Im geteilten Nachkriegsdeutschland lag die Stadt Kassel ungefähr auf halber Strecke zwischen den Hauptstädten der beiden deutschen Staaten – Bonn und Ostberlin. Für die künstlerischen Leiter der documenta aber ging von dieser geografischen Mitte über Jahrzehnte keinerlei Impuls aus, künstlerische Positionen aus West und Ost gegenüberzustellen. Im Gegenteil: Der sozialistische Realismus galt den frühen documenta-Leitern Arnold Bode und Werner Haftmann als linientreue „Nicht-Kunst“ des Ostens, der in den Fünfziger- und Sechzigerjahren keinerlei Beachtung geschenkt wurde. Die documenta inszenierte sich in ihren Anfängen geradezu als Bollwerk gegen den Ostblock. Dem Totalitarismus der sozialistischen Welt wurde die Freiheit des Westens und seiner Kunst entgegengesetzt. Die entschiedene Westorientierung der jungen Bundesrepublik fand auch in der Auswahl von Künstlern (und wenigen Künstlerinnen) klar Ausdruck.