Die Lage am Rande des Gazastreifen eskaliert erneut: Tausende Palästinenser protestieren am Jahrestag des Beginns des «Marsches der Rückkehr». Israel warnt die Menschen davor, sich dem Grenzzaun zu nähern - doch wieder fließt Blut.
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Mindestens 316 Palästinenser seien verletzt worden, darunter 64 durch Schüsse, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza am Samstag mit. Ein Palästinenser erlag am Morgen seinen Verletzungen nach Konfrontationen am Vorabend. Die israelische Armee sprach von rund 40 000 Palästinensern, die sich am Samstag im Grenzgebiet versammelten.
Die Organisatoren der Proteste hatten zu einem "Eine-Million-Marsch" aufgerufen. Sie erinnerten damit an den Beginn der Proteste am Grenzzaun vor einem Jahr. Nach israelischen Militärangaben warfen Teilnehmer Steine, Granaten und Sprengsätze auf den Zaun und zündeten Reifen an. Die Soldaten würden Maßnahmen zur Auflösung von Unruhen ergreifen und auch schießen, hieß es in einer Mitteilung. Der größte Teil der Palästinenser halte sich aber weiter entfernt vom Zaun bei Zelten auf - nach palästinensischen Angaben rund 300 Meter vom Grenzzaun entfernt. Wegen eines Generalstreiks blieben Geschäfte im Gazastreifen geschlossen.
Die israelische Behörde Cogat hatte Bewohner des Gazastreifens aufgefordert, sich am Samstag vom Zaun fernzuhalten. "Haltet einen Abstand von mindestens 300 Metern ein", sagte Oberst Ijad Sarhan in einem Video. "Die israelische Armee wird weder Versuche tolerieren, Zivilisten oder Soldaten zu verletzen, noch Beschädigungen am Grenzzaun." Die israelische Armee hatte zusätzliche Einheiten in den Süden des Landes verlegt.
Palästinenser gedenken am 30. März, dem "Tag des Bodens", massiver Landenteignungen und sechs israelischer Araber, die am 30. März 1976 in dem Ort Sachnin von der israelischen Polizei getötet worden waren. Sie hatten gegen die Beschlagnahmung arabischen Bodens protestiert.
Die Palästinenser verlangen beim "Marsch der Rückkehr" unter anderem eine Aufhebung der Blockade, die Israel und Ägypten über den Gazastreifen verhängt haben. Außerdem pochen sie auf ein Recht auf Rückkehr in Gebiete, die heute zu Israel gehören. Israel und Ägypten begründen die Blockade mit Sicherheitsinteressen. Die USA, Israel und die EU haben die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas als Terrororganisation eingestuft.
Die Hamas und die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad warnten, dass "jegliche Aggression gegen den 'Eine-Million-Marsch' am 'Tag des Bodens' mit Widerstand beantwortet" werde. Jihia al-Sinwar, Gaza-Chef der Hamas, kündigte an, dass die Proteste am Grenzzaun auch künftig weitergehen würden.
Ägypten hat sich nach Medienberichten in den vergangenen Tagen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas bemüht. Die linksliberale israelische Zeitung "Haaretz" berichtete am Freitagabend, Israel und palästinensische Gruppierungen hätten eine Einigung erzielt. Danach habe die Hamas sich dazu bereit erklärt, die Demonstranten am Samstag vom Grenzzaun fernzuhalten. Israel werde sich dagegen bei der Zerschlagung der Unruhen zurückhalten und unter anderem die Einfuhr von Waren in den Gazastreifen erleichtern.
Ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte sich zunächst nicht dazu äußern. Ein führendes Mitglied der Hamas sagte, Israel habe nach Angaben Ägyptens seine Zustimmung zu Forderungen nach einer Lockerung der Blockade um den Gazastreifen gegeben.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte zum "Tag des Bodens" erneut einen unabhängigen Staat Palästina neben Israel in den Grenzen vor 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. "Das Leiden unserer Volkes in 100 Jahren und die enormen Opfer, die von diesem großartigen Volk erbracht wurden, werden nicht umsonst gewesen sein", sagte er laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa.
Das Nationalkomitee des "Marsches der Rückkehr" aus dem Gazastreifen hatte im Vorfeld auch ähnliche Proteste in Israel, in Jerusalem und dem Westjordanland angekündigt sowie in mehreren arabischen und europäischen Ländern. Aus dem Westjordanland und Jerusalem gab es allerdings zunächst keine Berichte von größeren Aktionen. Zum Nationalkomitee gehören auch Vertreter der Hamas.
Bei den Protesten wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza binnen eines Jahres 270 Palästinenser getötet und Tausende verletzt. Nach Angaben der Kinderschutzorganisation Save the Children waren darunter "mindestens 50 Kinder". Ein israelischer Soldat wurde erschossen.