Hospizgruppe stellt aus Bretter, die für Gedanken-Reisen und Gesprächsstoff sorgen

Begegnung und Gespräche an den Seelenbrettern: Maria Bickel, Helmut Beulich, Margitta Kaulfuß, Heike Dornberger und Susanne Stefan (von links) in der Seniorenresidenz. Foto: /frankphoto.de.

Seelenbretter. Sie haben Tradition und sind doch fast vergessen. Mitglieder der Awo-Hospizgruppe Suhl und Umgebung lassen die Tradition wieder aufleben. Und sie erfahren eine Resonanz, die genauso gewollt ist.

 
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Suhl - Eigentlich waren es Totenbretter, die eine Tradition schon im 19. Jahrhundert begründet hatten. Auf ihnen wurden Verstorbene bis zum Begräbnis aufbewahrt. Zur Erinnerung sind genau diese Bretter am Wegesrand aufgestellt worden. Meist waren sie gestaltet mit Malereien, Schnitzereien, mit Gedichten und Sprüchen. Heute gibt es diesen Brauch zwar kaum noch, aber es gibt Bretter am Wegesrand mit Sinnsprüchen. Und mit Malereien. Aus den Totenbrettern sind mit der Zeit Seelenbretter geworden.

Solche Bretter zu gestalten, über sie ins Gespräch zu kommen und Gedanken fließen zu lassen, haben sich Mitglieder der Hospizgruppe Suhl und Umgebung vorgenommen. „Wir wollten gestalten, was uns bewegt. Das hat nicht unbedingt mit dem Tod und mit Sterben zu tun“, sagt Heike Dornberger. Sie hat die Themen Leben und Liebe verarbeitet. Nicht mit einer Herz-Schmerz-Geschichte, aber mit dem, was die Liebe ausmacht zwischen Eltern und Kindern und zu sich selbst. Weil für sie der Spruch so wunderbar passt, hat sie ihn auf ihrem Seelenbrett verewigt: „Ein Leben ohne Liebe ist wie ein Garten ohne Blumen.“

Den Focus auf das zu legen, was wichtig ist im Leben, das hat die Arbeit an den Brettern bestimmt. Für Maria Bickel sind das Luftballons, der Himmel, die Sonne. Und Figuren, die nach den Luftballons greifen. „Die Luftballons stehen für mich für Ereignisse, für Ziele und Wünsche, die vielleicht unerreichbar sind, die weitergetragen werden. Und manchmal muss man sich auch von einem Wunsch oder einem Ziel verabschieden so wie von einem Luftballon, der in den Himmel steigt“, sagt Maria Buckel.

„Vertreibung Nummer II“ hat Susanne Stefan ihr Seelenbrett genannt. Grundlage ist die Geschichte ihres Vaters, der als Dreijähriger aus dem Sudetenland vertrieben wurde. Und nun, Jahrzehntespäter, verlor er ein zweites Mal einen lieb gewonnenen Ort, weil es keine Möglichkeit einer Einigung gab, aber Willkür. So gibt es viele Geschichten, Erlebnisse, Empfindungen, die auf den Seelenbrettern ihren Platz gefunden haben. Und die wiederum bleiben nicht im stillen Kämmerlein stehen, sondern finden ihren Platz dort, wo es Begegnungen gibt. Die Bretter mit ihren ganz besonderen Botschaften sind bereits im Awo-Seniorenheim auf dem Döllberg präsentiert worden, danach anlässlich des Welthospiztages in der Kirche. Jetzt sorgen sie in der Seniorenresidenz Am Bahnhof für Gesprächsstoff und Gedanken-Reisen.

Bei Margitta Kaulfuß zum Beispiel. Die 78-Jährige hat ihren Mann vor zwei Jahren verloren. Kurz darauf erkrankte ihr Sohn so schwer, dass er Intensiv-Pflege im benachbarten Pflegezentrum Johannispark braucht. Sie besucht ihn regelmäßig. „Das als Mutter zu erleben, ist sehr, sehr schwer. So ein junger Mann und dann so ein Elend ... Wenn ich nun vor den Seelenbrettern stehe, empfinde ich manches als Gedankenübertragung. Da sind etliche Parallelen. Wenn ich an den Brettern vorbeikomme, bleibe ich oft stehen und lasse meinen Gedanken ihren Lauf. Dass die Schwestern im Heim mir zuhören, das erleichtert sehr.“

Der 94-jährige Helmut Beulich hat auch schon seine ganz eigene Beziehung zu den gestalteten Brettern entwickelt. Er ist vor einiger Zeit mit seiner Frau in das Heim gezogen, weil er sie, die schwer erkrankte, nicht mehr alleine betreuen, aber auch nicht allein lassen konnte. „Schließlich waren wir 64 Jahr lang verheiratet“, sagt Helmut Beulich. Seine Frau ist gestorben. Er lebt nun weiter in der Seniorenresidenz der Volkssolidarität. Kommt er an den Seelenbrettern vorbei, erinnern sie ihn an seine Frau. An ihren gemeinsamen Umzug in das Heim. Letztendlich an ihr ganzes gemeinsames Leben.

„Diese Ausstellung passt zu uns. Die Bewohner kommen über diese Seelenbretter miteinander ins Gespräch“, sagt Matthias Kunze, Mitarbeiter der Geschäftsleitung der Volkssolidarität, Regionalverband Südthüringen. Miteinander ins Gespräch gekommen sind auch die Mitglieder der Hospizgruppe. „Wir, die wir zwar in einer Gruppe arbeiten, uns aber nicht so oft sehen, haben über das gemeinsame Gestalten der Bretter viele Gemeinsamkeiten im Denken und Erleben gefunden“, sagt Maria Bickel.

Die Seelenbretter sind übrigens als Wanderausstellung konzipiert. Wer Interesse daran hat, kann sich gern bei der Hospizgruppe unter der Telefonnummer 0 36 81/3 97 78 33 melden.

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