Interview mit Fastenarzt „Für den Körper ist Fasten wie ein Neustart“

Hanna Spanhel

Verzicht auf Alkohol oder Fleisch ist gut, sagt Fastenarzt Andreas Michalsen. Doch wer auch einen medizinischen Effekt erzielen will, muss richtig fasten.

 
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Richtig viel weglassen tut nicht nur dem Körper gut. Foto: dpa

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Stuttgart - Andreas Michalsen beschäftigt sich als Arzt viel mit dem Fasten. Er plädiert dafür, die Sache richtig ernst zu nehmen, wenn man sich wirklich etwas Gutes tun will.

Herr Michalsen, ist es sinnvoll, in der Fastenzeit auf Alkohol oder Fleisch zu verzichten?

Es ist gut, eine Zeit lang keinen Alkohol, Zucker oder tierische Produkte zu sich zu nehmen. Es ist in unserer Kultur normal geworden, sieben bis zehnmal am Tag etwas zu essen und kaum selbst zu kochen. Für den Körper ist das nicht gut. Jedes Mal, wenn wir essen, wird die Energieverarbeitung angeschmissen. Der Körper ist dann hauptsächlich damit beschäftigt, dieses Essen zu verdauen. Das bedeutet Defizite an anderer Stelle. Wir leben in einer Überflussgesellschaft – wirklich verzichten können wir kaum noch. Das christliche Fasten etwa ist stark korrumpiert worden – da wurde dann das Fleisch in den Maultaschen versteckt oder Starkbier getrunken. Um einen körperlichen, medizinischen Effekt zu spüren, plädiere ich für richtiges Fasten.

Was bedeutet es, richtig zu fasten?

Beim Heilfasten nimmt man fünf, zehn, gelegentlich sogar 14 Tage keine feste Nahrung zu sich – nur Tee, Gemüsebrühe oder Säfte. Das hat eine ganz starke Wirkung. Aber auch das Intervallfasten hat positive Effekte – das zeigen inzwischen zahlreiche Studien. Da gibt es verschiedene Methoden; gängig ist, für 16 Stunden am Tag auf Nahrung zu verzichten.

Sie setzen das Heilfasten auch an Ihrer Klinik ein. Welche Effekte sehen Sie dort?

Zunächst einmal hat es einen stark entzündungshemmenden Effekt. Bei rheumatischen Entzündungen, Darmentzündungen oder Arthrose reduzieren sich die Schmerzen und Schwellungen schon nach kurzer Zeit. Auch bei Bluthochdruck oder Diabetes zeigen sich rasch Verbesserungen. Hier kann Fasten sogar heilen. Für den Körper ist das wie ein Reset, ein Neustart. Durch das Heilfasten gibt man ihm Zeit, den Reparaturmodus in den Zellen in Gang zu setzen. Das intermittierende Fasten oder Intervallfasten hat diese Effekte nicht so stark, sondern wohl eher langfristig.

Was bewirkt das Fasten im Kopf?

Da zeigen sich biochemische Veränderungen: Durch das Fasten ist weniger Zucker im Körper. Als Ersatzbrennstoff werden Ketonkörper produziert, die dem Gehirn viel Energie liefern. Außerdem steht mehr Serotonin zur Verfügung, das als Glückshormon bekannt ist. Diese Veränderungen im Stoffwechsel sorgen dafür, dass sich die Stimmung beim Fasten eher verbessert, man sich wacher und aktiver fühlt. Das ist allerdings nicht bei jedem so – wer etwas mehr wiegt, wird diesen Effekt stärker spüren. Fasten hat außerdem auch eine psychologische Wirkung, die Selbstwirksamkeit wird erhöht: Viele Menschen sind nach dem Fasten stolz und überrascht, dass das so gut ging. Es hat etwas Befreiendes, zu merken, dass nicht alles sein muss, an das wir uns gewöhnt haben. Und die Geschmacksrezeptoren haben sich verändert – man nimmt anders wahr, was man zu sich nimmt. Fasten gibt oft den Anstoß dazu, die Ernährung umzustellen und gesünder zu essen.

Gibt es Menschen, die besser nicht fasten sollten?

Wer aus medizinischen Gründen fastet – also etwa jemand mit Diabetes oder Rheuma –, muss ärztlich überwacht werden. Viele Medikamente wirken anders, wenn man fastet. Menschen, die eine Essstörung haben oder hatten, sollten nicht fasten. Und auch für Menschen mit Gallensteinen oder Gicht ist es nicht ratsam.