Lauschaer in Eisenach Glasprinzessin beim „Sommergewinn“

Doris Hein

Wer es noch nicht selbst erlebt hat, der kann es sich schwerlich vorstellen. Was die Eisenacher für ihren „Sommergewinn“ auf die Beine stellen, sucht seinesgleichen. Heuer hatte Lauscha eine Einladung erhalten, im kilometerlangen Zug durch die Innenstadt mitzulaufen.

 
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Der Eisenacher Sommergewinn ist noch in vollem Gange. Zum  Auftaktwochenende waren auch Lauschaer mit vor Ort, wo sie mit ihrem immateriellen Kulturerbe beim Festumzug des Frühlingsfestes, das als eines der  größten  Deutschlands gilt,  für weihnachtliche Stimmung gesorgt haben.

Unlängst hatte Lauscha eine Einladung erhalten, beim Eisenacher Sommergewinn im kilometerlangen Zug durch die Innenstadt mitzulaufen. Der Vereinsvorstand der Sommergewinnszunft Eisenach hatte heuer als Thema des Festzuges das „Immaterielle Kulturerbe in Thüringen“ ausgewählt, da die UNESCO vor 20 Jahren das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes verabschiedet hatte. Und da können die Lauschaer ja bekanntlich seit zwei Jahren ein Wörtchen mitreden.

Lothar R. Richter und Jürgen Müller-Blech, die gemeinsam mit Gerhard Greiner-Bär die Aufnahme des Lauschaer Christbaumschmucks ins Kulturerbe-Verzeichnis initiiert hatten, waren zu Recht stolz auf die Einladung und rührten eifrig die Werbetrommel. Lauschas Bürgermeister Norbert Zitzmann, Helmut Bartholmes, Obermeister der Thüringer Kunstglasbläserinnung, und seine Frau sowie Dietbert Bätz, dessen Christbaumschmuckkreationen in seinem Geschäft an der Ortsdurchfahrt immer wieder Besucher und Einheimische ins Staunen versetzen, Anja Rudloff, seit mehr als 30 Jahren erfolgreich als Glasbläserin tätig, und natürlich Richter und Müller-Blech machten sich am vergangenen Samstag gemeinsam mit Lauschas Glasprinzessin Janice Müller-Blech und deren Mutter Heike auf den Weg nach Eisenach.

Schon kurz nach der Ankunft konnten die Lauschaer erste Eindrücke vom Umfang des Events sammeln. Wer es noch nicht selbst erlebt hat, der kann es sich schwerlich vorstellen. Was die Eisenacher für ihren Sommergewinn auf die Beine stellen, sucht seinesgleichen. 7000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit flossen in die rund sieben Monate umfassende  Vorbereitung. 400.000 handgedrehte Krepppapierblüten schmückten Häuser, Zäune, Vorgärten und natürlich die rund 30 Festwagen. Seit 1897 gibt es den Festumzug, der den Höhepunkt des Volksfestes – eines der ältesten und größten Frühlingsfeste Deutschlands – bildet. Jedes Jahr drei Wochen vor Ostern lässt der Eisenacher Sommergewinn einen Jahrhunderte alten Brauch lebendig werden, bei dem das Ende des Winters und der Beginn des Sommers gefeiert wird.

Glasprinzessin Janice wurde mit der Pferdekutsche chauffiert neben einem Weihnachtsbaum mit goldenen Kugeln sitzend, wie sie die Lauschaer Berufsfachschule Glas vor einigen Jahren der Queen geschenkt hatte. Die beiden Schwarzwälder Raik und Rüpel von Familie Spauschus aus Gotha, die sonst für Kutsch- und Hochzeitsfahrten eingesetzt werden, durften diesmal einen Wagen mit einer echten Hoheit ziehen. Überdimensionale Fotos von Lauscha und der traditionellen Christbaumschmuckherstellung ließen die Neugierigen am Straßenrand und an den Fenstern der Häuser gleich erkennen, woher die Prinzessin kam. Autogrammkarten und Flyer vom Museum für Glaskunst taten ein Übriges, um Werbung für die Glasstadt zu machen. Hinter der Kutsche hatten sich die Vertreter der Stadt und des gläsernen Kunsthandwerkes eingereiht, die mit Freude feststellen konnten, dass der Name „Lauscha“ zahlreichen Zuschauern, die zu Tausenden den Weg des Festzuges säumten, durchaus bekannt war.

Im Festzug sollten alle Thüringer Vertreter, die auf der Liste des immateriellen Kulturerbes zu finden sind, dargestellt werden. Der Eisenacher Sommergewinn, das Skatspiel aus Altenburg, die Heiligenstädter Palmsonntagsprozession, die Herstellung des gläsernen Christbaumschmucks aus Lauscha und die Kindergartenidee nach Fröbel sind bereits ins Bundesverzeichnis aufgenommen. Zum Thüringer Landesverzeichnis gehören außerdem die Gartenzwerge aus Gräfenroda, der Weihnachtliche Fackelbrand zu Schweina, die Thüringer Bratwurstkultur, der Taubenmarkt in Dermbach, der Anbau der Erfurter Brunnenkresse und Brehms Tierwelt.

Fachliche Unterstützung erhielt die Sommergewinns-Zunft bei der Vorbereitung von der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen durch Juliane Stückrad. In der Festschrift, die jährlich zum Sommergewinn herausgegeben wird, wurden alle elf Thüringer Kulturformen vorgestellt, darunter natürlich auch die Christbaumschmuckherstellung in Lauscha.

Der Eisenacher Brauch des Sommergewinns wurde erstmals Ende des 13. Jahrhunderts erwähnt und soll seit dem 15. Jahrhundert regelmäßig durchgeführt worden sein. Die im Westen Eisenachs gelegene Georgenvorstadt rund um den Ehrensteig gilt als Wiege des heutigen Brauchtums; viele der Gedichte und Theaterstücke sind daher in der Stiegker Mundart verfasst. So hat Torsten Daut, Zunftmeister der Sommergewinnszunft Eisenach, in einem derartigen Mundartgedicht über Lauscha geschrieben: „… Ein Stückchen weiter unten in unserem Land da liegt die Stadt Lauscha, sie ist weithin bekannt. Dort wird seit Generationen schon, bekannt auf der ganzen Welt, der berühmte Christbaumschmuck mundgeblasen und hergestellt…“ Zunftmeister Daut ließ es sich auch nicht nehmen, allen Teilnehmern des Festumzuges vorab einen kurzen Besuch abzustatten. In seiner Begleitung war Juliane Stückrad von der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen. Ein Wiedersehen gab es für die Lauschaer aber auch mit der Thüringer Staatssekretärin für Kultur, Tina Beer, die ihnen die Urkunde zur Aufnahme ins Thüringer Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes überreicht hatte. In Eisenach unterhielt sich Beer mit Glasprinzessin Janice und bekräftigte ihr Versprechen, Anfang Juni nach Lauscha zu kommen.

„Freuen wir uns auf einen schönen und erlebnisreichen Tag in Eisenach, wo wir den Lauschaer Christbaumschmuck als Kulturform, die im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes ihren festen Platz gefunden hat, erneut und öffentlichkeitswirksam darstellen können“, hatte Richter seinen Mitstreiter vorab in die Einladung geschrieben. Im Nachgang kann man mit Fug und Recht behaupten: Dies ist den Lauschaern gelungen.

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