Kirchenkunst Kruzifix: Das Rätsel ums Leimriether Kreuz

red

Laut Informationen aus dem Internet stammt das Kruzifix in der Leimriether Kirche vom berühmten Bildhauer Tilman Riemenschneider. Diese Annahme ist aber längst überholt. Doch woher stammt es dann?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das Kruzifix nach seiner Restaurierung – beim Gottesdienst am Palmsonntag. Foto: Steffen Ittig

Seit einigen Wochen schon können die Leimriether beim Gottesdienst wieder ihr Kruzifix bestaunen, das nach professioneller Restauration in neuer Schönheit erstrahlt. Und es ist etwas Besonderes, das Leimriether Kruzifix. Ungeachtet dessen, dass es entgegen früherer Annahmen und noch heute im Internet kursierender Informationen nicht vom berühmten fränkischen Bildhauer Tilman Riemenschneider gefertigt wurde.

Nach der Werbung weiterlesen

Trotzdem gibt das Christus-Kruzifix der Leimriether St. Valentinskirche noch Rätsel auf. Einen Einblick in die spannende Geschichte des Kreuzes gibt der Leimriether Olaf Wieczorek:

„Beim Kruzifix der Leimriether Kirche handelt es sich, passend zur Dorfkirche, um ein schlichtes, künstlerisch anspruchsvolles und aussagekräftiges Kreuz, welches auf ein Alter von rund 500 Jahren geschätzt wird. Das Christus- Kruzifix wurde aus Lindenholz geschaffen und hat eine Korpushöhe von 105 Zentimetern und eine Breite von 95 Zentimetern. Seit Jahren ist es das zentrale Kunstwerk der Leimriether St. Valentinskirche, welches sich gut in den Kirchenraum einpasst und eine andächtige Wirkung entfaltet. Die Leimriether Kirche wurde im Jahr 1504 geweiht, was in etwa dem Alter des Kreuzes entspricht. Es kann aufgrund des Alters und der künstlerischen Formensprache davon ausgegangen werden, dass dieses spätgotische Christuskreuz mit zur Erstausstattung der Ortskirche gehörte. Historisch belegt ist diese These nicht, da es doch einige Unwägbarkeiten gibt, die dem langen Zwischenzeitraum geschuldet sind und lückenlose Dokumentationen leider nicht vorliegen. Im Jahr 1975 hat der damalige Pfarrer Günter Stammberger dieses Kleinod, welches vermutlich über Jahre hinweg auf dem Leutboden gelagert war, geborgen. Nach einer ersten Restaurierung wurde es dann im Kirchenchor in Altarnähe wieder aufgehangen.

Aufgrund der filigranen Ausführung der Holzschnitzerei sowie der Formensprache wurde seinerzeit davon ausgegangen, dass dieses Kunstwerk aus der Schule des fränkischen Holzbildhauers Tilmann Riemenschneider stammt. Eine Vermutung, die mittlerweile durch Kunstsachverständige des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie im Jahr 2017 widerlegt wurde. Der Urheber ist somit derzeit nicht bekannt.

Ungeklärt ist auch die Tatsache, warum ein solches Kunstwerk im kunsthistorischen Verzeichnis der Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens aus dem Jahr 1903, von den Autoren Prof. Dr. Lehfeldt und Prof. Dr. Voss aus Jena, keine Erwähnung fand. Eventuell lagerte das Kreuz seinerzeit schon am Leutboden oder es wurde später von einer anderen Kirche übernommen.

Ungeachtet dessen ist der Kruzifixus für die Leimriether Kirchgemeinde ein Kunstwerk mit hohem ideellem und auch künstlerischem Wert. Haben doch zahlreiche Generationen über Jahrhunderte bei diesem Kreuz Hoffnung, Trost und Erbauung gefunden.

Die Kirchgemeinde hatte sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2022 das Kruzifix umfassend restaurieren zu lassen, was auch dank zahlreicher Spenden fristgemäß realisiert werden konnte. So wurden unter anderem die teilweise fehlenden Finger, Zehen und Dornenkronen von Bildhauer Horst Rüggeberg aus Henneberg erneuert. Weiterhin ergab eine Farbanalyse der Diplomrestauratorin Christine Machate aus Erfurt, dass dieses Kreuz eventuell doch nicht spätgotischen Ursprungs ist. Aufgrund der verwendeten Farben kann auch von einem barocken Ursprung ausgegangen werden. Unabhängig von dieser Erkenntnis wurde der Ursprungszustand des Kruzifixes wieder meisterhaft hergestellt. Im Zuge der Restaurierung konnten leider weder detailliertere Hinweise zur Autorenschaft des Kruzifixes noch konkrete Angaben zum Jahr der Erschaffung ermittelt werden. Es bleibt somit noch viel der Historie des Kreuzes zu ergründen. Aber ein bisschen historische Ungewissheit hat auch seinen Charme und bietet Chancen und Motivation für weitere Aufklärungsarbeit.“