Klimawandel und Trinkkultur An der Werra, wenn der Wein blüht ...

Das große Weinfest innerhalb unseres SOS-Festivals lädt am Wochenende nach Suhl ein. Winzer aus Thüringen und Würzburg präsentieren sich. Was kaum einer weiß: Der Thüringer Wein hat seine Wiege an der Werra.

 
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„An der Donau, wenn der Wein blüht, klingt ein Lied von Haus zu Haus ...“, trällerten unsere Großmütter in ihrer Jugend einen Filmschlager nach. Was schon damals vergessen war: Wein wurde einmal in ganz Südthüringen kultiviert, gekeltert und getrunken.

„Dem Werratal entlang fehlte im 15. und 16. Jahrhundert fast nirgends der Weinstock, und die meisten der nach Süden oder Westen geneigten Hügel und Berge waren mit ihm besetzt“, berichtet der Suhler Autor Friedrich Kunze 1928 in den Thüringer Monatsblättern für alte und neue Kultur. Übrig geblieben ist nach den kleinen Eiszeiten und verheerenden Kriegen nur der Weinbau an Saale und Unstrut. Der Wein sei „in guten Jahren oft unerwartet gehaltvoll, mithin im Allgemeinen besser als sein Ruf“, meint Kunze.

Die Wiege des Thüringer Weines liegt in Dorndorf an der Werra, gleich bei Bad Salzungen. 786 soll es hier schon einen Weinberg gegeben haben, wie spätere Urkunden vermerken. Frühere Zeugnisse sind nicht bekannt. Zuvor tranken die Thüringer Met – also ein berauschendes Honiggebräu. 973 werden in einer kaiserlichen Urkunde noch Weinberge in Salzungen aufgeführt.

Im 12. Jahrhundert steht der Weinbau im Land in der Blüte. Der Grund sind die vielen Klostergründungen und das Klima. Während man heute die Klimaerwärmung fürchtet, hat sie damals in Europa zu einem bemerkenswerten Aufschwung geführt. Wissenschaftler sprechen vom mittelalterlichen Klimaoptimum, das um 900 begonnen und vor 1400 geendet hat.

Die Zisterziensermönche arbeiten sich im 12. Jahrhundert durch das Land und wo sie sich niederlassen, werden Weinberge angelegt. Von Stadtilm wird berichtet, von Paulinzella und Reinhardsbrunn. 109 Acker Weinberge gehören den Nonnen von Ichtershausen. Anfang des 14. Jahrhunderts gab es kaum ein Dorf in der Umgebung von Erfurt, in dem kein Wein angebaut wurde. 1603 werden noch 183 Weinbauern in Arnstadt gezählt.

Das hennebergische Städtchen Römhild hatte einen großen Teil seines bergigen Umlandes in Weinberge verwandelt. Auch Meiningen und Wasungen trieben ausgiebigen Weinbau auf sämtlichen umliegenden Höhen. Der Graf von Schwarzburg hatte einen Weinberg bei Blankenburg. Selbst in Rudolstadt gab es Weinberge. 1586 wurden hier 21 300 Liter Traubensaft geerntet – allerdings war er ziemlich sauer, wie berichtet wird. Zu Thüringens ältesten Weinorten gehört auch das benachbarte Saalfeld.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts stand Thüringen als Weinland in höchster Blüte – danach ging es bergab. „Mit steigendem Reiseverkehr lernten Leute höherer Stände wohlschmeckendere Tropfen kennen, und mit zunehmender Verbesserung der Verkehrswege führte man auch bessere Weine ein“, erklärt Friedrich Kunze. Das Klima war zudem deutlich kälter geworden, später kam die Kartoffel als anspruchslose, aber nahrhaftes Lebensmittel dazu. Man sah allmählich ein, dass Ackerbau einträglicher war als Weinkultur.

Nach der Renaissance ist die erste Weinblüte in Thüringen verkümmert, nun erlebt sie eine neue Renaissance. In den 1960er Jahren wurde der Weinbau in Thüringen neu belebt. Daraus entstand 1992 das erste Weingut Thüringens: „Thüringer Weingut Bad Sulza“. Die Sonne scheint etwa 1600 Stunden im Jahr bei einer Durchschnittstemperatur von 9,9 Grad. Mit rund 500 Millimetern Niederschlag jährlich zählt die Region zu den niederschlagsärmsten in Deutschland.

