Ilmtal-Radweg Weniger Poller für barrierefreies Radeln

Auf dem Ilmtal-Radweg bei Langewiesen wurden an mehreren Stellen die Poller nach außen versetzt und Barrierefreiheit geschaffen. Die Markierungen und die ehemaligen Bodenhülsen sind aber noch zu sehen. Foto: Uwe Appelfeller

Der Ilmtal-Radweg kann sich erneut mit einer Vier-Sterne-Klassifizierung schmücken. Um das zu erreichen, mussten zahlreiche Poller und Schranken auf der Strecke wieder entfernt werden.

 
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Wer den Ilmtal-Radweg in den vergangenen Monaten unter die Räder genommen hat, dem wird aufgefallen sein, dass er deutlich barrierefreier geworden ist. Das betrifft vor allem Poller und Schranken. Viele wurden jetzt abgebaut. Der Grund: Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat die 123 Kilometer vom Rennsteig bis zur Saale erneut mit vier Sternen ausgezeichnet, der zweithöchsten Stufe für Qualitätsradwege.

Dabei ist der Rückbau paradox, denn ursprünglich sollten Poller die Radfahrer schützen, indem sie Autos den Zugang zum Radweg versperren. Das ging aber gelegentlich nach hinten los: Die immer öfter als „Drängelgitter“ verschrienen Anlagen stellten sich zunehmend als Hindernisse für die Radfahrer selbst heraus. Zum einen sind böse Stürze dokumentiert, weil vor allem in Radler-Gruppen die hinteren Radler oft Poller zu spät sahen, die mitten auf dem Radweg installiert wurden. Weil die Poller von vorausfahrenden Radfahrern verdeckt sind, werden sie meist erst wahrgenommen, wenn ein Ausweichen kaum noch möglich ist.

Zum anderen nimmt die Zahl von Radfahrern mit Kinder- und Hundeanhängern zu. Und die haben mit ihren sperrigen Gefährten oft Probleme, die Poller-Engstellen zu passieren. Auch Fahrer von Liegerädern und bald auch Lastenrädern dürften Probleme haben. Und natürlich gab es auch schon den einen oder anderen Rollstuhlfahrer oder einfach nur Kinderwagen, der im Vorbeirollen ungewollt Bekanntschaft mit einem Poller gemacht hat.

Klar war, dass etwas getan werden musste, wenn man den guten Ruf und die Sterne behalten will: Der Ilmtal-Radweg ist deutschlandweit immer noch einer von 23 mit einer Vier-Sterne-Klassifizierung des ADFC, und eine Nach-Zertifizierung stand auf dem Plan. Übrigens erreichen bundesweit nur zwei Radwege – von mehreren Hundert - die Maximalauszeichnung von fünf Sternen.

Zertifizierung aufwendiger

Die Re-Zertifizierung, die nach drei Jahren nötig wird, gestaltet sich jedoch aufwendiger als in den letzten Jahren, weil der ADFC 2019 die Kriterien verschärft hat: Poller und Schranken gelten nun als Gefahrenquelle. Da der Ilmtal-Radweg auf seinen 123 Kilometern 61 solcher Standorte aufwies, drohten bei der Nachzertifizierung nun wegen der Einbauten erhebliche Punktabzüge in der Bewertung.

Um das zu verhindern, koordinierte das Landratsamt in Apolda – das den Ilmtal-Radweg vermarktet – Gespräche mit den drei Partnern Ilm-Kreis, Weimar und Weimarer Land sowie mit allen Anrainerkommunen. Jeder Poller- und Schrankenstandort wurde daraufhin auf seine Notwendigkeit geprüft.

Im Juni 2021 übernahm der Qualitätsbeauftragte des Weimarer Landes für den Ilmtal-Radweg, Volker Schaedel, eine Vorprüfung. Zu dem Zeitpunkt sei aber das Poller-Problem großteils schon gelöst worden, sagte er auf Nachfrage unserer Zeitung.

Insbesondere wurde zwischen dem Schutz der Radfahrer vor motorisiertem Verkehr und der Gefahr vor allem für Radfahrer mit Anhängern abgewogen. Danach wurden über die Hälfte der Poller- und Schrankenstandorte zurückgebaut, die verbliebenen immerhin zur verbesserten Wahrnehmung farblich markiert. Die Kosten dafür betrugen 8500 Euro. Den Rückbau übernahmen zum Großteil über die Bau- und Betriebshöfe der Kommunen.

