Hochschulgeschichte Schmalkalder Absolventen bevorzugt

Norbert Krah

In diesem Jahr begeht die Hochschule ihre 120-jährige Gründung als „Königliche Fachschule für Kleineisen-und Stahlwaren-Industrie zu Schmalkalden“. Wir stellen die Geschichte dieser höheren Bildungsstätte bis zur Gründung der Fachhochschule vor.

 
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Die sehr fleißigen Studierenden aus Vietnam hatten teilweise direkt im Vietnamkrieg gegen die USA mit schrecklichen Erfahrungen gekämpft und erhielten nun an der Ingenieurschule eine deutsche Sprachausbildung für die nachfolgende Facharbeiterlehre. Foto:  

Die Ingenieurschule Schmalkalden hatte sich in den 1950er-Jahren, dem ersten Jahrzehnt ihres Bestehens, innerhalb des Ingenieurschulwesens in der DDR wegen des guten Rufes, den ihre Absolventen in der Praxis hatten, einen, wie es hieß „in der Republik bekannten und geschätzten Namen erworben“. Da in dieser Zeit bis 1961 auch viele Schmalkalder Studierende nach Abschluss ihres Studiums, meistens über die offene Berliner Sektorengrenzen über West-Berlin, in der Bundesrepublik ihre Berufslaufbahn begannen bzw. fortsetzten, warb man Ingenieure in einer Stellenanzeige der „VDI nachrichten“ mit dem Hinweis „… Absolventen der Ingenieurschule Schmalkalden bevorzugt.“

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Ingenieurökonomie, Konstruktion und Instandhaltung

Um über die seit den 1950er-Jahren angebotene Fachrichtung Technologie des Maschinenbaus hinaus, ein breiteres fachliches Studien- und Forschungsgebiet an der Ingenieurschule Schmalkalden zu etablieren und auch, um noch weitere Studienbewerber zu gewinnen, wurden Ende 1960 in Arbeitsgruppen drei neue Fachrichtungen konzipiert. Das vom Ministerium bestätigte Konzept präsentierte die Ingenieurschule auf einer Zentralen Fachkonferenz des Hoch- und Fachschulministeriums an der Technischen Universität Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz.

Die Fachrichtung Ingenieurökonomie

Die Fachrichtung Ingenieurökonomie war an der Ingenieurschule Schmalkalden ab 1970 eine spezielle DDR-Sonderstudienform, das „Frauensonderstudium“. Es stellte eine der Förderungen für berufstätige Frauen und Mütter dar, indem sehr günstige Möglichkeiten geschaffen wurden, um Familie, Beruf und Studium organisatorisch und finanziell zu bewältigen. So mussten die Firmen und Institutionen, in denen die Frauen beschäftigt waren, diese gesetzlich abgesichert bei voller Lohnfortzahlung und Arbeitsplatzerhalt für das Studium freistellen, sowie mit weiteren Vergünstigungen unterstützen. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums war ein qualifizierter Arbeitsplatz anzubieten.

Ingenieurökonomie, vergleichbar mit dem heutigen Wirtschaftsingenieurwesen, war ein interdisziplinärer Studiengang, der sich aus naturwissenschaftlichen, ingenieurtechnischen, wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Lehrinhalten zusammensetzte. Für diesen völlig neu zu vermittelten Fächerkanon musste die Ingenieurschule externe Dozenten zusätzlicher Fachkompetenz in die Lehre integrieren.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die vorwiegend männlichen Dozenten sehr gerne in den Frauenseminargruppen lehrten und Laborveranstaltungen durchführten. Die Stu-dierenden zeichneten sich durch eine sehr hohe Studiendisziplin aus, da sie in der Praxis parallel zum Studium meistens schon Leitungsaufgaben wahrnahmen.

Geleitet wurde der neue Studiengang vom langjährigen Studiendirektor Dipl.-Ing. Heinrich Heller, der es verstand, die immer wieder einmal auftretenden Probleme zwischen den Lehrenden und den auch schon über reichlich Lebens- und Berufserfahrungen verfügenden Studentinnen zu vermitteln.

Von den beiden zuständigen Berliner Ministerien wurden die Konzepte für die neue Studienform „Frauensonderstudium“ und für drei neue Fachrichtungen in den 70er-Jahren bestätigt.

Die Fachrichtung Werkzeugmaschinenbau / Konstruktion

Wenn auch den Studierenden der Fachrichtung Technologie grundsolide Fähigkeiten, besonders auf dem Gebiet der Betriebsmittelkonstruktion, vermittelt wurden, so forderte die Wirtschaft zunehmend fachlich vertieft ausgebildete Konstrukteure. Deshalb wurde 1972 an der Ingenieurschule die Fachrichtung Werkzeugmaschinenbau/Konstruktion eingeführt. Mit der Vorbereitung und der Studiengangsleitung war Abteilungsleiter Heinrich Heller beauftragt. Gegenüber der Fachrichtung Technologie waren sowohl in einigen Grundlagenfächern als auch in weiterführenden Lehrgebieten Veränderungen im Inhalt und Umfang sowie Ergänzungen notwendig.