In Thüringen wird auf 120 Hektar Wein angebaut – Tendenz steigend. Der Klimawandel leistet seinen Beitrag. Mit den steigenden Temperaturen verschiebt sich auch die Weinanbaugrenze jedes Jahr ein Stückchen weiter Richtung Norden. Im 12. Jahrhundert wurde sogar an der Ostsee, in England und Dänemark Weinanbau im großen Stil betrieben.

Als „Polargrenze“ des Weines galt bisher der 52. Breitengrad auf der Höhe von Bielefeld. Manfred Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hält diese Grenze nicht mehr für haltbar – der Wein wandert nach Norden.

Selbst auf der schwedischen Insel Gotland wird bereits Wein kultiviert. Dänemark ist von der Europäischen Union als Qualitätsweinbauland an-erkannt worden, Polen hat bei der EU das Pflanzrecht für 100 000 Hektar Rebflächen beantragt. Einer der nördlichsten deutschen Rotweine gedeiht auf der Insel Usedom.

Es dauert vielleicht nicht mehr lange und unsere Enkel trällern das schöne Lied: „An der Werra, wenn der Wein blüht, klingt ein Lied von Haus zu Haus. Singt ums Herz mir, singt auf Flügeln in die weite Welt hinaus, in die lockende Welt hinaus. Zieht nach Frankreich, zieht nach England ...“ Die Marketingexperten werden dann stolz auf eine mehr als 1200 Jahre alte Tradition in Südthüringen verweisen und neben der Thüringer Forstanstalt wird auch eine öffentlich-rechtliche Weinanstalt gegründet.

Programm zum Suhler Weinfest

Samstag, 11. Juni:

14 Uhr: Beginn des Weinfestes auf dem Platz der Deutschen Einheit,

14.30 Uhr: Eröffnung des 1. Suhler Weinfestes durch den Suhler Oberbürgermeister und die Fränkische Weinkönigin Eva Brockmann, mit dabei sind außerdem Stefan Beck vom Thüringer Vinarium, Artur Steinmann, Präsident des fränkischen Weinbauverbandes, und Pierre Döring, Verlagsleiter der Suhler Verlagsgesellschaft,

15 bis 17.45 Uhr: SOS-Weinquiz mit Stefan Beck,

19 Uhr: Livemusik mit ReMax aus Meiningen,

23 Uhr: Ende

Sonntag, 12. Juni:

10 Uhr: Beginn des Wein-Frühschoppens, ganztags Begleitung mit Musik vom Duo Jazznah, das SOS-Weinquiz mit Stefan Beck,

11 Uhr: Humorvolles und historisches Programm zum Weinanbau in Thüringen vom Thüringer Weinmönch,

14 Uhr: Der Reformator Martin Luther erzählt und singt,

15.30: Duo Jazznah,

18 Uhr: Ende des Weinfestes

Der Eintritt zum 1. Suhler Weinfest ist kostenlos. Am Einlass gibt es aber einen Weinglasverkauf, um den Weingütern die Reinigung und Rücknahme von Gläsern abzunehmen.

Weinkönigin aus Würzburg kommt nach Suhl

Die Gegend rund um Würzburg ist für die spannendsten deutschen Weine berühmt. Vier Betriebe stellen sich am Wochenende in Suhl vor.

Frankens neue Weinkönigin heißt Eva Brockmann und am Wochenende kommt sie nach Suhl. Die 23-Jährige aus Großwallstadt (Landkreis Miltenberg) wurde erst vor wenigen Tagen von Vertretern aus Weinbau, Politik, Wirtschaft, Medien und Tourismus in der Suhler Partnerstadt Würzburg gewählt. Die Winzerin und Weinbaustudentin setzte sich gegen zwei Mitbewerberinnen durch. Die bisherige Weinkönigin Carolin Meyer hatte Corona-bedingt Franken seit 2019 repräsentiert. Normalerweise endet eine Amtszeit nach einem Jahr mit der Wahl einer neuen Königin.

Die Fränkische Weinkönigin wird seit 1950 gekürt. Sie absolviert in normalen Jahren etwa 400 Termine für die Winzer und ihren Weinbau in Bayern, Deutschland und im Ausland. Wer Frankens 65. Weinkönigin werden wollte, musste mindestens 18 Jahre alt und unverheiratet sein. Bewerberinnen brauchen einen Führerschein und sollen Fachwissen zu Weinbau, Kellerwirtschaft und Vermarktung haben. Franken ist mit 99 Prozent der mehr als 6300 Hektar Anbaufläche das wichtigste Weinanbaugebiet in Bayern. Es gibt etwa 2900 Winzer. Das Weinanbaugebiet Franken erstreckt sich von Bamberg bis Aschaffenburg vorwiegend auf geschützten Lagen entlang des Mains sowie an den Hängen des Steigerwaldes.

