Im Interview: Katarina Witt „Endlich mal loslassen“

Susann Eberlein
Gefragte Unterschrift: Rund eine Stunde lang schrieb Katarina Witt Autogramme beim Gala-Abend. Foto: Sascha Bühner

Nach ihrem Auftritt beim Gala-Abend in Oberhof nahm sich Katarina Witt (55) Zeit für ein Interview mit unserer Zeitung. Die zweifache Eiskunstlauf-Olympiasiegerin sprach über Erich Honecker, Perfektionismus und ihre Kritik an der Corona-Politik.

 
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Frau Witt, mit dem Gala-Abend im Ahorn-Panorama-Hotel waren Sie erst das zweite Mal in Ihrem Leben in Oberhof. Welche Erinnerung haben Sie an den ersten Besuch?

Im Teenageralter waren wir Eiskunstläufer hier im Wintertrainingslager. Wir freundeten uns gleich mit den Rodlern an, waren blödsinnmäßig mit ihnen unterwegs und sind im Dunkeln auf Tüten den Abhang runtergeschlittert. Ich habe mir den Steiß leicht verletzt. Mir liefen dann abwechselnd die Tränen, vor Lachen und vor Schmerzen.

Das war noch zu DDR-Zeiten, in der Sie dank Ihrer Erfolge als Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin oft vom Staat geehrt und mit Erich Honecker abgebildet wurden.

Ich habe ihn nur zu offiziellen Anlässen getroffen. Das waren Auszeichnungsempfänge wie heute mit der Bundeskanzlerin oder dem Bundespräsidenten. Einmal saß ich als Ehrengast mit ihm am Tisch im Palast der Republik in Berlin. Er hat so sehr genuschelt, ich habe ihn kaum verstanden. Ich dachte mir: Du kannst nicht den ganzen Abend „Wie bitte?“ fragen (lacht).

Die schweren Figuren, die maßgeschneiderten Kostüme, das Styling: Eiskunstlauf wirkt perfekt. Wie viel Perfektionismus steckt noch heute in Ihnen?

Viel zu viel. Immer perfekt sein zu wollen, ist einfach anstrengend (lacht). Deswegen muss ich mich dazu disziplinieren, endlich mal loszulassen. Aber: Perfektionismus spricht ja auch für viel Herzblut und damit auch für Qualität.

Perfektion ist auch in sozialen Netzwerken angesagt. Sie pflegen selbst Facebook- und Instagram-Kanäle. Wie gehen Sie damit um?

Ich finde es echt toll, den ungefilterten Draht zu meinen Fans zu haben. Im Moment nutze ich sie aber eher sporadisch, weil sie mir viel Lebenszeit wegfressen. Ich poste, wenn ich Lust und Muße dazu habe oder wenn mir etwas sehr wichtig ist.

Wie im März 2021, als Sie die Corona-Politik kritisiert haben. Der Post ging viral und hat große Aufmerksamkeit erzeugt. Was lag Ihnen auf der Seele?

Der erste Lockdown war fair, wir sind alle daheim geblieben. Im Herbst 2020 gab es einen angeblichen Lockdown-Light. Für einige Branchen, wie zum Beispiel für den Freizeit- und Breitensport oder die Kultur, wurde er bis Juli ein unsinniger komplett Lockdown. Mir hat die aufgezwungene Untätigkeit auf mein Gemüt geschlagen. Und ich habe mich gefragt, wie es denjenigen geht, die ihr ganzes Geld in ihren Lebenstraum von einem Start-up oder Betrieb gesteckt haben. Ich hatte einfach versucht, an die Politik zu appellieren, ihre Entscheidungen an faire Regeln zu koppeln.

Was empfanden Sie als unfair?

Manch große Firma mit Mega-Umsatz ist vor Lachen nicht in den Schlaf gekommen. Dafür haben unter anderem Selbstständige oder kleine Betriebe vor Kummer keinen mehr gefunden. Außerdem war ich wirklich enttäuscht von den Verantwortlichen des Leistungssports, die sich einen schlanken Fuß gemacht haben. Wie erklärt man einem Zwölfjährigen, dass der Profi, sein Idol, Fußball zwar spielen darf, er selbst aber nicht? Die Leistungssportler konnten sich verdientermaßen auf die Sommerspiele vorbereiten, aber der Freizeit- und Gesundheitssport stand vor verschlossenen Türen.

Sie haben ein eigenes Sportstudio in Potsdam. Haben Sie im Lockdown dort trainiert?

Nur sporadisch. Als meine Mitglieder nicht kommen durften, habe ich für mich entschieden, solidarisch zu sein und habe die Trainingsfläche gemieden. Dabei sind Sport und die aktive Bewegung das A und O für die Gesundheit.

Die Olympischen Winterspiele in Peking stehen bevor. Sie haben drei Spiele als aktive Sportlerin erlebt, danach viele als Expertin. Wie ist das Erlebnis Olympia?

Für einen Athleten sind sie das Größte. Dafür trainierst du dein gesamtes, junges Leben. Ich hatte das Gefühl, dass die ganze Welt für 14 Tage die Luft anhielt und Olympische Spiele schaute. Zuschauer sehen sich dann auch Sportarten an, für die sie sich sonst nicht interessieren. Und Eiskunstlauf sah man plötzlich in Afrika oder Südamerika. Als Athlet hast du dadurch die Möglichkeit, über die Grenze deines eigenen Sportes zu strahlen.

2023 stehen in Oberhof gleich zwei Höhepunkte an: Die Rodel-WM im Januar und die Biathlon-WM im Februar. Das sind doch gute Anlässe für einen dritten Besuch. Haben Sie schon ein Zimmer gebucht?

Ihre Landrätin, deren Herz für den Sport schlägt, hat mich schon in ihren Bann gezogen (lacht). Im Ernst: Der Wintersport hat hier in Oberhof eine solch lange und vor allem erfolgreiche Tradition. Ich freue mich für die Fans, dass die beiden Weltmeisterschaften hier stattfinden und die Sportler gebührend zelebriert werden.

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