Karriere-Fortsetzung offen «Ludwig der Achte» und Gold unter Kopfkissen

Rennrodler Johannes Ludwig hat auch einen Tag nach seinem Olympiasieg noch keine Entscheidung über eine Fortsetzung seiner Karriere getroffen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

«Ich bin 35 Jahre alt und habe viel erlebt in meiner Karriere. Ich lasse es mir alles noch ein bisschen offen», sagte der Thüringer am Montag, einen Tag nach seinem Gold-Triumph im Eiskanal von Yanqing.

Ludwig wollte erst einmal den Erfolg und die Medaille genießen, «etwas Luft lassen» und mit der Familie reden. «Dann werde ich ganz in Ruhe entscheiden, ob ich noch eine Saison dranhänge», erklärte er. Allerdings würde ihn im nächsten Jahr ein Start bei der WM auf seiner Heimbahn in Oberhof reizen: «Das wäre ein schöner Abschied.» Zunächst wolle er sich bei den Winterspielen auf den Medaillenkampf mit dem Team fokussieren.

Die große Motivation und das große Ziel in seiner langen Laufbahn sei «nicht unbedingt» olympisches Gold im Einzel gewesen. «Was mich die Jahre am Ball gehalten hat, war die Liebe zum Sport», sagte Ludwig, der bei vielen Saisonhöhepunkten in den Solo-Rennen auf vierten Plätzen gelandet ist und 2010 sowie 2014 Olympia verpasste: «Das ist das, was mich zu dem Athleten gemacht hat, der ich bin. Aber aufgrund der vielen vierten Plätze in meiner Karriere, wo ich oft am Podium vorbei bin, wiegt diese Medaille wirklich schwer. Ich bin ziemlich glücklich, dass ich immer am Ball geblieben bin», sagte er.

Nachdem er die Erfolgsserie der Rodler mit dem achten deutschen Einzel-Gold in der Winterspiele-Geschichte fortgesetzt hatte, würdigten ihn die Teamkollegen bei seiner Rückkehr ins olympische Dorf entsprechend. Toni Eggert und Sascha Bennecken hatten zu seinem Empfang ein Tape-Band mit der Aufschrift «Olympic Champion - Ludwig der Achte» an die Wand geklebt. Die goldene Medaille deponierte er danach beim Einschlafen unter dem Kopfkissen. Auch nach dem Anziehen am Morgen danach wollte Ludwig sie nicht missen und steckte sie in seine Hosentasche, um «immer mal wieder anfassen zu können».

Trainer noch ahnungslos

Selbst Norbert Loch ist noch ahnungslos. Ob sein frisch dekorierter Olympiasieger Johannes Ludwig seine Karriere fortsetzt, weiß selbst der Rodel-Cheftrainer nicht. «Ich mir nicht sicher, wie er sich entscheidet. Ich glaube, da wird er noch ein bisschen überlegen, er möchte sicher bei der Weltmeisterschaft auf seiner Heimbahn einen gebührenden Abschied haben. Vielleicht sagt er aber auch: Jetzt ist der Zenit, jetzt ist der Höhepunkt, ich kann abtreten», sagte Loch und versetzte sich in die Gedanken seines Schützlings: «Vielleicht hat er in Oberhof einen schlechten Tag und wird Zweiter oder Dritter, dann sagt er sich, musste ich mir das das jetzt geben?» Seine Bühne bei der Heim-WM in Oberhof im kommenden Winter würde der 35-jährige Ludwig auf jeden Fall bekommen.

Für Teamkollege Max Langenhan, der bei seiner Olympia-Premiere Sechster wurde, wäre es «ein großer Verlust». Da auch Felix Loch bis Olympia 2026 in Cortina d'Ampezzo weitermacht, hofft er zumindest auf noch ein gemeinsamen Jahr mit Ludwig. «Die sind einfach ein Hammer. Wenn man im Training die Besten der Welt hat, kann man sich besser entwickeln als wenn sie sagen, wir gehen in die Sportrente - da würde ich zu Hause weinen.» Langenhan ist sich sicher: «Der überredet sich selbst nach so einer Saison. Nächstes Jahr steht bei uns in Oberhof ein Highlight an, Hansi hat so viele Jahre in seinem Leben auf dieser Bahn verbracht, ich bin mir sicher, er lässt sich das nicht entgehen. Nach so einem Titel macht man weiter, da hört man nicht auf, er ist ein Vorbild für viele.»

Am Abend seines Triumphs huldigte auch Coach Loch seinem Schützling. Er zog bei eisigen Temperaturen im Sliding Centre Yanqing seine Mütze und verneigte sich im Ziel tief vor Ludwig. «Ich kenne den Hansi schon seit dem Jugendalter, mich verbindet auch einiges mit seinem Papa, wir sind damals aktiv zusammen gerodelt. Der Lydi, der Papa wie er heißt, bei Hansi haben wir den Spitznamen genauso übernommen, weiß, was ich ausdrücken möchte mit dieser Geste», sagte Loch und ergänzte: «Wer den Athleten von klein auf kennt und seine Höhen und Tiefen gesehen hat und jetzt auf den Zenit kann er mit dieser Leistung hier alles abrufen, da muss ich sagen, das hat mich tief bewegt, das wollte ich den Hansi damit zeigen.»

Da kamen die vielen Rückschlägen wieder hoch. Zwischenzeitlich musste Loch den Thüringer sogar ins B-Team versetzen. «Ich habe gesagt, Hansi jetzt wirst du erstmal ein Jahr richtig trainieren. Wenn man im Weltcup fährt, hat man sehr wenig Trainingsläufe. Das hat ihm auch mental gut getan, solche Kleinigkeiten machen es dann eben aus», erinnert sich Loch, der als Papa vom dreimaligen Olympiasieger Felix auch einige Achterbahnfahrten seines Sohnes erlebt hat.

Ludwigs Gold-Fahrt olympischer Quoten-Hit im ZDF

Der Gold-Triumph von Rennrodler Johannes Ludwig ist der bisherige Quoten-Hit der Live-Übertragungen von den Olympischen Winterspielen in China gewesen. Bei der entscheidenden Fahrt des Oberhofers am Sonntag zum Olympiasieg hatten am frühen Nachmittag in Deutschland im Durchschnitt 5,14 Millionen Zuschauer das ZDF eingeschaltet. Dies entsprach einem Marktanteil von 28,6 Prozent.

Autor

Bilder