Landwirtschaft und Tierwohl Rhöner Weidemilch mit zwei Sternen

Birgitt Schunk
Agrarchefin Isabel Schmidt (r.) und Herdenmanagerin Franziska Lachmann mit der Weidemilch, die von den Kühen aus ihrem Betrieb kommt. Foto: Birgitt Schunk

Milch von den Kühen der Agrargesellschaft Hermannsfeld kommt inzwischen unter einem Tierschutzlabel in die Flasche. Die Rinder haben viel Platz – und täglich raus gehen die Tiere natürlich auch.

 
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Stedtlingen/Hermannsfeld - Im Stall in Stedtlingen ist es an diesem Nachmittag recht leer. Die meisten Kühe sind draußen auf der Weide – andere ziehen es vor, genüsslich zu fressen oder durch die Anlage zu spazieren. 2015 ist der neue Milchviehstall in Betrieb gegangen. Die Tiere können heute entscheiden, wo sie sich aufhalten. Direkt am Stall gibt es einen Laufhof. Die Hälfte der Fläche ist mit Stroh ausgelegt.

„Raus können die Tiere immer, die Außenreize an frischer Luft tun den Kühen gut“, sagt Geschäftsführerin Isabel Schmidt. Inzwischen können die Rinder nicht nur den Stall verlassen, sondern auch auf die Weide gehen. Die Bedingungen hierfür könnten nicht besser passen. „Wir haben direkt am Stall rund 42 Hektar Grünland, das Stück für Stück abgeweidet wird.“ Immerhin stehen so jeder Kuh jeweils gut 1100 Quadratmeter während der Weidesaison zur Verfügung.

Ein Wohlfühl-Stall

Und auch im Stall ist das Platzangebot größer als von den Parametern her für die konventionelle Tierhaltung erforderlich. „Der neue Stall ist für 506 Kühe ausgelegt, wir haben hier aber derzeit nur 370 Tiere, die gemolken werden“, sagt die Agrarchefin. Und diese Bedingungen sorgen dafür, dass sich die Kühe wohler fühlen. „Es gibt immer Tiere, die in der Rangordnung benachteiligt sind und die bei einem knackevoll belegten Stall beim Fressen oder der Suche nach einer Liegebox mehr Stress haben, weil andere Kühe dominieren.“ Und weil die Gesellschaft immer mehr Tierwohl fordere, gab es Überlegungen, ob man nicht in das Weidemilch-Programm einsteigen könnte. „Wir haben immerhin die Voraussetzungen hierfür“, sagt Schmidt.

Ihr Betrieb liefert die Milch in die Molkerei in Würzburg, die zur Bayerischen Milchindustrie (BMI) gehört. Das dortige Unternehmen setzt auf das Siegel des Deutschen Tierschutzbundes „Für mehr Tierschutz“, das seither auf der Milchflasche zu sehen ist. Der Agrarbetrieb in der Rhön wurde unter die Lupe genommen – und bekam grünes Licht für die Premiumstufe mit zwei Sternen, weil mit dem Weidegang, dem größeren Platzangebot und weiteren Punkten alle Kriterien hierfür erfüllt waren. Die Weidemilch der BMI kommt aktuell aus Stedtlingen und von einem weiteren Erzeuger aus Hessen. Sie läuft unter der Herkunftsmarke „Frankenland“. „Die Molkerei ist in Franken ansässig und unsere Region gehört auch zu Franken – insofern passt das schon“, sagt Isabel Schmidt. Entscheidend sei, dass die Menschen in Einkaufsmärkten nun Milch direkt von den Kühen aus Stedtlingen kaufen könnten, die sie draußen auf der Weide sehen.

Auf Festen und Veranstaltungen hat der Betrieb seine Milch bereits vorgestellt und zum Verkosten angeboten. Auch der Kindergarten in Stedtlingen wird mit der Weidemilch beliefert, die auch vom Unternehmen aus oder beispielsweise in der ortsansässigen Fleischerei verkauft wird.

Bis zu vier Kästen pro Woche gehen so vom Hof aus an Privatleute. „Das ist noch ausbaufähig“, sagt Isabel Schmidt. Deshalb reifen derzeit Überlegungen, einen kleinen Hofladen einzurichten. Einen Verkauf gibt es bereits in Hermannsfeld, wo kleine Stroh- und Heuballen oder auch Getreide an die Kunden gehen. „Wir müssen sehen, ob wir die Pläne dort umsetzen oder am Firmensitz in Stedtlingen.“ Man könne auch Bio-Lammfleisch zu Festtagen anzubieten. Schließlich hat die Agrargenossenschaft mit der Ökoschaf GmbH ein Tochterunternehmen, das 600 Schafe hält.

Die Stedtlinger Milchproduktion an sich ist nicht Bio-zertifiziert, obgleich hierfür viele Kriterien bereits erfüllt sind. „Der einzige Unterschied zur Bio-Haltung ist, dass wir kein Öko-Futter haben“, sagt Schmidt. „Da aber das Gros des Futters wie Gras- oder Maissilage, Heu, Stroh oder Getreideschrot aus der eigenen Produktion stammt, wissen wir genau, was wir füttern, weil wir es selbst anbauen – wir haben gutes regionales Futter, das zudem gentechnikfrei ist.“

Das einmal erreichte Premium-Label ist kein Selbstläufer. „Wir werden viermal im Jahr vom Stall bis zur Dokumentation im Büro einen ganzen Tag lang kontrolliert“, sagt Schmidt. Für die Weidemilch bekommt der Betrieb etwas mehr Geld für den Liter – ergo ist das Produkt auch etwas teurer. „Die Kunden wollen mehr Tierwohl – wir hoffen, dass sie unsere Bemühungen nun auch honorieren“, sagt die Agrarchefin. Im Betrieb selbst ging man diesen Schritt aber nicht nur des Images wegen. „Den Kühen bekommt die Weide, die Tiere sind sauberer und vitaler, die Klauen gesünder – das Klima ist besser, weil weniger Tiere im Stall sind.“

Lange gesunde Kühe

Rund 9300 Liter Milch geben die Kühe hier im Schnitt im Jahr. Die sogenannte Reproduktionsrate liegt bei 26 Prozent – der Wert gibt an, wie hoch der Anteil an Kühen der Herde ist, der jedes Jahr erneuert werden muss.

Geben die Tiere wenig Milch oder erkranken, gehen sie teilweise zum Schlachten und müssen durch neue Kühe ersetzt werden – passiert dies oft, steigt diese Rate. „Unser Ziel ist, dass die Kühe lange gesund bleiben und Milch geben – ist das der Fall, müssen nicht so viele nachgezogen werden“, so die Agrarchefin.

Mit 26 Prozent liegt der Betrieb unterm Thüringendurchschnitt von 36 Prozent. „Der deutlich höhere Wert auf Landesebene hat allerdings auch damit zu tun, dass Betriebe wegen geringen Milchpreisen oder Futterengpässen ihre Bestände deutlich abgebaut haben oder sogar die Milchviehhaltung aufgaben.“

Derzeit bewirtschaftet die Agrargesellschaft Hermannsfeld eine landwirtschaftliche Nutzfläche von insgesamt 1780 Hektar, davon sind 800 Hektar Grünland. 27 Beschäftigte und zwei Lehrlinge stehen hier in Lohn und Brot.

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