Konsequenzen Querdenker-Demo: Polizei kündigt neues Einsatzkonzept an

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Protest in Schmalkalden eskaliert. Foto: Screenshot Video

Während einer Kundgebung von Corona-Leugnern und -Skeptikern in Schmalkalden ist es zu einem gewalttätigen Zwischenfall gekommen. Die zuständige Polizeidienststelle will daraus nun Konsequenzen ziehen – und kann bei sich keine Fehler vor, während oder nach dem Einsatz erkennen.

 
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Erfurt - Nach dem Angriff von Querdenker-Demonstranten in Schmalkalden auf mehrere Polizisten ermittelt die Staatsanwaltschaft Meiningen. Es gehe um mutmaßliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. Ermittelt werde gegen mehrere Personen.

Zudem haben die Sicherheitskräfte angekündigt, ihre Einsatztaktik für die nächsten derartigen Demonstrationen zu ändern – und das Agieren der Polizei vor, während und nach dem Übergriffs vom Montag verteidigt. Dass die angegriffenen Polizisten die versuchten Festnahme des mutmaßlichen Täters schließlich hatten, sei „die absolut richtige Entscheidung“ gewesen, sagte eine Sprecherin der Landespolizeiinspektion (LPI) Suhl am Mittwoch unserer Zeitung. Die Sicherheit der beteiligten Polizisten habe Vorrang gehabt. Die Beamten hätten sich einer solchen Vielzahl von Menschen gegenüber gesehen, dass die Lage sehr schnell noch sehr viel mehr hätte eskalieren können. Auch dass die Polizei im Anschluss an die Eskalation nicht zum Beispiel versuchte, die daran Beteiligten durch den Einsatz weiterer Polizisten einzukesseln, sei richtig gewesen, sagte sie.

Bei einer illegalen Demonstrationen von etwa 60 Menschen aus dem Querdenker-Milieu war es am Montagabend zu einem Zwischenfall gekommen. Nach Polizeiangaben – die durch mehrere Videos von dem Vorfall gestützt werden – versuchten Polizisten zunächst die Identität eines Mannes festzustellen, den sie für den Anführer der Corona-Leugner und -Skeptiker hielten. Kurz darauf wurde einer der Beamten von einem 44-Jährigen angegriffen. Nach Polizeiangaben schlug der Mann einen Polizisten mit der Faust gegen den Hals. Während anschließend drei der vier an dem Zwischenfall beteiligten Beamten mit dem Mann rangen, wurden die Polizisten von mehreren anderen Querdenkern umringt, bedrängt und beschimpft. Mindestens eine Frau riss einen der Polizisten von dem mutmaßlichen Täter herunter. Inzwischen ermittelte die Kriminalpolizei zu dem Vorfall – nicht nur gegen den Angreifer, sondern auch gegen die Umstehenden.

Die Sprecherin der LPI Suhl sagte, bei den vier belagerten Polizisten habe es sich um Beamte der Polizeiinspektion Schmalkalden-Meiningen gehandelt. Es seien vier weitere Beamte dieser Dienststelle in Schmalkalden im Einsatz gewesen. Angesichts von mehreren Dutzend Demonstranten sei das aber bei Weitem zu wenig Personal gewesen, um gegen diese aggressive Menschengruppe vorzugehen.

Dass keine weiteren Polizisten aus anderen Dienststellen in Schmalkalden im Einsatz gewesen seien, habe an der Lageeinschätzung der Polizei im Vorfeld gelegen, sagte die Sprecherin. Die sogenannten Hygienespaziergänge in Schmalkalden seien in der Vergangenheit immer friedlich verlaufen. Deshalb seien am Montag zwar Bereitschaftspolizisten aus Erfurt in Südthüringen zur Begleitung von derartigen Protesten im Einsatz gewesen – allerdings in Hildburghausen. „Die Lage ist von uns so beurteilt worden, dass die Stimmung am ehesten in Hildburghausen umschlägt“, sagte die Sprecherin. Dort sei die Lage in der jüngeren Vergangenheit ziemlich aggressiv gewesen.

Diese Bereitschaftspolizisten unmittelbar nach dem Übergriff auf ihre Kollegen in Schmalkalden dorthin zu schicken, habe aus Sicht der Einsatzführung keinen Sinn gemacht, sagte die Sprecherin. Die aggressiven Demonstranten hätten sich unmittelbar nach dem Vorfall zerstreut. „Die Einschätzung war: Bis Unterstützungskräfte da sind, sind die Demonstranten weg.“ Von Hildburghausen bis Schmalkalden dauert es mit dem Auto etwa eine Stunde.

Dass die der LPI übergeordnete Landespolizeidirektion gegenüber dem MDR die Lageeinschätzung der Südthüringer Polizei indirekt kritisiert hatte, wollte die LPI-Sprecherin nicht im Detail kommentieren. „Wir sind eine Polizei, wir müssen immer zusammenarbeiten“, sagte sie nur. Die LPI Suhl ist in Polizeidingen für die allergrößten Teile Südthüringens zuständig. Der Angriff auf die Polizisten hatte landesweit Entsetzen ausgelöst. Aus der Landespolitik hieß es übereinstimmend, er zeige, wie sehr sich Menschen aus dem Querdenker-Lager inzwischen radikalisiert hätten und wie sehr ihre Anhänger in allen Gesellschaftsschichten zu finden seien.

Für sehr wahrscheinliche Querdenker-Demonstrationen in den nächsten Wochen werde die Gefährdungslage nun neu bewertet werden, sagte die Sprecherin der LPI. Eine solche Lage solle sich auf keinen Fall noch einmal wiederholen.

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