Initiative Rodachtal Große Chance für kleine Orte

Wolfgang Swietek
Für die musikalische Umrahmung der Festveranstaltung sorgte die Gruppe „Cocktail a cappella“. Foto: Wolfgang Swietek

Seit 20 Jahren gibt es die Initiative Rodachtal, der elf Kommunen aus Bayern und Thüringen angehören. Bei einem Festakt blickt man auf die schwierigen Anfänge zurück. Und auf die Wirkung bürgerschaftlichen Engagements.

 
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Heldburg - Mit fünf Mitgliedern hatten sie vor 20 Jahren angefangen, wollten etwas bewegen in der Region. Nach dem Motto: Nur gemeinsam sind wir stark. Ziel war, diese Region im Norden Bayerns und im Süden Thüringens aufzuwerten und dabei von den Erfahrungen der anderen zu lernen. Inzwischen hat die Initiative Rodachtal weitere Partner gewonnen. Aus fünf sind nun elf Gemeinden diesseits und jenseits der Landesgrenze geworden, die an einem Strang ziehen. Und immerhin für rund 50 000 Einwohner die Verantwortung tragen. Auch die Landkreise Hildburghausen und Coburg sind inzwischen Mitglieder. Die Gründungsveranstaltung vor 20 Jahren fand übrigens an der gleichen Stelle statt wie jetzt die Festsitzung zum Jubiläum – auf der Veste Heldburg.

Ein Film ließ die vergangenen zwei Jahrzehnte Revue passieren, zeigte den schweren Anfang und das, was die Mitglieder inzwischen erreicht haben. Emotional berührend die Bilder von den Tagen, als sich nach 40 Jahren der deutschen Teilung die Grenzen wieder geöffnet hatten. „Ich selbst konnte erst mit 36 Jahren die Region auf der thüringischen Seite kennenlernen“, so Hendrik Dressel, der Initiator und erste Vorsitzende der Initiative Rodachtal. Recht schnell sei er damals auf die Idee einer gemeinsamen Zukunft gekommen, bekannte er. Und so habe er einige Bürgermeister angesprochen und sie für ein gemeinsames Bemühen um die Entwicklung der Region zu begeistern versucht. Aus der Erkenntnis heraus: Von allein wächst nicht zusammen, was zusammen gehört. „Ich kann heute sagen: Wir haben von Anfang an nicht übereinander, sondern miteinander gesprochen, ob wir nun aus Bayern oder Thüringen kamen.“ Recht emotional wurde Dressel, als er an die Grenzöffnung im Herbst 1989 erinnerte: „Wege verbinden Menschen. Aber zeigt Euren Kindern auf diesem Weg zwischen ehemals Ost und West, wo die Selbstschussanlagen standen. Das sollte niemals vergessen werden. Die haben nicht nur Deutschland geteilt, sondern die ganze Welt.“

In einer Podiumsdiskussion mit Gründungsmitgliedern blickten diese auf den schweren Anfang zurück, hatten dabei viel zu erzählen. Sodass aus den geplanten zwei Stunden der Veranstaltung unversehens drei wurden. Eine Erkenntnis dabei: Einem Urlauber ist es egal, ob das Zimmer, das er gebucht hat, nun in Thüringen oder in Bayern liegt. Hauptsache, er findet eine entsprechende Qualität vor und kann von hier aus seine Ausflüge in die Region unternehmen. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit nehmen viele jetzt in Anspruch, was daraus entstanden ist. So wurden relativ schnell 550 Kilometer Wanderwege ausgeschildert, um die Orte miteinander zu verbinden und für Urlauber leichter erreichbar zu machen. Ein Vorhaben, womit eine einzelne Gemeinde sicher überfordert gewesen wäre. „Wir haben das Glück, dort zu leben, wo andere gern Urlaub machen“, klang in vielen Gesprächen die Begeisterung für die eigene Heimat an.

Doch das allein kann noch nichts verändern. Um etwas zu bewegen, müssen auch Gemeinde- und Stadträte mitmachen, um die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Wie man mit historischen Bauten umgeht, sie vor dem Verfall rettet und Leerstand vor allem in den Ortskernen vermeidet, das kann nicht allein im Ehrenamt bewältigt werden. Da braucht es Unterstützung von offizieller Seite, wenn es gilt, die Bautätigkeit an historischen Gebäuden zu unterstützen.

Dass sich nach der „Freudenphase der Deutschen Einheit“ auch eine „Frustphase“ anschloss, wenn beim Umsetzen der Ideale immer wieder Steine im Weg lagen, auch das gab Hendrik Dressel zu. Da brauchte es schon eine Menge an Durchsetzungswillen, um nicht allzu schnell aufzugeben. „Als ich zum ersten Mal hier auf die Veste Heldburg kam“, erinnert sich Dressel, „da waren einige Teile der Burg zum Abriss freigegeben. Doch es haben sich zum Glück Bürger aus Bayern und aus Thüringen bereitgefunden, dagegen anzukämpfen. Sie konnten sich dann doch durchsetzen. Dass sich das gelohnt hat, kann jeder sehen, der hierher kommt. Auch wenn die Bautätigkeit an diesem eindrucksvollen Bauwerk noch längst nicht abgeschlossen ist. Bürgerliches Engagement kann halt doch etwas bewirken.“

Nicht anders sieht es Christine Bardin, eine der beiden jetzigen Vorsitzenden und Bürgermeisterin von Ummerstadt. „Ich habe das von Anfang an als große Chance für die kleinen Orte an der Grenze gesehen. Beeindruckend für mich auch, dass wir alle auf gleicher Augenhöhe miteinander gesprochen haben, ob nun aus ehemals West und ehemals Ost. Vieles, was wir bisher gemeinsam geschafft haben, wäre jedem von uns allein nicht möglich gewesen. Wir haben dazu gewonnen – alle!“

Auch bei so mancher unterschiedlicher Sicht eint alle die Erkenntnis: In einer Region, die eigentlich „nicht Fisch und nicht Fleisch“ ist, ist der einzelne chancenlos. Bei Anträgen auf Fördermittel auf Landes- und Bundesebene oder in der EU würde eine kleine Gemeinde durchs Raster fallen. Nicht aber eine Region wie das Rodachtal. So konnten beim Programm der Dorferneuerung höhere Fördersätze erreicht werden.

Wege verbinden, hieß es immer wieder. Dazu Vorsitzender Martin Finzel, zugleich Bürgermeister von Ahorn: „Die Leute interessiert nicht, ob sie in Coburg oder Hildburghausen Urlaub machen, sie wollen das in einer schönen Region. Einer Region, die vom Main über Coburg und Sonneberg bis nach Hildburghausen reicht. Und so ist es nur wichtig, dass einer von dem anderen lernt. Manche Erfahrungen aus Thüringen sind inzwischen in Bayern übernommen worden, so gerade in Seßlach und Bad Rodach. Natürlich auch in umgekehrter Richtung“. Ein weiteres Vorhaben der Initiative sei die Digitalisierung der Ortschroniken. „Dann können die Erfahrungen, die von den Ehrenamtlichen zusammengetragen worden sind, von allen abgerufen werden“, sagte Finzel.

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