Es glitzert und schimmert. Überall entdeckt das Auge kunstvolle Raritäten und fragile Schöpfungen aus Glas. So gestaltet sich der Gang durch die Ausstellungsräume der Berufsfachschule Glas in Lauscha. Von den filigranen Erzeugnissen ist Knut Effler, Referatsleiter für Staatliche berufsbildende Schulen beim Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, mehr als begeistert. Er ist pünktlich zur Absolventenfeier nach Lauscha gekommen. Sich  ein Bild von der traditionsreichen Tätigkeit des Glasbläsers zu machen und mit dem Lehrerkollegium sowie den frisch gebackenen Berufsanfängern ins Gespräch zu  kommen, lautet sein Plan. Doch zuerst geht es für alle Beteiligten zur offiziellen Zeugnisvergabe, die nirgends anders als in einem der reich bestückten Schauräume stattfindet.  In den Vitrinen und an der Wand befestigt finden sich Abschlussarbeiten der vorherigen Schüler, die einst das besondere Handwerk des Glasbläsers erlernt haben. In diese heiligen Hallen reihen sich nun auch die Erzeugnisse des Abschlussjahrgangs 2022.
Keine gewöhnliche Abschlussfeier
Fünf Berufsfachschüler haben den Titel „Staatlich geprüfter Glasbläser“ in der Tasche. Sie bekommen in einer feierlichen Zeremonie im kleinen Kreis sowohl ihr Schulzeugnis, als auch das Prüfungszeugnis der Handwerkskammer verliehen. Der Gesellenbrief wird ihnen Ende des Monats überreicht werden. Schul- und Ausbildungsabschluss  konnten sie mit dem Bestehen einer Prüfung erlangen, informiert Anja Füchsel, Mitarbeiterin im Gesellenprüfungswesen der Handwerkskammer. Auch für drei duale Schüler ist mit dem Abschluss aus Lauscha der Grundstein für ihre Zukunft gelegt, freut sich Karola Peterhänsel,  Abteilungsleiterin für berufliche Bildung an der Staatlichen Berufsbildenden Schule Sonneberg (SBBS), der die Berufsfachschule Glas in Lauscha angegliedert ist.
Für die Oberstudienrätin ist dieser Donnerstag im Juli gleich in dreierlei Hinsicht ein ganz besonderer Tag. Zum einen haben die  Jugendlichen, die drei Jahre unter ihren Fittichen standen, eine lernintensive Ausbildung mit abschließender Prüfung hinter sich. Zum anderen wird es das letzte Mal sein, dass Peterhänsel Absolventen in ihr künftiges Berufsleben verabschiedet. Denn mit dem Jahrgang 2019 bis 2022 verlässt auch die Abteilungsleiterin die Einrichtung, um in den verdienten Ruhestand – oder, wie ihre Kollegen  sagen, eher Unruhestand – zu gehen.  Und drittens wohnt ja auch noch hoher Besuch aus Erfurt der Veranstaltung bei, mit dem man schon vor mehreren Jahren in Kontakt getreten war.  Seither kam, gerade auch durch die Coronapandemie, kein Treffen mit Effler in Lauscha zustande. Dass er es so knapp erst schafft, noch in der Dienstzeit von Karola Peterhänsel vorbeizuschauen, hätte wohl keiner der beiden gedacht. Doch das tut der Sache  keinen Abbruch: Die Abschlussschüler beglückwünscht der Referatsleiter gern und lässt sich durch die Werkstätten und Schauräume der Einrichtung führen. Dabei ist natürlich genug Zeit, sich ein wenig mit den Spezialisten von morgen über das Glashandwerk auszutauschen.
Und das hat einiges zu bieten: So befassten sich  die jungen Erwachsenen in den vergangenen drei Jahren mit der Gestaltung und Herstellung künstlerischer Gebrauchs- und Dekorationsgegenstände – von Gläsern, Vasen, Figuren, Perlen, Plastiken bis hin zum beliebten Lauschaer Christbaumschmuck.
Unter erschwerten Bedingungen
Nach einer zweijährigen Grundausbildung, die mit einer Zwischenprüfung abschließt, erfolgt im dritten Ausbildungsjahr die Spezialisierung in eine von zwei möglichen Fachrichtungen: Glasgestaltung oder Christbaumschmuck. Zusätzlich müssen Berufsfachschüler natürlich die Schulbank in den Fächern Deutsch, Wirtschaft, Sozialkunde und Englisch drücken.  
