Philipp Lahm dribbelt von der linken Außenbahn nach innen, kurz vor der Strafraumgrenze zieht er ab – und versetzt mit seinem Treffer ein ganzes Land für einen unvergesslichen Monat lang in Glückseligkeit. Das Tor zum 1:0 gegen Costa Rica im Auftaktspiel der WM 2006 war der Türöffner für das prägendeste Sportereignis der letzten Jahrzehnte. Am Freitag beginnt mit der EM ein Turnier, in das hohe Erwartungen gesetzt wird. Zu hohe. Denn die EM 2024 wird keine Wiederholung des Sommermärchens 2006. Zunächst einmal aus einem ganz profanen Grund: Ein Sommermärchen kann man nicht erzwingen. Vor 18 Jahren entstand der Spirit des WM-Sommers ganz von selbst. Deutschland war von sich selbst überrascht – sportlich und gesellschaftlich. Heute ist dies anders: Während sich das Land zur WM gerade aus einer Wirtschaftskrise erhob, wird jetzt allerorten über die strukturellen Probleme des Landes debattiert. Deutschland ist tief gespalten – wie die Europawahl jüngst zeigte. Das Land ist ein anderes als im Sommer 2006. Es wäre deshalb vermessen, darauf zu hoffen, dass ausgerechnet das DFB-Team diese Gräben schließt.