Kloster Veßra Wenn das Gebäude selbst umzieht

Laura Körnig

111 Jahre alt war die Dorfschmiede aus Leutersdorf bereits, als sie im Jahr 1981 nach Kloster Veßra umgesetzt und so vor dem Verfall gerettet wurde. Das Museum kürt das Gebäude nun zum Museumsobjekt des Monats Februar.

 
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25. Juni 1981: In Kloster Veßra wird Richtfest der umgesetzten Dorfschmiede gefeiert. Weil keine „Politprominenz“ vor Ort ist, kann der Richtspruch original verlesen werden. Foto: Museum

„In erstaunlich kurzer Zeit wächst ein neues Fachwerkgebäude im Agrarhistorischen Museum Kloster Veßra förmlich aus dem Boden“ – so berichtet am 16. Juni 1981 Siegmar Banz, späterer Direktor des Museums, in Freies Wort über die damals in Umsetzung befindliche sogenannte Dorfschmiede aus Leutersdorf. An seinem ursprünglichen Standort wurde das Gebäude nicht mehr genutzt. Aufgrund zunehmenden Verfalls sollte es abgerissen werden. Die Umsetzung nach Kloster Veßra bewahrte das Gebäude vor diesem Schicksal. Stattdessen fand die Schmiede eine neue Bestimmung als Ausstellungsobjekt. Heute ist die Schmiede im Hennebergischen Museum Kloster Veßra mit ihrem originalen Inventar aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu besichtigen.

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Die Leutersdorfer Schmiede an ihrem neuen Standort in Kloster Veßra. Foto: Museum

Das eingeschossige Gebäude hat eine sichtbare, schlichte Fachwerkkonstruktion. Es war ursprünglich in Werkstatt und Beschlagstand mit kleiner Kohlenkammer unterteilt. Vor dem Ersten Weltkrieg erfuhr es die räumliche Abtrennung einer Schlosserei beziehungsweise Mechanikerwerkstatt. Der Fußboden des Schmiederaums war ursprünglich aus Beton, der Nebenraum hatte einen Holzfußboden. Heute ist im Schmiederaum Ziegelboden verlegt.

Die Einrichtung der Schmiede ist zweckmäßig. In dem großen Werkstattraum findet sich alles, was es zur Bearbeitung von glühenden Eisen braucht inklusive Geräte zum Hufbeschlag. Unter anderem befinden sich ein Schmiedeherd mit Schornstein, Schmiedekohle, eine Werkbank mit Zangenschraubstock, eine Stauchmaschine, ein hölzernes Speichenrad, eiserne Wagenreifen und Muster-Hufeisen in dem Raum. Die Schlosserei, die sich diesem Raum angliedert, ist mit einfachen Maschinen zum Bohren, Schleifen und Biegen, einer Gewindeschneide, Feilen und anderen Kleinteilen ausgestattet. Zu sehen sind außerdem Eggen, Zinken, Hufeisenstollen und Kettenglieder.

Der nicht öffentlich zugängliche Dachboden der Schmiede beherbergt zwei große Blasebälge, die mit einem Handgriff neben der Schmiedeesse im Erdgeschoss bedient werden und durch ein Rohr Luft ins Schmiedefeuer leiten.

Der Beschlagstand im Außenbereich des Gebäudes diente dem Beschlagen der Klauen und Hufe von Rindern und Pferden. Er ist mit einem „Not-Stand“ ausgerüstet. Dieser ist leicht auf- und abzubauen. Er kam bei störrischen Tieren zum Einsatz, ebenso Haspel und Rolle rechts des Eingangs zum Beschlagstand. Zudem ist links an der Wand ein Gestell angebracht, das dem Aufziehen der Eisenreifen auf hölzerne Wagenräder diente.

An der Umsetzung der Schmiede waren die zwei Lehrlinge Egon Ebert und Thomas Moses sowie ihr Lehrausbilder Roland Preinesberger (Zwischengenossenschaftliche Bauorganisation (ZBO) Landbau Suhl, Sitz Wichtshausen) beteiligt. Unter Anleitung zweier erfahrener Zimmerleute, die zum Zeitpunkt der Umsetzung bereits Rentner waren, wurde das Gebäude abgetragen. Ziel war es, „das Gebäude bis zum Tag des Genossenschaftsbauern im Juni 1981 fertigzustellen“.

