Einer der Verteidiger im ersten Stammheim-Verfahren war der Rechtsanwalt und frühere Grünen-Politiker Rupert von Plottnitz. "Die Erfahrungen waren nicht so, dass ich bei dem Abriss in Trauer verfalle", sagt er heute. Er moniert auch fast fünf Jahrzehnte später, dass das Gebäude extra für das erste Terrorverfahren gebaut wurde. "Verhandlungen in Sondergebäuden statt in normalen Gerichten stigmatisieren zwangsläufig Angeklagte als vermeintliche Gemeingefahr, was der Unschuldsvermutung nicht guttun kann."
Museen übernehmen Teile des Inventars
Der Zuschauerbereich in dem nüchternen Verhandlungssaal, der den Charme einer Produktionshalle versprüht, ist nur durch ein hüfthohes hölzernes Geländer abgetrennt. Die Prozessbesucher wurden bei allen Verfahren in Stammheim stets strengstens kontrolliert. Dafür gab es extra mehrere kleine Kabinen. Die eisernen Drehkreuze für die Personenkontrollen funktionieren noch - sie fallen im Eingangsbereich wie vor Jahrzehnten mit einem Quietschen in die Rasterstellung.
Das leere Gebäude wirkt auf den Besucher, als ob es fluchtartig verlassen worden wäre. In den Zimmern der Richter liegen Strafgesetzbücher unterschiedlicher Auflagen herum. In einem Raum scheint es sich sogar jemand gemütlich gemacht haben - hier steht noch ein alter Ledersessel. In der polizeilichen Leitstelle im hinteren Gebäudeteil ragt eine Wand aus 38 uralten Bildschirmen auf. Kleine Ampeln zeigten dort früher an, wenn ein Mensch in die Nähe des Gefängniszauns kam. Die Zellen wirken äußert karg - Tisch, Stuhl, Waschbecken und Toilette auf nur wenigen Quadratmetern.
An manchen Türen und Gegenständen sind Aufkleber angebracht - unter anderem vom Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg und dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Anfang April übernimmt letzteres mehrere Möbel und andere Objekte. Richter- und Verteidigertische und sogar mehrere Sitzeinheiten aus dem Zuschauerbereich werden ausgebaut und abtransportiert, berichtet Ausstellungsleiter Rainer Schimpf. "Die Tische stehen für die im sogenannten Stammheim-Prozess von 1975 bis 1977 massiv geführte Konfrontation zwischen dem Vorsitzenden Richter Theodor Prinzing und den Verteidigern der Angeklagten von der RAF."
Es werden gleichfalls Tür, Tisch und Stühle aus einer der Verwahrzellen für die Angeklagten übernommen und in ein Depot gebracht. Irgendwann sollen alle diese Gegenstände dann einmal ausgestellt werden - und die Geschichte des Mehrzweckgebäudes in Stuttgart-Stammheim erzählen.