Kramer auf Kirchenburg Wie man aus der Verzagtheit kommt

Sigrid Nordmeyer
Gemeinsam musizieren, singen und beten zu Gottes Lob. Landesbischof Friedrich Kramer mit Regionalbischof Tobias Schüfer. Kramer (links), singt aber auch a cappella: „Mach uns zu Friedensboten Deiner Zeit“. Foto: /Sigrid Nordmeyer

Nach einer bewegenden Abendandacht lädt Landesbischof Kramer in der Walldorfer Kirche zum Gespräch ein. „Fragen Sie!“, fordert er auf. Kaum wahrscheinlich sei es, dass er wiederkomme.

 
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Walldorf - „Das ist genau unsere Situation momentan.“ Dass sich Wigbert Schorcht von der Andacht des Landesbischofs Friedrich Kramer auf der Kirchenburg Walldorf angesprochen fühlt, sagt er gleich zu Beginn des sich anschließenden Gesprächs im Kirchenraum. Er spricht dabei als stellvertretender Vorsitzender für den Gemeindekirchenrat genauso wie für den Kirchenburgverein Walldorf/Werra, dem er seit der Gründung im Februar 2019 als aktives Mitglied angehört. „Wir müssen einen Weg finden und das geht nur gemeinsam“, formuliert der Biologe, der auch als Fledermaus- experte für die Kirchenburg zuständig ist.

Momentan befinde man sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Aufbruch und Depression. „Nach kirchlichem Aufbau müssen wir auch wieder die Gemeinde aufbauen“, sagte er. Aber nur für die eigene Gemeinde habe man „diese Investition“ nicht gemacht, sagt Schorcht ebenfalls und meint wohl den Wiederaufbau, die sich anschließenden Aktivitäten und auch die Gründung des Vereins. Dabei gehe es nicht um Vereinsmeierei, vielmehr solle man hier „über Gott und die Welt reden können“. Einen „überregionalen Weg“ habe man bestritten und er sei froh, wenn die Landeskirche diesen Weg unterstütze.

„Es hat mich angerührt“, äußert sich Wigbert Schorcht aber auch ganz persönlich zu den Worten des Landesbischofs.

Kramer lud sich quasi selbst nach Walldorf ein. Weil er schon viel Interessantes zur wiederaufgebauten Kirchenburg nach dem Brand gehört und gelesen hatte, wollte er schon lange mal kommen und brachte seinen ebenfalls interessierten Schwiegervater gleich mit.

Die Worte aus der Bibel, die Friedrich Kramer den Walldorfern nahebringt, sind die Herrnhuter Losung für genau den Donnerstag seines Besuches: Josua 14, Vers 8.

„Wie kommt man aus Verzagtheit heraus?“ fragt der Bischof und gibt die Antwort anbei: „Ich wünsche mir viele Gläubige, die sagen: ’Ich folge dem Herrn meinem Gott treulich’.“ Immerhin gebe es momentan „viele Brüder und vielleicht auch Schwestern, die dem Volk das Herz schwer machen“. Kramer staunt auch, wie stark der Aberglaube in Zeiten der Pandemie wird.

Die Kirche als ein Ort, der tröstet, der Mut macht, der aus der Verzagtheit herausführt. Das ist dem Bischof in dem Zusammenhang wichtig. Angesichts der Tatsache, dass es in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Gegenden mit erschreckend geringer Kirchenzugehörigkeit gebe, „zum Beispiel das Mansfelder Land mit nur vier Prozent“, sei die Situation im Meininger Kirchenkreis mutmachend. Und die Kirchenburg nach ihrem Wiederaufbau insbesondere. Kramer zeigt sich sehr interessiert an allen Projekten. „Ich habe mir viele Fotos von Ihrer Kirche angeguckt, bevor ich hergekommen bin“, sagt er noch vor der Führung über die gesamte Anlage. Dass es hier so gut möglich gewesen ist, Drittmittel zu organisieren, freut den Landesbischof. Und weil der Pfarrer des Wiederaufbaus Heinrich von Berlepsch, mittlerweile im Ruhestand nach Bayern gezogen, an dem Abend genauso mit dabei ist wie sein Nachfolger Otfried Heinrich, erfahren die Teilnehmer nach der Abendandacht noch etwas zu den Finanzen des Wiederaufbaus: „95 Prozent hat die Allianz bezahlt“, erklärt von Berlepsch, die Versicherung habe nach dem ersten Konzept eine Kopie der alten Kirche genehmigt. Man habe „viel Geld gespart“, es waren Spenden in großer Zahl eingegangen, viele Leute seien engagiert gewesen. Weder in der Landeskirche noch beim Denkmalschutz habe es einen Topf gegeben, aus dem Gelder geflossen wären. Vielmehr hätte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz Spenden gesammelt. „Sie haben nicht nur diskutiert, Sie haben auch gebetet“, lobt der Bischof. Immerhin müsse solch ein Konzept für das ganze Dorf funktionieren. Denn die Kirche sei „die Seele des Dorfes“, sagt Kramer. Und die müsse nach dem Empfinden aller dort gut aussehen, „wie bei allen unseren Kirchen“.

Die Kooperation „nach draußen“ sei so wichtig, damit die auch Leute sagen: „Das ist unsere Kirche“. Dann könne man auch wieder den Hinweis geben: „Dort hinten steht übrigens ein Taufstein“. Wie man den Raum eröffne, damit Gottes Geist wirken könne, sei auch von Bedeutung. Außerdem: „Bei Ihrem Brotbacktag – wird das Brot auch gesegnet?“

Den passenden Lehrtext für diesen Tag aus Offenbarung 3, den Versen 11 bis 12, zitiert Bischof Kramer ebenfalls: „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ Dass der Glaube nicht nur gelebt, sondern auch gezeigt werden muss, gehört für ihn in diesem Zusammenhang dazu. Dem Kollegen am Morgen nach dem Streit vom Vortag nicht nur anlächeln, sondern auch sagen, dass man die Nacht durchgebetet hat. „Sonst wird man ja für schwächlich gehalten“, macht er deutlich. Seelsorge und Besuche, geistliche Begleitung. Das ist Kramer wichtig.

Klare Fragen deshalb auch von ihm an die Gemeinde in Walldorf: „Wann haben Sie das letzte Mal Abendmahl gefeiert?“ Immerhin gebe es in Zeiten der Pandemie Optionen dafür, auch zu experimentieren. „Mit Kelch, zu Pfingsten, zur Konfirmation“, antwortet ihm eine Walldorfer Kirchenälteste. Mit der Familie des Konfirmanden war es vor wenigen Tagen möglich gewesen. „Wir sind immer noch in der Eingewöhnungssituation“, macht Wigbert Schorcht die schwierige Zeit nach dem Ruhestand von Pfarrer von Berlepsch deutlich: Die Vakanzzeit, die Suche nach einem neuen Pfarrer sei nicht einfach gewesen.Die neue Situation mit fünf anderen Kirchgemeinden. Tipp zum Schluss: Die Kirchenburgführung unter Mail-Anmeldung kontakt@kirchenburg-walldorf. de

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