Holocaust-Gedenken Neue Stolpersteine vor der „Brockenburg“

red
Historische Ansicht des „Ghettohauses“ in der Meininger Sachsenstraße. Foto: /Stadtarchiv Meiningen

„80 Jahre danach“ – so heißt das Projekt, mit dem die Stadt Meiningen an die Deportationen der jüdischen Einwohner erinnert. Höhepunkt ist der Besuch von Nachfahren Meininger Juden, die dafür auf Einladung der Stadt extra aus Bolivien anreisen.

 
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Mit dem Projekt „80 Jahre danach“ erinnert die Stadt Meiningen an die Deportationen der Jüdinnen und Juden. Im Vordergrund stehen bei den Aktionen die Sichtbarmachung der Personen, die hier einst gelebt haben und der Orte, die sie bewohnt haben. Höhepunkt wird der Besuch der beiden Urenkelinnen von Helene Schöngut sein, die auf Einladung der Stadt Meiningen aus Bolivien anreisen, um der Erinnerung an die Deportation im September 1942 beizuwohnen.

Nach Jahren der rechtlichen und gesellschaftlichen Ausgrenzung der Meininger Juden wurden diejenigen, die es nicht geschafft hatten, rechtzeitig Deutschland zu verlassen oder die ihre Heimat nicht verlassen wollten, in so genannte „Judenhäuser“ gezwängt. Dort mussten die Menschen auf ihre Deportation warten. Da die Menschen in diesen Häusern auf engstem Raum zusammenleben mussten und auch keinen Kontakt mehr zur Außenwelt hatten, wurden diese Häuser auch „Ghettohäuser“ genannt.

Ab Ende 1941 „Judenhaus“

In Meiningen befand sich der zentrale Sammelpunkt für jüdische Bewohner in der Sachsenstraße 5/6. Man erzählt sich, dass dieses Haus nach dem großen Stadtbrand von 1874 aus Trümmern beziehungsweise Brocken neu aufgebaut wurde. Deswegen heißt das Haus im Volksmund bis heute „Brockenburg“. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte das Haus der Jüdin Helene Schöngut, die ursprünglich aus Breslau stammte. Die Familie Schöngut – Helene und ihr Mann Ignatz sowie die drei Kinder Thea, Heinrich und Ludwig – müssen um die Jahrhundertwende aus dem Osten des damaligen deutschen Reiches nach Meiningen eingewandert sein. Die jüngste Tochter Irma wurde 1904 in Meiningen geboren und verstarb bereits mit 27 Jahren. Helene Schöngut übertrug ihr Haus in der Nazi-Zeit ihrer Enkelin Ellen Krauss, die einen deutschen Vater hatte. Das Haus wurde spätestens ab Ende 1941 als „Judenhaus“ missbraucht.

Am 9. Mai 1942 deportierten die Nationalsozialisten mindestens 41 jüdische Bürger aus Meiningen im Alter zwischen sieben und 62 Jahren in das Ghetto Bełżyce bei Lublin. Nach der Auflösung des Ghettos am 22. Mai 1942 wurden die Menschen von dort aus in die Vernichtungslager der Nazis deportiert und ermordet.

Am 19. September folgte eine weitere Deportation, der so genannte „Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt. Mindestens 35 Personen aus Meiningen, die meisten älter als 70 Jahre, waren davon betroffen. Unter den deportierten Menschen befand sich auch Helene Schöngut. Sie starb im Mai 1943 in Theresienstadt. Ihre in Bolivien lebenden Urenkeltöchter kommen nun auf Einladung der Stadt zur Verlegung der Stolpersteine in der Sachsenstraße nach Meiningen.

Stolperstein-Verlegung

Neben der Stolpersteinverlegung am 19. September um 16 Uhr vor dem Haus in der Sachsenstraße wird es am gleichen Tag um 19 Uhr ein Gespräch mit Lilian und Deborah Schöngut-Sierre in der Stadt- und Kreisbibliothek „Anna Seghers“ geben.

Zudem soll es in den kommenden Tagen für Jugendliche die Möglichkeit geben mit dem Meininger Graffiti-Künstler Emanuel Klee am ehemaligen „Ghettohaus“ ein Graffito anzubringen, das an die verhängnisvolle Geschichte des Hauses erinnert.

Anmeldung zu allen Veranstaltungen sind möglich per E-Mail unter helbing@stadtmeiningen.de oder der Telefonnummer (03693) 454-597.

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