufwind und der Tageszeitung „Freies Wort“ dem Thema Wald. Der Autor und Journalist Frank Quilitzsch hat darüber ein spannendes Buch geschrieben. Am 6. Mai im Offenstall Vesser und am 13. Mai, im Roten Ochsen in Schleusingen stellt er sein Buch vor und diskutiert mit den Besuchern. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Wir sprachen mit dem Autor über seine Forstwanderung und sein daraus entstandenes Buch, die Auswirkungen des Klimawandels für den Wald und die Rolle des Menschen beim Waldumbau.

Was war die Inspiration für ein Buch zum Wald?

Ich hab im Februar 2020 aus dem Fenster geschaut, es hätte Schnee liegen müssen, es war aber 12 Grad warm, Gänse stiegen aus dem Wasser - es stimmte was nicht. Das war ja nicht der erste Winter und dann liest man in der Zeitung, dass der Wald Schwierigkeiten hat, und ich wollte es genauer wissen. Und als Journalist wendet man sich an Experten Bernd Wilhelm war mein erster Anhaltspunkt.

… der zwar gesagt hat, wir haben keinen Klimawandel, sondern eine Klimakatastrophe, gleichzeitig sieht er aber keinen Grund zur Panik.

Richtig. Erst mal ist er so privilegiert wie Sie auch, er wohnt in Suhl – und in den Kammlagen geht es dem Wald noch ganz gut. Hier fällt mehr Regen, die Temperaturen sind noch nicht zu hoch. Aber auch hier haben Winterstürme und Borkenkäfer große Kahlflächen erzeugt. Die Forstarbeiter haben zu tun, das Totholz rauszuholen.

Daher kommt ja der Titel vom Buch: Es ist Februar, es liegt kein Schnee, aber der Boden ist aufgeweicht, der Förster kann nicht mit schwerem Gerät in den Wald fahren und weiß schon, was die Leute zu ihm sagen: Wilhelm, wie sieht dein Wald wieder aus – er kann zu den Vorwürfen nichts, er nimmt sie sich trotzdem zu Herzen. Wir haben uns das beide zu Herzen genommen und gedacht, wir versuchen mal, die Leute aufzuklären.

Wie ging es weiter?

Eigentlich wollte ich es darauf beruhen lassen, aber Wilhelm hat mich weitergeschickt, in die „Kampfgebiete“, wo Förster vom Klimawandel getrieben werden werden: von Schmalkalden, Sonneberg bis in den Harz. Da habe ich gesehen, wie der Zustand ist, aber ich habe auch gesehen, wie Forstleute, private Waldarbeiter, Leute im Forschungszentrum – wie die alle kämpfen, wie die den Waldumbau angehen. Keiner steckt den Kopf in den Sand.

Stichwort Waldumbau ...

Waldumbau heißt ja, man versucht, die Bäume, die eigentlich nicht dahin gehören, zu entnehmen - wie zum Beispiel die Fichte. Die wurde gepflanzt, weil man schnell wachsende Hölzer brauchte, aber sie kommt mit Trockenheit nicht gut zurecht.

Wir verbinden den Thüringer Wald mit der Fichte …

… ja, aber das heißt nicht, dass der Wald naturgemäß so aussieht. Es ist unser Bild vom Wald, das uns geprägt hat und da stehen wir vor Veränderungen. Man muss jetzt schauen, was in 30 bis 40 Jahren zurechtkommt. Exotische Bäume, wie Libanonzeder, sind dabei gar nicht die besten, sondern eine sehr deutsche Baumart, nämlich die Traubeneiche. Trotzdem pflanzt man nicht ein bis zwei Baumarten, sonder mischt, möglichst viele. Verschiedene Baumarten helfen sich gegenseitig.

Woher können wir heute wissen, was in 80 Jahren gilt? Welche Rolle spielt das Tempo des Klimawandels dabei, das immer offenbarer wird?

Die Natur passt sich an. Für die gibt es keine Zeiträume. Wir haben unsere Lebenslänge vor Augen, danach messen wir, so eine Zeitspanne von 80 Jahren. Aber für einen Baum sind es 300 bis 3000 Jahre. Die haben mehr Zeit. Ich finde erstmal schön, dass der Wald sich anpasst und ändert. Vielleicht wird es etwas mediterraner, mehr Sträucher. Der Wald wird weiterexistieren, aber wir, die wir den Wald brauchen, werden vielleicht nicht mehr so große Bäume sehen.

