Lehrermangel in Schmalkalden Grundschulklasse ins Homeschooling geschickt

und Annett Recknagel
Schüler werden nur noch verwahrt, wenn sie denn überhaupt in die Schule kommen, sagen Eltern der Schmalkalder Grundschule, wo derzeit eine zweite Klasse wegen Lehrermangels zu Hause bleiben muss. Foto: Annett Recknagel

Der Lehrermangel an der Staatlichen Grundschule in Schmalkalden ist akut. Aktuell sei eine 2. Klasse im Homeschooling, Eltern laufen Sturm: So kann Schule den Bildungsauftrag nicht erfüllen, kritisieren sie.

 
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Schmalkalden - „Hier brennt es“, sagt Daniela Möschter entrüstet am Telefon. In der Staatlichen Grundschule in der Renthofstraße gebe es aktuell so wenig Lehrer, dass eine zweite Klasse ins Homeschooling geschickt werden musste. Möschter ist Sprecherin einer vierten Klasse und beobachte das Dilemma schon einige Jahre, aber was jetzt passiere, sei nicht mehr normal.

Eltern müssten ungeplanten Urlaub nehmen, wenn sie denn überhaupt noch welchen haben, um sich von einem Tag auf den anderen zu Hause um ihre Kinder zu kümmern. „Hier erfüllt die Schule ihren Bildungsauftrag nicht, das kann doch nicht sein“, sagt Möschter. Aktuell gebe es 15 Lehrer für 15 Klassen, davon muss eine Lehrkraft bereits in der Fambacher Grundschule aushelfen, eine andere sei krank geworden.

Wenn das so weitergehe, sicher nicht die letzte, sagen die Eltern, dieser Zustand sei nicht zuletzt für die Pädagogen unzumutbar. Sie alle seien gleichzeitig Klassen- und Fachlehrer. „Für mein Kind ist der erste Englischunterricht im dritten Schuljahr komplett ausgefallen. Wer fragt denn in der fünften Klasse noch, warum die Kinder die Grundlagen nicht beherrschen“ kritisiert Daniela Möschter. Jetzt spitze sich die Situation aber noch einmal zu.

Dabei habe das neue Schuljahr vielversprechend begonnen: Jede Klasse an der Staatlichen Grundschule hatte ihren eigenen Klassenlehrer. Auch die personelle Besetzung im Hort war in Ordnung. Leider sollte das nicht lange so bleiben.

Schon am Mittwoch der ersten Woche kam ein Anruf aus dem Schulamt mit der Aufforderung, eine Pädagogin in die Grundschule nach Fambach abordnen zu müssen – dort kommen auf zwölf Klassen acht Lehrer. Nach Informationen der Heimatzeitung nicht die einzige Schule, an der der Lehrermangel dafür sorgt, dass Hortnerinnen Klassen schon während der Schulzeit betreuen und Lehrerinnen im Gegenzug im Hort aushelfen müssen.

In Schmalkalden lernen derzeit 15 Klassen. Der Weggang des Klassenlehrers treffe die Klasse 3c. „Unsere Kinder hatten noch nie länger als ein Vierteljahr einen beständigen Klassenlehrer – immerzu gab es Wechsel“, beklagte auch die stellvertretende Elternsprecherin Diana Ritzmann und setzte sich umgehend mit der Schulelternsprecherin Kathleen Henkel in Verbindung. Henkel steht hinter Ritzmann.

Zudem ahnt sie, dass mit der Abordnung der Lehrerin die entstehenden Fehlstunden von Erzieherinnen aus dem Hort abgedeckt werden müssen. „Letztlich finanzieren wir das über unsere Hortgebühren“, sagt sie. Für sie sei das einfach utopisch. Es gebe eine Schulpflicht und einen Lehrplan. „Niemand spricht mehr über Qualität im Unterricht, erst recht nicht über Integration und Inklusion“, meint Henkel.

Ihrer Meinung nach würden die Kinder nur noch „verwahrt“. Durch fehlende Lehrer würden beispielsweise die ersten beiden Stunden durch den Hort abgefangen – mit einem Ersatzprogramm. Natürlich weiß sie, dass die Schulleitung „bastelt“, um das Problem so gut es ginge zu lösen. Die Umsetzung der Pädagogin insgesamt sei jedoch mit einem Hin und Her verbunden. „Das ist Stress für alle“, sagt Henkel und fügt hinzu: „Wir wollen zeigen, dass es so nicht geht.“

Im Grundschulhort an der staatlichen Einrichtung in der Renthofstraße habe es bislang personaltechnisch keine Probleme gegeben. Mit der Abordnung der Lehrerin der Klasse 3c, so fürchtet die Schulelternsprecherin, müssten jetzt wahrscheinlich Stunden zusammengelegt werden. „Vielleicht ein gemeinsamer Ethik- und Religionsunterricht“, mutmaßt Kathleen Henkel. Das Beste sei, neue Lehrer einzustellen.

Ein weiteres Problem sei die Kollegin, die zwei Jahre lang Kinder in Deutsch als Zweitsprache unterrichtet habe. Sie sei nicht fest angestellt gewesen, es gebe keinen Ersatz. Ursprünglich sei eine Verlängerung geplant gewesen – zu einer Anstellung kam es nie. Das Ministerium habe dies abgelehnt. Hier wie dort fehle es an Personal.

Ausbaden müssten das die Kinder. Der kleine Bruder eines Drittklässlers, der gerade eingeschult worden sei, sitze neben seinem Bruder und verstehe den gesamten Unterricht über nichts. „Wie kann das sein?“, fragt sich Kathleen Henkel. Auch im mobilen sonderpädagogischen Dienst seien die Stunden gekürzt worden. Inklusionskinder könnten daher nur eingeschränkt begleitet werden. Henkel hat bereits den Landeselternsprecher die bestehende Problematik schriftlich mitgeteilt.

Reaktion aus dem Ministerium

Beim zuständigen Suhler Schulamt heißt es, die entsprechende Anfrage sei an das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport weitergeleitet worden. Das reagiert noch am Abend und bestätigt, dass die Situation in der Region Schmalkalden derzeit sehr angespannt sei. „Man kann mit Fug und Recht sagen: Der strukturelle Lehrermangel schlägt hier am Beispiel voll zu“, teilt ein Sprecher mit. Die langfristigen Versäumnisse früherer Landesregierungen der 90-er und frühen 2000-er Jahre seien von einem Sparkurs, Personalkürzungen und wenig Neueinstellungen geprägt gewesen. Das wirke sich nun, da immer mehr starke Altersjahrgänge in der Lehrerschaft in den Ruhestand gehen, immer mehr aus. „Die Löcher können selbst mit den besten Anstrengungen und den vielen Neueinstellungen, die es seit einigen Jahren ja gibt, in einigen Regionen nur mit äußerster Anstrengung geschlossen werden. Kommt es dann zu gehäuften Krankheitsfällen an einer Schule, kann schnell eine Situation wie in Schmalkalden entstehen, die sich für einen kurzen Zeitraum nicht mehr anders lösen lässt. Dennoch: Der Fall in Schmalkalden ist weiterhin außergewöhnlich und wir bitten alle Beteiligten um Verständnis für die schwierige Situation vor Ort“, betont der Sprecher. Alle beteiligten Behörden, das Schulamt wie auch das Bildungsministerium, wissen um das Problem und versuchen das Bestmögliche, um die Situation zu lösen.

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