Kochen bei knapper Kasse Influencer, Kochportale und Buchautoren geben Antworten

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Wie lässt sich auch mit sehr wenig Geld ein warmes Essen auf den Tisch bringen? Diese Frage stellen sich momentan viele Menschen. Influencer, Kochportale und Buchautoren geben Antworten.

 
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Jenny Kuschel ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Foto: dpa/Fabian Sommer

Jenny Kuschel ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern und kennt das Gefühl „broke“ zu sein. Das ist Englisch und heißt so viel wie „pleite“. Wie die 33-Jährige aus Berlin dafür sorgt, dass ihre Kinder und sie trotz knapper Kasse satt werden, zeigt sie im Internet. Allein auf Tiktok schauen sich etwa 350 000 Nutzer regelmäßig ihre Videos an. Auch Kochplattformen wie Kitchen Stories und Chefkoch zeigen, wie man sparsam einkaufen und essen kann. Ebenfalls nachgefragt: klassische Sparkochbücher. 

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Zu Kuschels „Broke-Gerichten“ gehören zum Beispiel Camembert in Blätterteig, Cornflakes-Ersatz aus angebratenen und gezuckerten Toastbrot-Würfeln oder auch Pommes, überbacken mit Spinat und Käse. „Sehr beliebt sind auch Reis mit Buttergemüse oder Rezepte mit Instantnudeln. Die haben oft eine Million Aufrufe“, erklärt Kuschel, die gern improvisiert.

Ihren Followern gefällt’s: Eine Freiburgerin schreibt, sie habe nun angefangen, ein bisschen mehr zu sparen und das zu verwerten, was sie habe, anstatt nur starr nach Rezepten zu kochen. „Du bist ein Genie und Lebensretter“, schreibt ein anderer Nutzer.   

„Vor allem Studenten und Alleinerziehende schauen sich meine Videos an“, so Kuschels Einschätzung. Ihr sei bewusst, dass die Rezepte nicht immer gesund und vollwertig seien. „Aber wenn man sehr wenig Geld hat, ist es vor allem wichtig, satt zu werden“, sagt die 33-Jährige, die schon mit 16 vom Heim in ihre eigene Wohnung zog. „Mit meinem damaligen Partner habe ich von meinem Schülerbafög gelebt. Da mussten manchmal zehn bis 20 Euro in der Woche reichen“. 

Auch das Berliner Portal Kitchen Stories setzt auf Spartipps

Aus Sicht der Ernährungsberaterin Anja Bath ist der Gedanke, sparsame Rezepte anzubieten, „super“. Unter Kuschels Rezepten seien auch gute Ideen wie etwa Haferflocken mit Milch und Obst zum Frühstück oder Spinat, Kartoffeln und Ei als Mittagessen. „Manche Rezepte sind aber auch grenzwertig“, so die Expertin. Aus ihrer Sicht fehle es zum Teil an Eiweiß, das der Körper brauche. Am Ende müsse man aber immer schauen, was man über einen Tag oder die Woche isst.

„Ich finde es sowieso schwierig, sich auf den ganzen Social-Media-Kanälen etwas Sinnvolles herauszusuchen, weil es nicht unbedingt Ernährungsfachkräfte, sondern Laien sind“, so die Beraterin über Influencer. Aus ihrer Sicht wäre eine Abstimmung mit einer Ernährungsberaterin sinnvoll. 

Auch das Berliner Portal Kitchen Stories setzt derzeit besonders auf Spartipps: „Großer Genuss für kleines Geld“ - heißt etwa ein Artikel mit Rezepten wie Dinkelrisotto, Hummussuppe mit Spinat oder auch eine schnelle Tomatensuppe. Darüber hinaus sind dort auch andere Beiträge und Videos mit Alltagstipps rund ums sparsame Einkaufen und Kochen zu finden. „Diese Artikel haben alle überdurchschnittlich hohe Zugriffszahlen und werden immer wieder gesucht und geklickt“, so Sprecherin Luise Linne. 

Viele der Nutzer seien berufstätig und hätten zum Teil auch ein höheres Einkommen als die Durchschnittsbevölkerung. „Wir sehen aber, dass alle sparen möchten“. Trotz eines überschaubaren Geldeinsatzes gehe es darum, dass die Gerichte gesund sind und eine bestimmte Qualität haben, betont Linne. 

„Die Krisenzeit hat ja schon mit der Corona-Pandemie angefangen. Die Leute machen mehr selbst und kochen mehr, das hat einen richtigen Schub bekommen und dieser Trend bricht nicht ab. Das Thema ‚Günstig und preisbewusst kochen’ wird nach wie vor sehr, sehr gut angenommen“, sagt auch David Breul, Vorstandsmitglied bei Chefkoch. Günstige, saisonale Gerichte würden immer wieder gern geklickt. 

Seit Monaten treiben hohe Energie- und auch Lebensmittelpreise  die Inflation in Deutschland an. Im September erreichte die Jahresteuerungsrate mit 10,0 Prozent den höchsten Stand seit etwa 70 Jahren. Besonders knapp sitzt das Geld bei Arbeitslosen. „Mit dem Hartz-IV-Regelsatz kann man kaum noch auskommen“, weiß Kochbuch-Autor Kurt Meier aus Brietlingen in Niedersachsen. Doch der Geldmangel sei gar nicht immer unbedingt das einzige Problem.

Auf dem Büchermarkt gibt es zahlreiche Titel zum günstigen Kochen

„Das große Übel ist, dass viele gar nicht kochen können. Dann kaufen sie Fertigprodukte oder gehen zu dem Amerikaner“, so Meier, der mit Uwe Glinka Sparkochbücher und -broschüren für Arbeitslose geschrieben hat. Letztere werden laut Meier von Jobcentern bundesweit verteilt. Im Netz betreiben die beiden die Seite „Die Sparratgeber“.

Außerdem bietet der Rentner Kochkurse für Arbeitslose an. „Viele sagen sich so lange, dass sie nicht kochen können, bis sie es selbst glauben“, so Meiers Erfahrung. „Man muss die Leute an die Hand nehmen. Am Ende sind viele erstaunt, wie einfach Kochen ist“, so Meier. Die Rezepte stammen von Landfrauen, die diese den Autoren zu Tausenden nach einem Aufruf zugeschickt haben. Einer von Meiers Lieblingsklassikern: Bauernauflauf mit Gemüse und Mettenden. 

Zwei der drei Sparkochbücher seien bis auf einen geringen Lagerbestand vergriffen und müssten nun nachgedruckt werden, sagt Susann Jaensch, Sprecherin des Buchverlags für die Frau. Die Bücher seien zwar schon seit Jahren auf dem Markt, aber: „Seitdem durch die hohen Preise Krisenstimmung herrscht, schauen sich die Leute auch wieder verstärkt nach entsprechender Literatur um“. 

Auf dem Büchermarkt gibt es zahlreiche weitere Titel zum günstigen Kochen. Sie tragen Titel wie „Minimal Budget, maximal lecker“, „Das 1-Euro-Kochbuch“ oder „Nachhaltig kochen unter 1 Euro“ und dürften momentan ebenfalls sehr gefragt sein. Möglicherweise reiht sich demnächst auch ein Kochbuch der Influencerin Jenny Kuschel in diesen Reigen ein. „Ich würde gern ein Buch mit meinen Rezepten schreiben“, so Kuschel. Viele ihrer Follower hätten bereits danach gefragt.