Es geht ums Geld
Erst ging es den Videoproduzierenden um Reichweite und darum, als Held und Retter gefeiert zu werden, wie Plasse erklärt. Inzwischen werde Werbung dazu eingeblendet und das bringe Geld, auch würden Spenden eingeworben. "Der Geldwert ist die große treibende Kraft."
Summen sind schwer zu schätzen, aber eine Studie einer SMACC-Mitgliedsorganisation von bereits 2020 mit rund 2000 Fake-Rettungs-Videos ergab allein auf YouTube potenzielle Einnahmen von bis zu 15 Millionen Dollar. Plasse spricht daher von einer "neuen Form des Gelderwerbs."
Trotzdem stellt sich die Frage: Warum machen Menschen so etwas? Theresa Müschner-Siemens, Tierärztin der Welttierschutzgesellschaft, geht davon aus, dass es neben dem finanziellen Aspekt manchen Menschen um die Aufmerksamkeit geht, die man mit extremen Inhalten erregen kann.
Letztlich führe dies dazu, dass Menschen, die Tiere quälerisch behandeln, Probleme und Nöte hätten, diese "als fühlende Wesen mit eigenen Bedürfnissen wahrzunehmen", sagt Müschner-Siemens. Und auch die Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Netzwerken gewöhnten sich an die Darstellung von Tierleid - und nehmen dieses nicht mehr als solches wahr.
Was lässt sich dagegen tun?
"Die Verrohung der Gesellschaft ist auch, was wir verhindern wollen", sagt Plasse. Die Tierschützer sprechen sich dafür aus, die Darstellung und Verbreitung grausamer Gewalttätigkeiten an Tieren zu verbieten - und dazu Tiere in den Paragrafen 131 des Strafgesetzbuchs aufzunehmen. Bislang ist dort nur die Rede von "Menschen oder menschenähnliche Wesen". Eine entsprechende Petition habe schon über 200.000 Unterschriften erhalten.
Auch Spaß-Videos können Tierqual zeigen
Nicht nur Fake-Rettungen beuten Tiere quälerisch aus. An der Tierärztlichen Hochschule Hannover befasste sich eine Untersuchung mit vermeintlich lustigen Videos, die kostümierte Tiere, Missgeschicke oder sogenannte Challenges zeigen, was Tiere ebenfalls unter Stress setzt.
Über 3.200 Menschen wurden dazu online befragt - und 98,5 Prozent gaben an, schon mit solchen Inhalten konfrontiert worden zu sein. Aber nur 46 Prozent sagten demnach, sie hätten Tierleid erkannt, wie Tierärztin Michaela Fels, Wissenschaftliche Assistentin an der Hochschule, berichtet.
Das zeigt: Es ist nicht immer leicht, Tierquälerei zu durchschauen - oder auch Fake-Rettungen zu erkennen. Zumal sich die vermeintlichen Helden den echten immer mehr annäherten - indem sie laut Plasse etwa Shirts mit entsprechenden Aufschriften tragen.
Was helfen kann: Echte Tierretter konzentrierten sich laut der Expertin auf die Rettung, nicht auf möglichst perfekte Kameraführung. Das bedeutet wohl: Sie machen weniger Aufhebens um sich, bleiben eher unbekannt - und ziehen dafür immer wieder Krötenzäune oder retten Rehkitze von Äckern.