Intensivbehandlung beendet Martha hat den Blutkrebs besiegt

Endlich wieder zu Hause: Martha mit ihrer Mut-Perlenkette im Kreise ihrer Familie – Papa, Brüderchen Kornelius und Mama mit Hündin Elsa. Foto: Heiko Matz

Im Herbst 2019, kurz nach ihrer Einschulung, begann für Martha und ihre Familie die wohl schlimmste Zeit ihres Lebens. Jetzt hat die Achtjährige aus Klings den Blutkrebs besiegt. Ihre Eltern sind glücklich – und all denen, die sie in den vergangenen Monaten unterstützt haben, überaus dankbar.

 
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Klings - „Gut“, antwortet Martha lächelnd auf die Frage, wie es ihr geht – und schon tollt sie wieder, mit ihrem dreijährigen Brüderchen Kornelius spielend, durch den Garten davon. Für ihre Eltern Theresa und Tobias Hüther aus Klings ist es das größte Glück, die Achtjährige wieder so unbeschwert zu sehen.

Seit September 2019 hat Martha Schlimmes durchgemacht. Ihre lange bunte Mut-Perlenkette – „für jede Behandlung, die sie erhalten hat, eine Perle“, erklärt ihr Papa – zeugt davon. Starke Medikamente, Chemotherapien haben den kleinen Körper so geschwächt, dass Martha zeitweise nicht einmal mehr laufen konnte. Anfang Januar war ihre Intensivtherapie gegen den Blutkrebs abgeschlossen. „Sie hat es überstanden – das ist die allerschönste Botschaft gewesen“, sagt ihre Mama.

„Wie schwerwiegend die Krankheit ist, die Ernsthaftigkeit, das hat sie zum Glück nicht verstanden. Ich weiß noch, wie sie einmal gesagt hat: ‚Ich habe ja nur Leukämie‘“, erzählt Theresa Hüther. „Sie hat alles über sich ergehen lassen“, sagt ihr Mann. Die Kleine habe bei den Behandlungen „super mitgemacht“ und sich auch bei größten Strapazen meist nichts anmerken lassen, schildern die beiden. Allerdings habe das Cortison zeitweise ihr Wesen verändert – nicht nur das Aussehen; das Medikament habe sie manchmal cholerisch gemacht.

„Begonnen hat es im September 2019“, berichtet Theresa Hüther. Martha habe eine starke Infektion mit hohem Fieber gehabt. Es sei ihr zunehmend schlechter gegangen „und sie wurde immer blasser“. Viermal sei sie mit ihrer Tochter beim Kinderarzt gewesen, „aber es war immer nur eine Infektion“, sagt sie bitter. „Im Oktober sind wir dann zu meinem Hausarzt gegangen, der hat ein bisschen weitergedacht. Er hat gesagt, da stimmt was nicht, und uns zur Sonografie zum Kinderarzt geschickt.“ Von dort sei sie ins Klinikum Bad Salzungen überwiesen worden, wo festgestellt wurde: Martha hat Leukämie.

„Und dann ging‘s ganz schnell“, sagt Tobias Hüther. Mit dem Krankenwagen wurden Martha und ihre Mutter am 22. Oktober 2019 ins Helios-Klinikum nach Erfurt gefahren. „Dort sind wir gleich stationär aufgenommen worden“, sagt Theresa Hüther. „Die Behandlung wurde sofort begonnen, weil die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten war, dadurch dass sie Wochen nicht erkannt worden ist.“ Weil Leukämie so selten auftrete, hätten Kinderärzte wenig Erfahrung damit, habe man ihnen in Erfurt gesagt, erzählt Tobias Hüther. Leider würden bei Kindern auch zu selten Bluttests gemacht.

Von nun an waren immer – abwechselnd im Vier-Tage-Rhythmus – Mama oder Papa mit Martha in der Klinik und der andere mit Kornelius, der damals gerade mal zwei Jahre alt war, zu Hause. „Der erste Block waren 57 Tage am Stück im Krankenhaus“, sagt Tobias Hüther. Danach durfte Martha, wenn ihre Blutwerte es zuließen, immer mal vier, fünf Tage nach Hause. Weihnachten 2019 beispielsweise konnte die Familie gemeinsam verbringen. Silvester waren Martha und ihr Papa wieder in Erfurt, „weil die Chemo weiterging“.

„Bis März/April waren wir eigentlich fast nur im Krankenhaus“, sagt Theresa Hüther. „Dann kam der harte Lockdown“, sagt ihr Mann. „Da waren wir praktisch im Zimmer eingesperrt.“ Der Betreuungswechsel zwischen den Eltern musste nun in Windeseile unten vor der Tür stattfinden. Und der kleine Kornelius durfte gar nicht mehr zu seiner Schwester. „Das war wirklich die härteste Zeit“, sagt Tobias Hüther. Die anhielt, bis es draußen wärmer wurde. Allerdings, das betonen beide, habe man sich im Klinikum alle Mühe gegeben, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Besonders den Ärzten und Schwestern der Station 33 seien sie dafür sehr dankbar.

Im Juni sei Martha so stabil gewesen, „dass wir sie mit dem Rollstuhl mit rausnehmen konnten“. Im Juli konnte sie dann die Klinik über einen etwas längeren Zeitraum verlassen, bevor es mit der intensiven Behandlung weiterging. Am 17. Dezember 2020 hatte sie die letzte Chemotherapie hinter sich.