Hinter den jungen Männern und Frauen liegen also spannende, schöne, aber auch nervenaufreibende Jahre. ​Umso mehr freuen sie sich nun, dass die Plackerei vorbei ist und im bevorstehenden Berufsleben ganz viel praktische Arbeit auf dem Programm steht. Doch sich auf diese Zeit vorzubereiten, wurde dem aktuellen Jahrgang durch Schulschließungen aufgrund der Coronapandemie erschwert. Von einem auf den anderen Tag blieben die Tore in die bunte Welt des Glases geschlossen und Schüler sowie Lehrer mussten sich mit der Technik für ein funktionierendes Home-Schooling auseinandersetzen. „Doch der Distanzunterricht kann die handwerkliche Praxis niemals ersetzen“, gibt Knut Effler in seiner Rede zu. Er hofft, dass es zukünftig nicht wieder nötig sein muss, Bildungseinrichtungen derart dicht zu machen.  Den ungewöhnlichen Umständen zum Trotz haben es die jungen Erwachsenen dennoch geschafft. Zur Freude ihrer Lehrer haben die fünf Berufsfachschüler auch allesamt einen Arbeitsvertrag an Land gezogen.  
Nicht alle bleiben der Region erhalten
Feiern dürfen also alle  fertigen Glasbläser. Rein vom Notenschnitt auf dem Papier hebt das Kollegium aber Schülerin Elisa Weber heraus. Sie liefert einen tollen Schnitt von 1,45 ab. Die 22-Jährige stammt gebürtig aus Suhl und hatte schon seit einem Besuch in einer Schauwerkstatt in Oberhof den Wunsch, Glas zu gestalten. „Ich war dort als Kind einmal und sehr begeistert. Der Beruf passt zu mir, weil ich ein sehr kreativer Mensch bin“, führt sie aus. Die Suhlerin freut sich nun auf den Arbeitsbeginn, denn sie wird als staatlich geprüfte Glasbläserin in eben jene Schauwerkstatt zurückkehren, deren Besuch den Berufswunsch in ihr geweckt hat. Dem Landkreis Sonneberg und seinen Unternehmen bleiben erhalten Carolin Mann, die bei einem Christbaumschmuckhersteller anfängt, und Louis Müller-Uri, der sich in einer weiteren Ausbildung der Augenprothetik annimmt.
Das spezielle Handwerk in der eigenen Region stärken steht ebenfalls ganz oben auf der Liste der Berufsfachschule. Das wird Knut Efflers Einschätzung nach nun, da Schüler wieder auf Messen und in Praktika ihr Können unter Beweis stellen dürfen, auch wieder einfacher. Durch die Pandemieeinschränkungen fielen die meisten derartigen Termine nämlich zunächst flach. Das Anwerben von Nachwuchs aus der Umgebung gestaltete sich als schwieriges Unterfangen. „Das Vorführen auf Messen  wird ab jetzt wieder gute Werbung bringen“, ist sich der Referatsleiter sicher. Das Bewahren des Berufs „Glasbläser“ ist seit jeher ein wichtiges Unterfangen der  Schule. Deren Anfänge reichen  weit zurück ins späte 19. Jahrhundert, im Laufe der Geschichte wurde sie anderen Einrichtungen angegliedert.  Vor der Wende war das Berufsbild des Kunstglasbläsers  in der BRD fast ausgestorben – erst die Wiedergründung als Berufsfachschule Glas 1991 im vereinten Deutschland änderte dies. Seit 1993 ist die Einrichtung  in die SBBS eingegliedert.
Am Fortbestand des Handwerkszweigs arbeitet man also mit Ehrgeiz vor Ort in der Schule in Lauscha, was auch Knut Effler würdigt. Nur die steigenden Energiepreise  treiben ihn derzeit um. Schließlich ist die Glasproduktion ein energieintensives Geschäft: „Da müssen wir schauen, wie wir durch diese schwierigen Zeiten kommen.“
Für den Moment stehen jedoch die jungen Menschen und ihr erreichter Abschluss im Vordergrund. Auch, wenn ihnen das Glücksgefühl  ins Gesicht geschrieben steht, geht doch eine Zeit für die Absolventen zu Ende, in der sie  neue Freunde gefunden haben und zusammen erwachsen geworden sind. „Ich gehe heute mit einem lachenden und einem weinenden Augen“, gesteht Jahrgangsbeste Weber. „Auch wenn es manchmal anstrengend war, kann ich sagen, das hier  war bis jetzt die schönste Zeit meines Lebens.“