In einem Interview berichtet Dr. Frank Hofmann aus der Zeit der Translozierung der Schmiede 1981. Er war damals Betriebsleiter der ZBO Wichtshausen. Die ZBO war eine Organisation, die Bauprojekte eigentlich für die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) realisierte. Frank Hofmann war 1975 bereits beim Aufbau des Museums dabei. Folgendes stammt aus den Notizen des Gesprächs:

Ein Projekt wie gerufen für Lehrlinge

Damals gab es den Beruf des Baufacharbeiters, der viele Handwerksberufe wie Zimmermann, Betonbauer, Putzer und Maurer vereint. Damals waren Zimmermänner rar, ebenso Holz. Daher war es eine gute Gelegenheit, die Fertigkeiten eines Zimmermanns hier im Museum bei der Umsetzung der Schmiede zu erlernen. DDR und Plattenbau machten es sonst kaum möglich. Die Translozierung der Schmiede bot eine gute Begründung, Lehrlinge ins Museum zu senden – zu Ausbildungszwecken. Ein gelernter Zimmermann, der damals bereits in Rente war, stand beratend zur Seite und leitete die Lehrlinge an. Museumsmitarbeiter und Handwerker fingen an, Balken zu kennzeichnen und aus anderen Schuppen und Scheunen zu generieren, da einige Balken der Schmiede nicht mehr verwendet werden konnten. Frank Hofmann selbst war weniger vor Ort dabei, hat aber gelegentlich nach dem Stand der Dinge geschaut. Er berichtet vom Richtfest und Richtspruch, welche in der DDR fast ausgestorben waren. Den Richtspruch zur Schmiede übernahm ein Zimmermann, der bereits in Rente war. Eigentlich sollte der Richtspruch der Zensur unterliegend abgeändert werden. Der Zimmermann allerdings beharrte darauf, ihn so zu halten, wie er ihn geschrieben hatte. Zum Richtfest am 25. Juni 1981 erschien günstiger Weise keine „Prominenz“ aus der Kreis- oder Bezirksleitung, sodass der Richtspruch gehalten werden konnte, wie es der Zimmermann vorgesehen hatte. Damals war Dr. phil. Eberhard Köhler Museumsdirektor. Der spätere Direktor Siegmar Banz hatte die Umsetzung der Schmiede damals scheinbar betreut.

Eine Flurkarte des Gemeindebezirks Leutersdorf von 1980 zeigt den ursprünglichen Standort der Schmiede. Sie grenzte unmittelbar an ein Gewässer und die Hauptstraße an.

Die Schmiede an ihrem ursprünglichen Standort im Jahr 1979. Foto: Museum

Der Eigentümer war verstorben, eine Erbin verkaufte dem Museum das Gebäude. Doch bevor es an den Kauf ging, wurde 1980 eine Wertermittlung vorgenommen. Insgesamt wurde der bauliche Zustand als „mangelhaft“ beschrieben. Der damalige Sachverständige für die Wertermittlung, ein Bauingenieur, ermittelte einen Zeitwert von 1233 Mark. Zu genau diesem Betrag erwarb das Museum im Juli 1980 die Schmiede. Bereits im Oktober 1979 kaufte das Museum vom ehemaligen Eigentümer das Inventar der Schmiede für 700 Mark. Vorläufiger Standort des Inventars blieb zunächst die Schmiede selbst. Für Abbau, Transport und Wiederaufbau, Fundamentierung und Auswechseln schadhaften Holzes kamen noch einmal 17 600 Mark auf die Rechnung der ZBO Wichtshausen, die den Auftrag „der Umsetzung der Dorfschmiede aus Leutersdorf [als] weitere[n] Schritt zur Errichtung eines kleinen Bauernensembles und der Komplettierung des Agrarhistorischen Museums“ übernahm.

Verspätete Zustimmung

Erst ein Jahr nach der Umsetzung erhält das Museum 1982 die Standortzustimmung des Rats der Gemeinde Kloster Veßra für den Aufbau der Schmiede.

Die Schmiede ist noch heute voll funktionsfähig und wird zu manchen Festlichkeiten des Hennebergischen Museums Kloster Veßra in Betrieb genommen. Die Ruß- und Schmutzschicht, die sich an Wände, Decke und Ausstattungsgegenstände gelegt hat, bestimmt das Aussehen der Werkstatträume damals wie heute. 2024 wurden einige Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Der Museumsmitarbeiter und Maurermeister Steffen Sommer hat losen Putz der Fassade entfernt, neu verputzt und Gefache sowie Holzbalken farblich neu gefasst.

Weitere solcher Geschichten über interessante Museumsstücke gibt es im Internet:

www.museumklostervessra.de/blog-classic/