Am 7. Januar dieses Jahres wurde Martha der Katheter gezogen und am 8. Januar habe sie das Ende der Intensivtherapie mit der Glocke, die eigens für solche Fälle im Helios-Klinikum Erfurt angebracht ist, eingeläutet. Die stationäre Behandlung ist damit abgeschlossen. Bis Oktober läuft nun noch die Erhaltungstherapie. Das bedeutet, sie muss täglich Tabletten nehmen, wöchentlich zur Blutkontrolle und alle sechs Wochen nach Erfurt.

Es habe Situationen gegeben, die „grenzwertig“ gewesen seien, sagt Theresa Hüther. „Tage, die schlimm waren“, weil die Reaktionen ihrer Tochter auf die Chemo kaum erträglich gewesen seien. „Tag 33 war der entscheidende Tag“, sagt Tobias Hüther. „Da war sie krebsfrei.“

Mitten in der für die Familie so schwierigen Zeit hat Tobias Hüther auch noch seine Arbeit als Kfz-Mechatroniker verloren. „Nach siebeneinhalb Jahren“, sagt er. Ostern 2020 habe er die Kündigung erhalten, weil es seinem Chef nicht gepasst habe, dass er wegen des Klinikaufenthaltes seines Kindes ausfiel. Inzwischen hat er einen neuen Arbeitsplatz. Aber mit einem solchen zusätzlichen Problem hatte damals keiner gerechnet. „Menschlich geht das gar nicht“, befindet Theresa Hüther, die von Beruf Bürokauffrau ist. „Meine Chefs sind da völlig anders damit umgegangen. Sie haben gesagt: Es dauert so lange, wie es dauert.“

Trotz allem haben die Eltern sich nie hängen lassen, haben für ihre beiden Kinder getan, was sie konnten. Und sich zudem, wann immer es möglich war, etwas Besonderes für Martha einfallen lassen. Eine Überraschung war der Besuch eines Konzerts ihres Lieblingssängers Pietro Lombardi im Steigerwaldstadion in Erfurt.

„Mein Onkel hatte die Karten besorgt. Wir haben ihr vorher nichts erzählt“, sagt Theresa Hüther. Und dann wurde alles noch überraschender als geplant: Da Martha im Rollstuhl saß, seien sie durch einen separaten Eingang ins Stadion gegangen, wo sie kurz mit einer Frau von der Security sprachen. „Und die war so ergriffen von Martha“, dass sie direkt zum Konzertveranstalter ging und – ohne dass sie davon wussten – mit diesem klärte, dass Martha mit Pietro Lombardi sprechen kann „Der Veranstalter kam dann raus und direkt auf uns zu. Ich dachte, wir kriegen jetzt Ärger, weil wir vielleicht an der falschen Stelle stehen“, erzählt Theresa Hüther lachend. „Dann hat er gefragt, ob ich die Mutter bin“, und habe sie beide zu Pietro Lombardi gebracht. „Das war wirklich der Wahnsinn. Sie war hin und weg. Das war einfach überwältigend – und hat ihr sehr gut getan. Danach kam ja dann die harte Zeit, wo es ihr richtig schlecht ging.“

Auch ein Familienurlaub im September – eine Woche am See in Leipzig mit Zoobesuch – sei „ein Highlight“ für Martha gewesen. „Man hat schon alles versucht, es ihr so erträglich wie möglich zu machen. Auch die Großeltern und Geschwister – es hat ja jeder alles gegeben“, sagt Theresa Hüther. „Man braucht halt auch einen starken Familienzusammenhalt, den hatten wir definitiv.“ Ihr Mann nickt und bestätigt: „Unsere Eltern und Geschwister waren für uns alle immer da“ – für die beiden im Klinikum Erfurt genauso wie für das jeweils andere Elternteil mit Kornelius zu Hause.

Viele weitere Menschen hätten sie in der schweren Zeit, die unter anderem wegen der vielen Fahrten nach Erfurt zudem eine finanzielle Herausforderung war, unterstützt. Bei ihnen allen – Freunden, Verwandten, Bekannten, Vereinen, Firmen sowie Marthas Lehrern, Mitschülern und deren Eltern – „möchten wir uns ganz herzlich bedanken“, sagen Theresa und Tobias Hüther. Die Grundschule in Empfertshausen hatte beispielsweise ihren Crosslauf im Herbst als Spendenlauf für Martha organisiert. Und zwei Lehrerinnen „kamen, wenn wir zu Hause waren, zweimal die Woche und haben Martha unterrichtet“.

Martha ist jetzt in der zweiten Klasse. „Sie hat noch nicht viel Schule gehabt. In der ersten Klasse, direkt nach den Herbstferien, ging es ja los“, sagt ihr Vater. Sie habe aber auch am Klinikum Unterricht gehabt, deshalb sei sie auf dem gleichen Stand wie ihre Mitschüler, sagt ihre Mutter. Sobald die coronabedingte Schulschließung vorbei sei, werde sie gemeinsam mit ihnen lernen. „Das normale Leben geht wieder irgendwie weiter“, sagt Tobias Hüther.

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