Haben Sie seit Ihrer Reise mehr oder weniger Sorgen?

Ich hab eine große Sorge weniger: nämlich, dass es kein Thema sein könnte. Dass man sagt, dass alles wie früher wird. Es wird gar nichts mehr wie früher. Wir müssen aus diesem Leben aussteigen, in dem wir die Natur und die Erde nur als Ressourcenlieferanten sehen. Wir glauben, dass wir wir sie ausbeuten können bis zum geht-nicht-mehr, dass wir immer mehr Wachstum erzeugen müssen. Sonst gibt es eine echte Katastrophe.

Insofern finde ich, macht es mehr Sinn, sich zu sorgen, als zu denken, mich berührt es nicht mehr und den nächsten 30 Jahren wird schon was passieren. Was wir nicht tun, wird sich in 30 bis 40 Jahren auswirken, auf unsere Kinder. Das ist ein Problem, dass es sich zeitverzögert zeigt, wenn man die Verantwortung nicht wahrnimmt. Es ist nicht natürlich, nicht für die nachfolgende Generation zu handeln, sondern nur für das jetzt. Es gibt viele, die dieses Bewusstsein entwickeln.

Haben Sie selbst etwas geändert?

Ja, aber ich will nicht alarmistisch sein. Ich habe über meinen ökologischen Fußabdruck nachgedacht. Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und da müssen wir jetzt aussteigen. Das geht nicht mit ich fahre nie wieder Auto und ich fliege nicht mehr, aber man kann schon darüber nachdenken, wann man das Auto wirklich braucht.

Man kann schon einiges tun. 2020 war das Jahr, in dem viele Rekorde gebrochen worden: Wärmster Januar, Februar, schlimmste Waldbränden in Australien etc. Trotzdem sehe ich keinen Grund zur Panik: Wir können den Klimawandel nicht stoppen. Wir können uns nur anpassen. Und wir können uns gemeinsam anstrengen, dass es weniger verheerend wird und möglichst wenig Opfer kostet.

Welche Gedanken sind Ihnen auf der Reise noch begegnet?

Meine wichtigste Erkenntnis ist, dass der Wald eine Gemeinwohlleistung erbringt: Schatten, Wasser, CO2 -Bindung, saubere Luft. Wer ein Stück Wald besitzt, hegt und pflegt, tut das also auch für die Gemeinschaft – jeder geht gern im Wald spazieren. Ein Ausgleich für diese Leistung sollte den Besitzern zugute geführt werden, sie müssten Förderung erhalten, darüber gibt es Einigkeit.

Wir haben das Privileg, die Vorzüge des Waldes zu genießen - haben auch wir eine Verantwortung für den Wald und wenn ja, wie können wir die wahrnehmen?

Wir können Bäume pflanzen. Viele vollbringen so eine Arbeitsleistung mit Hingabe. Es gibt viele Spender, die gerade im Thüringer Wald, gerade um Zella-Mehlis ganze Kahlschläge wieder aufgeforstet haben. Das sind Hotelbesitzer, das sind Sportanlagenbetreiber, die brauchen den Wald ja auch.

Es ist viel im Gange, man kann auch Baumpatenschaften verschenken, aber das ist natürlich nur das Aktionistische. Viel wichtiger ist nachhaltiger leben und überlegen, wie wir das Wachstum nicht unnötig steigern. Ich glaube, uns ist es oft nicht, bewusst, dass unsere Alltagshandlungen eine indirekte Auswirkung auf den Wald haben.

Ich sehe mich auch in der Rolle, das zu vermitteln. Nachdem ich erfahren habe, wie akut die Situation ist, aber dass man was tun kann, ist meine Aufgabe.

Wenn man wenig wissend in den Wald geht und fragt, kommt man mehr wissend heraus und das möchte man dann auch weitergeben. Nicht nur das Ergebnis, auch die einzelnen Schritte.

Das ist meine zweite Forstwanderung, mit dem Buch in der Hand.

Was ist die größte Lektion, die Sie vom Wald gelernt haben?

Dass der Wald immer noch sein Geheimnis hat. Man kann ein Jahr lang durchwandern, man kann nicht alles kennenlernen. Aber es gibt da einen sinnlichen Zugang, der ist mir ganz wichtig.

Interview: Julia Pöhlmann

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