Überhaupt prägt neben dem THW die Bundeswehr das Bild in Rech, auch etwa zwei Wochen nach der Flut, die hier wirklich eine Sturzflut gewesen sein muss. Das Wasser war hier noch viel, viel zerstörerischer als etwa in Bad Bodendorf, das deutlich weiter flussabwärts, nahe der Mündung der Ahr in den Rhein liegt. Weil das Wasser sich in dem engen Tal – anders als im Mündungsgebiet – nicht nach links und rechts ausbreiten konnte, rauschte es umso zerstörerischer, todbringender in Richtung des Rhein.
Etwa 20 Häuser in Rech sind durch die Flut völlig zerstört worden. Alles in allem hat das Wasser 60 Prozent der Häuser im Ort beschädigt. Eine große Steinbrücke, die vor noch gar nicht so langer Zeit die beiden Ufer miteinander verbunden hatte, ist zerstört, ihre Reste ragen traurig aus dem Wasser. Soldaten haben deshalb eine Ersatzbrücke für Fahrzeuge über den Fluss gespannt, über die nur fahren darf, wer sich von den Soldaten an beiden Enden einweisen lässt. Neben der Brücke steht ein Pionierpanzer. Überall in Rech sind neben THWlern, Feuerwehrleuten, Polizisten, Rot-Kreuzlern, freiwilligen zivilen Helfer auch Soldaten zu sehen.
Diese hier so willkommene Omnipräsenz der Streitkräfte trägt dazu bei, dass nicht nur Eckstein und Höfling davon überzeugt sind, dass es eigentlich nur eine Sache gibt, die mit dem, wie es im Ahrtal in vielen Ortschaften nach der Flut aussieht, vergleichbar ist: Krieg.
Schon an ihrer ersten Einsatzstelle in Kreuzberg – etwa vier Kilometer westlich von Rech – habe er sich wie nach einer Schlacht gefühlt, sagt Höfling. „Überall Trümmer, die ganze Zeit Hubschrauber im Tiefflug. Du kamst Dir vor wie im Krieg.“
Für Eckstein sind diese Art Eindrücke sogar noch persönlicher. Er, sagt er, sei um die Jahrtausendwende als Bundeswehrsoldat Teil der KFOR-Truppen und damit im Kosovo im Einsatz gewesen. Was er nun an der Ahr und ganz besonders in Rech erlebe, sei „wie damals“. Nur in zwei Details unterscheide sich die Szenerie hier von dem, was er damals in kosovarischen Dörfern an Zerstörung gesehen habe. „Damals waren an den noch stehenden Häusern überall Einschusslöcher.“ Außerdem sei damals der Müll nicht getrennt und auf offener Straße verbrannt worden. Ansonsten: „Absolute Parallelen.“
Derlei Eindrücke freilich hinterlassen auch bei den Helfern Spuren, die nach einer kurzen Mittagspause wieder ins Halbdunkel des Kellers hinabsteigen. Die eigentlich friedliche Ahr, nebenan liegende Bäche, die in den vergangenen Sommern eigentlich fast ausgetrocknet waren und sich in der Flutnacht in reißende Ströme verwandelt haben… Manche Helfer, sagen Eckstein und Höfling, würden auch in der Nähe solcher Bäche wohnen. In Suhl gebe es da doch die Hasel, die Lauter. „Und Suhl liegt ja auch in einem Tal“, sagt Eckstein. „Da wird einem wirklich ganz anders und man weiß zu schätzen, was man hat.“ Er meint damit auch: „Noch hat“, und morgen vielleicht schon verloren haben könnte.
In dem Keller gibt es an diesem Tag noch mehrere sehr schwere und extrem schwere Weinfässer zu bergen und aus dem künstlichen Licht der Strahler und Stirnlampen ans Tageslicht zu bringen. Von ihnen kommt die fruchtige Note des modernen Geruchs. Dieser Keller, der ganz hinten ein Loch hat, durch den man in den Himmel schauen kann, gehört zu einem Weingut in Rech, das völlig zerstört worden ist. Nicht wenig von dem dort gelagerten Wein ist Teil des Schlamms geworden, der noch immer in so vielen Ecken klebt.
Gemessen daran, dass die komplette Infrastruktur in Rech zerstört ist – keine Brücken, keine Straßen, kein Strom, kein Wasser – scheint dieser Dreck nur eine Kleinigkeit zu sein. Doch wenn der Ort jemals wieder aufgebaut werden soll, muss auch dieser Restschlamm weg. Eckstein, Höfling, die anderen THWler ebenso wie alle anderen Helfer arbeiten in diesem Dreck deshalb mit der gleichen Hingabe wie an Leitungen und Kabeln, an Brücken und Straßen. Sie werden noch lange gebraucht werden.
„Freies Wort hilft“ nimmt weiter Spenden für die Hochwasseropfer entgegen. Wir unterstützen besonders bedürftige Familien, Kinder und Einzelpersonen im Ahrtal.
Spendenkonto: DE39 84050000 1705 017 017
Verwendungszweck Flut 2021
Spenden sind steuerlich absetzbar. Jeder Euro kommt direkt bei den Betroffenen an.