Mehrere EU-Staaten hatten die Bundesregierung am Montag beim Außenministertreffen in Brüssel teils sehr deutlich kritisiert. Polen kündigte an, Deutschland um eine Genehmigung für die Lieferung von in Deutschland hergestellten Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu bitten - machte aber deutlich, notfalls auch ohne Erlaubnis in einer kleinen Koalition Leopard-2-Panzer liefern zu wollen.
Außenministerin Baerbock wich bei dem EU-Außenministertreffen der Frage aus, ob die Bundesregierung einen Antrag auf die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern aus anderen Ländern schnell bewilligen würde. Am Vortag hatte die Grünen-Politikerin in einem Interview zu den polnischen Plänen gesagt: "Wir wurden bisher nicht gefragt und (...) wenn wir gefragt würden, würden wir dem nicht im Wege stehen."
Asselborn erwartet Frühjahrsoffensive Russlands
Die Ukraine braucht nach eigenen Angaben "einige Hundert" Kampfpanzer für die angestrebte Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete. "Jeder Panzer, der kampffähig ist, muss heute an unserer Front sein", schrieb Präsidentenbürochef Andrij Jermak am Montag beim Nachrichtenkanal Telegram. Ohne einen Sieg der Ukraine mit einer Rückkehr zu den Grenzen von 1991 und der Bestrafung Russlands werde es weder eine stabile Entwicklung noch eine klare Weltordnung geben.
Der luxemburgische Minister Asselborn sagte, er erwarte eine großangelegte Frühjahrsoffensive Russlands und gehe davon aus, "dass auch der deutsche Bundeskanzler das im Kopf hat". Dann müsse Europa und müsse der Westen bereit sein, militärische Ausrüstung und auch Panzer zur Verfügung zu stellen, "damit die Ukraine nicht überrollt wird" und nicht Hunderttausende Menschen dort sterben. Er sagte, die Rede sei von etwa 300 benötigten Panzern möglichst eines Typs. Und wenn man sich umschaue, sei dies eben der Leopard, der so massiv in Europa präsent sei. Es gebe 2000 Leopard-Panzer in Europa.
Die Ukraine wehrt seit elf Monaten eine russische Invasion ab. Kiew ist dabei finanziell und rüstungstechnisch nahezu vollständig vom Westen abhängig. Zuletzt hatte Kiew aus Tschechien modernisierte Panzer sowjetischer Bauart erhalten. Großbritannien, Polen und Finnland stellten Kiew westliche Panzer, darunter Leopard aus deutscher Produktion, in Aussicht.
Stoltenberg wirbt für Waffenlieferungen
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte in der Kampfpanzer-Debatte die Einheit der Nato und warb erneut für mehr Waffenlieferungen. Seit Beginn des Krieges vor knapp einem Jahr habe es in der Allianz "ein noch nie da gewesenes Level an Unterstützung" gegeben, inklusive Deutschlands, sagte Stoltenberg am Montag im TV-Sender Welt auf die Frage, ob das Bündnis in einer entscheidenden Phase des Krieges gespalten sei. Es gebe jetzt einen Konsultationsprozess, welche Art Ausrüstung man der Ukraine liefern sollte. Manchmal brauche es auch etwas Zeit, um vertraulich mit den Alliierten zu konsultieren. Er begrüße sämtliche Ankündigungen rund um die Kampfpanzer seitens der Alliierten.
Die US-Regierung lässt in der Debatte nach außen keine Spannungen mit Deutschland erkennen. Deutschland sei ein treuer und verlässlicher Partner, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums in Washington, Ned Price, am Montag. Die Lieferung von Militärgütern sei eine souveräne Entscheidung eines jeden Partners. Und Deutschland habe schon viel Hilfe geleistet, sagte Price. Er deutete aber an, dass sich die Position Deutschlands mit Blick auf die Leopard-Panzer womöglich bald ändern könnte. "Wenn ich die Schlagzeilen lese, dann habe ich den Eindruck, dass wir von unseren deutschen Partnern in den kommenden Stunden oder Tagen mehr hören könnten", sagte Price.