So musste z. B. in der Mathematik und Physik der Schwingungslehre größere Beach-tung geschenkt werden. Im Fach Mechanik galt dieses für die Statik und Dynamik von Maschinen. Die Fächer Automatisierungstechnik und Hydraulik wurden auf die neue Fachrichtung akzentuiert ausgerichtet und im Stoffumfang vergrößert.

In den Fächern Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik wurde verstärkt auf die Entwicklung und den Einsatz programmgesteuerter Werkzeugmaschinen und ab Mitte der 1980er-Jahre auf CNC gesteuerte Werkzeugmaschinen und Bearbeitungszentren eingegangen. Die vom Fachgruppenleiter Dipl.-Ing. Alfred Friedrich entwickelten Ver-suchsstände zur Projektierung von Steuerungen für Sondermaschinen und Handhabegeräte sowie seine in der Praxis erprobten Lösungen (Schmiedehammer, Stanzerei, Do-sier- und Etiketttierautomat) konnten für diese Fachrichtung besonders gut genutzt wer-den. Das von ihm geleitete Labor für Automatisierungstechnik besaß Laborversuchsstände, die fast alle von ihm spezifisch konzipiert und immer dem neuesten technischen Entwicklungsstand angepasst waren.

Das Lehrgebiet Konstruktion wurde für diese Fachrichtung vom Dozenten Dipl.-Ing. Klaus Felber inhaltlich strukturiert und vermittelt. Er hatte selbst viele Jahre in der Praxis gearbeitet und war Autor bzw. Mitautor von Fachbüchern, die in der DDR zur Pflichtlite-ratur an Ingenieur- und auch an Hochschulen gehörten. 1986 erschien in der 13. Auflage sein Lehrbuch „Toleranzen und Passungen“. 1987 führte er in dieser Fachrichtung über ein Projekt im Studentenwettstreit die „Rechnergestützte Bohrkopfkonstruktion“ ein und bearbeitete mit Studentengruppen u. a. Bohr- und Fräskopfkonstruktionen für den VEB Werkzeugmaschinenfabrik Viernau.

Um den auch über die normalen Lehraufgaben hinaus engagierten Studierenden die Möglichkeit zu geben, Sonderkonstruktionen vornehmen zu können, richtete die Ingeni-eurschule ein so genanntes SKRB – Studentisches Konstruktions- und Rationalisie-rungs-Büro – mit moderner Konstruktions- und Computertechnik ein, das vom Fach-gruppenleiter Dr. Walter Lehmann geleitet wurde. Eine technische Zeichnerin und Hilfsassistenten standen den Studierenden im SKRB für Fragen zur Verfügung. Im SKRB kam auch 1987 der mit DM-Valuta bezahlte erste voll interaktiv-grafikfähige CAD-Hewlett-Packard PC mit Plotter zum Einsatz. Er war online mit dem im Erdgeschoss befindlichen Ingenieurschul-CNC-Labor von Fachgruppenleiter Dozent Dipl.-Ing. Dieter Graubner verbunden. Über dieses komplexe System der Hochtechnologie wird demnächst mehr berichtet.

In der Fachrichtung Werkzeugmaschinenbau studierten zeitweise bis zu 50 Prozent Frauen. Wegen der damaligen Verstärkung des eigenen Rationalisierungsmittelbaus in den Firmen der DDR wurden die Schmalkalder Ingenieurabsolventen für Konstruktion von Firmen besonders gesucht und sehr gerne eingestellt.

Die Fachrichtung Instandhaltung

1974 wurde an der Ingenieurschule die Fachrichtung Instandhaltung industrieller Aus-rüstungen als vierte Fachrichtung angeboten. Während die Fachrichtung Technologie von den Studiendirektoren Dipl.-Ing. Gerhard Reumschüssel als Abteilungsleiter und Dipl.-Ing. Werner Recknagel als Stellvertreter geleitetet wurden, waren die anderen Fachrichtungen Ingenieurökonomie, Werkzeugmaschinenbau und Instandhaltung den Studiendirektoren Dipl.-Ing. Heinrich Heller, als Abteilungsleiter, und dessen Stellvertreter, Dr.-Ing. Norbert Krah, zugeordnet.

An einer Ingenieurschule, die seit mehreren Jahrzehnten eine „Hochburg der Techno-logie der Metallindustrie“ war, bedeuteten die Gründungen der Fachrichtungen Ingenieurökonomie, Werkzeugmaschinenbau und Instandhaltung folgerichtige Schritte für die Entwicklung und Profilerweiterung der Ingenieurschule zu einer praxisnahen, wissenschaftsorientierten Institution. Diese konnte nun mit dem erweiterten Fachrichtungsangebot den Forderungen und Bedürfnissen der Industrie an das Studium sowie im Forschungs- und Weiterbildungsbereich einer Ausrichtung für eine ganzheitlichen Betrachtung eines Maschinenbau-Fabrikbetriebes besser gerecht werden.

