Kommentar Lila Kühe und Goldesel wie im Märchen

Die Bauern gehen auf die Barrikaden. Immer noch. Sie wollen das Gleiche wie jeder von uns: Finanziell überleben.

 
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Mein Neffe ist Bauer. Um genau zu sein – er ist Schäfer. Seine Tiere gehen ihm über alles. Ehe er frühmorgens frühstückt, will er sie versorgt wissen. Und bevor er ins Bett geht, schaut er noch mal nach dem Rechten. An sieben Tagen in der Woche ist er zwölf Stunden im Dienst. Freizeit? Die ist dünn gesät. Wer nun meint, dass so ein Schäfer reich werden könnte, der glaubt auch an lila Kühe oder Goldesel. Landwirt, das ist ein Knochenjob. Einer, bei dem der Verdienst über Jahre hinweg bestenfalls gleich geblieben ist.

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Öffentlich wird davon gesprochen, dass jeder Landwirt pro Jahr durchschnittlich 82 000 Euro Gewinn einfährt. Keiner sagt dazu, dass davon Investitionen und Erneuerungen für den Betrieb bezahlt werden müssen. Wer weiß, was ein Auto kostet, der kann sich ausrechnen, mit wie viel Geld allein ein Traktor zu Buche schlägt. Oder ein artgerechter Stall.

Reich wird man als Schäfer nicht. Auch nicht dem Verkauf von Fellen. Damit lässt sich schon lange kein Geld mehr verdienen. Keine Nachfrage – also werden sie weggeworfen. Hallo? Wo bleibt denn da der Aufschrei der Tierschützer? Selbst bei Schafwolle legen die Schäfer inzwischen bares Geld drauf. Längst können die Agrarbetriebe nur noch mit Subventionen überleben. Nee, nee, das ist kein Geschenk. Das dient dazu, hochwertige Lebensmittel für den kleinen Geldbeutel zu produzieren. Wollen wir ja schließlich alle. Ohne diese Gelder müssten sämtliche Bauernhöfe deutschlandweit dicht machen. Und jetzt wird also auch noch der Agrardiesel teurer. Dies war der viel gepriesene Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht und die Bauern auf die Straße getrieben hat.

Dazu kommen Verordnungen, Bestimmungen, Gesetze, Vorgaben und Verbote, die dem Naturschutz oder dem Tierwohl dienen sollen. Oftmals mit teuren Beschäftigungstherapien verbunden, die die langen Arbeitszeiten der Bauern zusätzlich verlängern. Seit 20 Jahren kämpfen sie für einen Bürokratieabbau. Zugehört hat ihnen bisher keiner. Jetzt sollen sie mit einem Cent fürs Tierwohl besänftigt werden. Schon jetzt graut den Landwirten vor solchen Ideen. Denn um an das Geld zu kommen, drohen ganz sicher wieder neue bürokratische Hürden.

Mein Schäfer, er würde sich wünschen, dass die Bauern wieder mehr Ansehen erlangen. Dass sie eben nicht bei jeder Gelegenheit in den Dreck gezogen werden. Und dass die Menschen verstehen, dass sie derzeit darum kämpfen, dass ihr Lohn gleich bleibt. In anderen Branche wäre so ein bescheidenes Ansinnen völlig undenkbar. Er selbst konnte bei den Demonstrationen nicht dabei sein. Es ist Lammzeit. Schließlich will der eine oder andere zu Ostern Lammfleisch in die Röhre schieben. Am liebsten frisch vom Bauern. So lange es ihn noch gibt.