Eltern beim Kinder-Fußball „Heulsuse“, „Halt deine. . .!“ – an der Seitenlinie ist Schluss mit lustig

Lisa Welzhofer

Auch beim E-Jugend-Spiel geht es natürlich um alles, da dürfen die Emotionen Salti schlagen wie Miroslav Klose seinerzeit. Aber wenn Eltern Kinder der gegnerischen Mannschaft beleidigen, ist das nicht mehr lustig, findet unsere Kolumnistin.

 
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Zettel wie diesen hängen manche Fußballvereine auf. Foto: privat/privat

Wer wissen will, wie dünn der Firnis der Zivilisation auch bei Menschen in Polohemden und mit Pulli um die Schultern ist, der muss sich nur mal bei Saisonende an den Rand eines Kinder-Fußballspiels stellen. Zum Beispiel kürzlich in einem der Sehr-gut-Verdiener-Stadtteile am Rande des Stuttgarter Hexenkessels.

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Wie immer im Fußball ging es um nichts weniger als um alles. In diesem Fall um der Platzierung in einer Jugend-Staffel. Das Nervenkostüm aller Beteiligten war also högscht fragil. Was auf dem Platz zu kurzzeitigen Zusammenbrüchen mancher Stürmer (Schiri gemein! Keiner passt mir zu! Ball nicht im Tor! ) führte. Und an dessen Rändern dazu, dass Eltern der gegnerischen Mannschaft, also Erwachsene (!), „Heulsusen“ in Richtung der Spieler, also der Kinder (!), schrien.

Merkwürdiges Mitmenschenbild

Als dann der Vater einer „Heulsuse“ eher freundlich darauf hinwies, doch bitte niemanden zu beleidigen, kam der Angesprochene nicht nur sehr raumgreifend auf ihn zu, sondern wollte, dass er seine „..... hält“ (setzen Sie hier bitte eine besonders unflätige Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsteil ein) – was gleich in vielerlei Weise ein merkwürdiges Mitmenschenbild offenbart.

Beim Fußball schlagen Gefühle Salti wie Miroslav Klose seinerzeit, wallen die Körpersäfte manchmal mächtig, das ist schon klar, besonders, wenn das eigene Fleisch und Blut mitkickt. Und das ist ja auch schön und wichtig. Diesbezüglich hab’ ich durchaus eine Lernkurve genommen: Tatsächlich konnte ich mir in meinem Vormutterdasein kaum etwas Öderes vorstellen, als 90 Minuten lang 22 Kerlen mit fragwürdigen Frisuren und einem Ball zuzusehen.

Heute stehe ich, gerührt vom stolzen Ernst des auflaufenden Sohnes, am Rasenrand, leide mit, wenn der Torwart in diesen riiiiiiesigen Kasten eins reinbekommt, kann so gut verstehen, dass die Abwehr vor dem Angstgegner schon vorher einknickt, bin sauer auf den Schiri, der den fiesen Rempler nicht pfeift, freu mich wie irre, wenn die Mannschaft gewinnt, und lache sehr über die einstudierten Torjubel à la Mbappé.

„Wir sind nicht bei der WM!“

Dass es dabei auch mal körperlich und verbal zur Sache geht, dass kritisiert, geschubst, sich angemault und wieder vertragen wird, find ich sogar ziemlich toll. Übermotivierte Eltern – Achtung Selbstkritik! – organisieren ja gern sämtliche Frustrationen für ihre Töchter und Söhne weg, deeskalieren mittels „gewaltfreier Kommunikation“ schon, bevor der Streit entsteht. Da ist es gut, wenn der Nachwuchs lernt, dass es es beim Kräftemessen nicht immer nur achtsam und bedürfnisorientiert zugehen kann.

Insofern dürfen auch Eltern am Spielfeldrand aus der zivilisierten Haut fahren, dürfen anfeuern, brüllen, sich ärgern, freuen, hysterisch lachen, heimlich weinen. Das ist das Leben. Nur, Kinder (und andere Eltern) beleidigen, das geht halt trotzdem nicht.

Vor einiger Zeit schickte mir eine Freundin das Foto eines Plakats, das der Verein ihrer Kinder aufgehängt hat, der offenbar ebenfalls Erfahrungen mit entgleisenden Eltern macht. Darauf steht:

„Bitte beachtet!!! Es sind Kinder!Es ist nur ein Spiel!Die Trainer sind Freiwillige!Die Schiedsrichter sind Freiwillige!Wir sind nicht bei der WM!“

Treffer versenkt, würde ich meinen.

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Lisa Welzhofer (45) hat zwei Kinder (7 und 10 Jahre alt) und ist jeden Tag baff, wie großzügig die beiden über ihre Fehler als Mutter hinwegsehen.