Rückbau länger geplant

Der Rückbau war sogar schon vor zwei Jahren, im Sommer 2020, auf die Tagesordnung gekommen. In Ilmenau war damals, bis Frühjahr 2021, noch Alexander Grube der städtische Fahrradbeauftragte (heute Abteilungsleiter im Stadtbauamt). Aus seinen Unterlagen geht hervor, dass allein auf Ilmenauer Gemarkung sieben solcher Gefahrenquellen beseitigt wurden. So wurden in Langewiesen viermal Poller von ihren Standorten entfernt: An der Randstraße, an der Ilmbrücke zur kleinen Straße, am schmalen Weg neben der Gehrener Straße und an der Gasse zur Kleinen Straße. Dabei handelt es sich aber zum Teil auch um Stellen, an denen der Radweg später umverlegt wurde.

In Stützerbach wurde am Grenzgraben ein Blumenkübel entfernt, der mittig auf einer Brücke stand. Auch in Gräfinau-Angstedt wurden zweimal Poller (vor und nach der Ilmbrücke am Sportlerheim) entfernt. Es gab aber auch Standorte, an denen das Entfernen von Schranken nicht möglich war: Kurz vorm Annawerk wurde eine zweiflügelige Schranke zumindest ausreichend ausgeschildert und die Engstelle mit Bodenmarkierungen gekennzeichnet.

Im Ilm-Kreis wurden noch weitere Gefahrenstellen beseitigt. Bei Stadtilm wurde eine Schranke auf dem Rollborn entfernt. Ebenso wurden zwei Schranken in einer Kurve an der Klunkermühle Dienstedt geschleift, teilte Franziska Thomas vom Tourismus-Amt Weimarer Land auf Nachfrage unserer Zeitung mit.

Neben den Gefahrenstellen wurden bei der Qualitätsprüfung auch Oberflächenbeschaffenheit, Routenführung, Wegweisung, Sehenswürdigkeiten und Marketing bewertet. In Sachen Oberflächenbeschaffenheit sieht Volker Schaedel noch Verbesserungsbedarf zwischen dem Schullandheim Dörnfeld und Cottendorf sowie zwischen Kleinhettstedt, Dienstedt und Barchfeld. Kritik gab es auch an der Wegeführung über die Bundesstraße bei Griesheim.

Im Oktober 2021 waren ADFC-Prüfer den Radweg zumindest stichprobenartig abgefahren und hatten Volker Schaedels Bestandsaufnahmen nachgeprüft. Ergebnis: Für drei weitere Jahre ist der Radweg mit vier Sternen ausgezeichnet und darf das Zertifikat Qualitätsradroute des ADFC tragen.

Oft sinnfreie Hindernisse

Alles in allem überwiegt denn die Freude nach der gelungenen Re-Zertifizierung des Ilmtal-Radwegs, auch bei den Mitgliedern der hiesigen ADFC-Ortsgruppe Ilm-Kreis. Deren Vorsitzender Peter Schütz meinte, es sei „angenehm gewesen“, dass viele Poller- und Schrankenprobleme nun ohne große Diskussionen nun gelöst wurden, auch wenn dabei die Zertifizierung und nicht die Unfallgefahr im Vordergrund gestanden habe. Der ADFC Ilm-Kreis hatte schon länger verlangt, dass die störenden Poller beseitigt werden sollen, zumal sie an vielen Stellen „keinen Sinn gemacht haben“, so Schütz. Wobei im Weimarer Land noch deutlich mehr Poller entfernt worden seien als im Ilm-Kreis.

Man begrüße aber auf jeden Fall den Willen der drei Partner (Weimar, Weimarer Land, Ilm-Kreis) zur Zertifizierung – denn das sei ja ein „Will“ und kein „Muss“. Zumal das Landkreis-Trio auch Zertifizierungskosten von rund 6000 Euro zahlt, die man sich teilt – und sich dafür wieder über eine deutschlandweite Vermarktung des Radwegs durch den ADFC freuen und auf viele Radler und Touristen hoffen kann.

Der Ilmtal-Radweg sei zudem mittlerweile der einzige ostdeutsche Radweg mit einer Sterne-Zertifizierung, gibt Schütz zu bedenken. Andere Radwege wie der Werra-Radweg oder der Radweg Berlin–Kopenhagen hatten wohl die strengeren Auflagen gescheut und sich nicht erneut zertifizieren lassen.

Am 1. Mai soll nun bei einer Radler-Veranstaltung des Ilm-Kreises und des ADFC am Baumbachhaus in Kranichfeld die Urkunde übergeben werden. Die Erstzertifizierung des Ilmtal-Radwegs, aktuell wahrscheinlich der beliebteste Radweg Thüringens, war im Jahr 2011. Bisher gelangen alle früheren Re-Zertifizierungen problemlos.

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