So kam es, dass rund um den Mellichstöckdooch neben Großmann, Sandmann und Messerschmidt auch Johanna Lilius und Alla Bolotova von der Aalto Universität aus Finnland, Ria Maria Adams als Vertreterin der finnischen und der Wiener Universität gleichermaßen, Maria Gunko von der Universität Oxford sowie fünf Vertreter des finnischen Städtchens Puolanka in Lauscha viel Zeit mit dem Sammeln von Eindrücken, Gesprächen und Erfahrungsaustausch verbrachten.
Im Gemeinschaftsraum der Goetheschule stellte Leona Sandmann das Ziel der Begegnung vor. Von Menschen aus ähnlich situierten und doch ganz anders ausgestatteten Orten zu lernen, von deren teils komplett andersartigem Umgang mit ähnlichen Problemen zu hören und daraus Schlussfolgerungen fürs eigene Handeln zu ziehen, lautete die Aufgabenstellung. Ein eng gestricktes Programm brachte die Gäste aus Erfurt und Finnland dabei mit Vereinen, mit Schule und Kindergarten in Kontakt, mit Problemen des täglichen Lebens, aber auch unkonventionellen Lösungen.
Schon beim Gang durchs Gebäude des Kulturkollektivs und die Räumlichkeiten der Künstlerresidenz hatten die Besucher viele Fragen. Was wird bei euch wie finanziert? Wer engagiert sich hier für was? Dass die Vereinsmitglieder um Toni Köhler-Terz ganzjährig mit über 40 Kulturveranstaltungen aufwarten, beeindruckte vor allem Tommi Rajala und Oskari Haapalainen vom Pessimismusverein Puolanka. In ihrem rund 2500 Einwohner zählenden Heimatort im Nordosten Finnlands organisieren sie im Sommer ein Metal-Festival, das Musikfans aus aller Welt anzieht – heuer Anfang Juli. Entsprechend begeistert zeigten sich übrigens auch Heikki Kanniainen und Anna-Kaarina Uusitalo von der Gemeindeverwaltung Puolanka, als sie zur Spring Up-Party am Abend diversen Punk-Bands lauschten und dabei erneut mit jungen Leuten aus der Region ins Gespräch kamen.
Lauschaer Details
Beim Stadtrundgang mit Lothar R. Richter lernten die Besucher anhand historischer Gebäude und Sehenswürdigkeiten viele Facetten von Lauschas Geschichte kennen, staunten über den Friedhof in extremer Hanglage ebenso wie über die Schanzenanlage oder die traditionelle Heimarbeit der Glasbläser, die sie bei Grit und Herbert Müller-Sachs live erlebten.
In der Jugendstilkirche lauschten die Gäste den Erläuterungen zum Gotteshaus von Dietmar Weschenfelder und dem Spiel von Kantor Matthias Erler auf der Strebelorgel. Im Kindergarten wurden Betreuungsschlüssel und Einrichtungen verglichen. Beim Spaziergang zum Mellichstöckdooch mit Ralf Pamminger und weiteren Lauschaern erfuhren die Finnen viel über die Vereine im Thüringer Städtchen, die in ehrenamtlicher Tätigkeit Erlebnisbad und Goetheschule, Kulturhaus und Schanzenanlage, Parks und Spielplätze für die Bevölkerung (mit) unterhalten und für kulturelle Highlights sorgen. Alles mit einer unglaublich hohen Bereitschaft, sich in ihrer Freizeit dafür einzubringen.
Von der Gefahr des Burnouts im Ehrenamt, von Sparpolitik, die der Kreativität im Wege steht und vom täglichen Kampf um den Erhalt von Kinder- und Senioreneinrichtungen und mehr war schließlich im gemeinsamen Workshop in der Grundschule die Rede.
Wo Lauschaer Stadträte und Vereinsmitglieder darüber staunten, dass in Finnland viel weniger übers Ehrenamt und weitaus mehr über den Staat getan wird, dadurch aber auch die Bereitschaft zum eigenen Engagement bei den Bewohnern sehr niedrig sei. Wo auch verglichen wurde: In Puolanka gibt es 1600 Ferienwohnungsplätze, in denen Gäste aus dem urbanen Raum ihren Sommerurlaub verbringen. Nach Lauscha kommen meist Tagesgäste.
Von der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes und der Einordnung der Erkenntnisse in einen überregionalen Kontext erhofft sich Bürgermeister Zitzmann einen Gewinn für die Entscheider in der Stadt. Und dass dadurch wichtige Themen in der öffentlichen Wahrnehmung Raum finden. Für einige Lauschaer geht es aber im Sommer erst einmal zum Gegenbesuch nach Puolanka – auf die Suche nach dem, was die Lebensqualität dort ausmacht. Noch bis April 2023 folgt dann der angewandte Teil des Projektes...