Vier Winzer aus dem Süden werden sich auch auf dem 1. Suhler Weinsommer präsentieren: das Familienweingut und Edelbrennerei Johannes Nickel aus Nordheim am Main, das Weingut Scheuring aus Margetshöchheim, das Weingut Hümmler aus Elfershausen und das Weingut Six aus Wirmsthal.

2015 haben Daniel und Oliver Six den Betrieb übernommen. Die Weine werden alle spontanvergoren und lange auf der Vollhefe ausgebaut, die Lagenweine kommen erst ein Jahr nach der Ernte in den Verkauf.

Ilonka Scheuring tobt sich kreativ und handwerklich aus und ist dabei immer für eine Überraschung gut. Entweder sie spannt ihre Ziegen vor den Weinbollerwagen, tüftelt an ihren Wein-Spinnereien wie fränkischen Portwein oder Wein aus getrockneten Trauben, gestaltet ihre Gaststube mal eben kunterbunt und ist immer auf der Jagd nach Herausforderungen.

Thüringer Wein in Suhl

Thüringer Weine sind außergewöhnlich – und außerhalb des Freistaates wenig bekannt. Weingüter aus dem Grünen Herzen kommen nun nach Suhl.

In Thüringen gibt es elf zugelassene Wein-Einzellagen mit mindestens fünf Hektar Fläche. Sie konzentrieren sich in Bad Sulza, Kaatschen, Camburg, Jena und Weimar. Vier Voll- und 14 Nebenerwerbs-Weingüter und 63 Hobbywinzer bearbeiten in Thüringen insgesamt 120 Hektar – mit wachsender Tendenz.

Das Thüringer Vinarium aus Erfurt bringt die Thüringer Weine auf den Platz der Deutschen Einheit in Suhl. Mit dabei sind das Thüringer Weingut Bad Sulza, das Weingut Zahn, das Weingut Wolfram Poppe, das Weingut Weimar und das Weingut der Vereinigten Kirchen- und Klosterkammer.

Zum Anbaugebiet Saale-Unstrut gehören in Thüringen: Bad Sulzaer Sonnenberg, Kaatschener Dachsberg, Jenaer Käuzchenberg, Dornburger Schloßberg, Neuengönnaer Wurmberg, Auerstedter Tamsel, Dorndorfer Ermtal, Großvargulaer Hopfenberg, Weimarer Poetenweg, Golmsdorfer Gleisburg, Jenaer Grafenberg.

Die Agrargenossenschaft Niedertrebra gründete 1992 das erste Weingut Thüringens. Es erhielt den Namen „Thüringer Weingut Bad Sulza“. 1994 wurde die Geschäftsführung an Andreas Clauß übertragen. Er zog 1998 mit dem Betrieb nach Sonnendorf, Ortsteil von Bad Sulza, in einen ehemaligen Bauernhof um. Im Gutshof entstand ein Weingut, das im Sinne von Tradition und Moderne gestaltet wurde und mit 50 Hektar Rebfläche das größte private Weingut im Anbaugebiet Saale-Unstrut ist.

An den Hängen der Ilm befindet sich die Einzellage Bad Sulzaer Sonnenberg, die sowohl mit den anspruchsvollen Rebsorten Weiß- und Grauburgunder, Riesling, Traminer, Muskateller und Cabernet Dorsa (Rotwein) als auch im oberen Hangbereich mit der Hauptsorte Müller-Thurgau bepflanzt ist. Die Steigung der Süd-Südostlage beträgt teilweise bis zu 30 Prozent. Die Reben wachsen auf Muschelkalkverwitterungsboden, der ausdrucksstarke Weincharaktere entstehen lässt.

2016 konnte das Weingut Bad Sulza einen historischen Terrassenweinberg unterhalb der Sonnenburg kaufen. Die zum Teil vier Meter hohen Trockenmauern sind sehr alt. Zum einen werden nun die alten Reben selbstverständlich erhalten, zum anderen werden neue gepflanzt.

Zum Weinbaugebiet Saale-Unstrut zählen auch Flächen in Thüringen und Brandenburg. Das Anbaugebiet befindet sich am 51. Breitengrad und ist das nördlichste geschlossene Qualitätsweinanbaugebiet Europas.

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