Diese vier Fachrichtungen im Studienangebot bildeten den Gesamtbetrieb, von der Produktentwicklung und Konstruktion über die Fabrikprozess- und Fabrikplanung, die Ökonomie bis zur direkten und vorbeugenden Instandhaltung. Die fachspezifische Ausrichtungen für die Fachrichtung Instandhaltung gestalteten die Dozenten Frank Gerbig, Dr. Stefan Svoboda, Hans-Werner Reinhard, Alfred Mohrmann, Volker Usbeck, Dr. Georg Wagner, Dr. Hans-Dieter Schmalz und Dr. Norbert Krah in den spezifischen Lehrveranstaltungen und in den neuen Labors.

Wie schon im vorherigen Teil ausgeführt, war der Fachgruppenleiter und spätere Pro-fessor Frank Gerbig die prägende lehrende und forschende Persönlichkeit dieser Fach-richtung. Er verstand es, mit dem Aufbau des Fachgebietes und Labors „Tribotechnik und Technische Diagnostik“ innerhalb der Fachrichtung einen besonderen Bereich eines wissenschaftlichen Heraushebungsmerkmals für die Ingenieurschule Schmalkalden zu entwickeln, das in den 1980er-Jahren weit über die Ländergrenzen der DDR hinaus international bekannt wurde. Gleichzeitig entwickelte er zusammen mit Dr. Norbert Krah ein Weiterbildungsmodul „Grundlagen und Anwendung mathematisch-statistischer Modelle für eine präventive Instandhaltung“ dessen Lehr- und Laborveranstaltungen von Ingenieuren aus dem gesamten Thüringer Raum angenommen wurde.

Die Studierenden der Fachrichtung Instandhaltung zeichneten sich häufig schon durch ihre Berufsabschlüsse als Instandhaltungsmechaniker gegenüber den der anderen Fachrichtungen dadurch aus, dass sie schon während ihres Studiums vielseitig, auch handwerklich, an und für die Ingenieurschule tätig waren. So waren sie u. a. im braunkohlenbetriebenen Heizhaus für das Heizsystem der Ingenieurschule, mit Lehrgebäuden, Verwaltung, Mensa und Wohnheim, eine große personelle Stütze als tarifgerecht bezahlte Hilfsheizer und geprüfte Kesselwärter, außerhalb der Lehre. Dafür nutzte die Ingenieurschule im Lehrfach Wärmeversorgung und Wärmelehre das Kesselhaus der Ingenieurschule mit seinen Teilsystemen als Labor zur praktischen Wissensvermittlung. Das theoretische Wissen mit den erworbenen praktischen Kenntnissen wurde als Pflichtlehrfach geprüft und wer wollte, konnte eine zusätzliche staatliche Kesselwärterprüfung ablegen. Viele Studenten nutzten diese Möglichkeit.

Oberstudiendirektor Dr.-phil. Robert Ullrich wird Direktor

Im Juni 1977 wurde Oberstudiendirektor Dr.-Ing. Heinz Kolb vom Minister von seiner Aufgabe als Direktor der Ingenieurschule Schmalkalden entbunden und gleichzeitig Oberstudiendirektor Dr.-phil. Robert Ullrich als Direktor berufen. Ullrich gehörte seit 1951 dem Kollegium an und lehrte seit dem in den philosophischen Teilfächern der marxistischen Philosophie und seinen zeitbezogenen wechselnden Erkenntnispositionen. 1952 wurde er Stellvertreter des Direktors für Studentenangelegenheiten. Später promovierte er als Gesellschaftswissenschaftler zum Doktor der Philosophie.

Ullrich zeichnete sich als 1. Stellvertretender Direktor für die vorgesehene gesellschaftswissenschaftliche politisch-ideologische Ausrichtung des Studiums verantwortlich und sah aus dieser Perspektive auch als Direktor weiterhin eine wichtige Aufgabe auf diesem Feld. Die ingenieurwissenschaftliche Weiterentwicklung der Schule übertrug er seinem Stellvertreter für Aus- und Weiterbildung, Studiendirektor Dipl.-Ing. Walter Herder, der diese, wie im vorhergehenden Teil beschrieben, sehr kreativ ausfüllte.

* Unser Autor war ab 1967 als Dozent und ab 1985 bis 1992 als Direktor der Ingenieurschule Schmalkalden und danach bis 2008 als Professor der Fachhochschule Schmalkalden tätig und hat 2002 in dem Buch „Die Fach- und Ingenieurschule Schmalkalden (ISBN 3-934572-521-0) eine ausführliche Abhandlung verfasst, die als Grundlage für diese Serie dient.