Es sei ausschließlich um die Sicherheit gegangen, sagte er mit Blick auf die Absage. "Nach Fragen an die Polizei haben wir die Veranstaltung abgesagt, weil wir befürchteten, dass die Situation eskalierte. Es waren eine Demonstration und eine Gegendemonstration angekündigt", so der Sprecher. Es müsse möglich sein, dass auch umstrittene Personen Vorträge halten. "Für die Handhabung von solchen Situationen sind Hochschulen derzeit nicht gut aufgestellt", so Nitzsche.
Die Absage mit Sicherheitsbedenken zu begründen, sei eine absolute Unverschämtheit, kritisierte der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch ("Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen") auf Twitter. Sie unterstelle Gewalttätigkeit. In Wirklichkeit haätten die Uni-Leitung oder die von ihr mit der Planung Beauftragten "erst bei der Programmgestaltung geschlafen und dann versucht", das "selbst verursachte Problem hastig und mit großer intellektueller und organisatorischer Feigheit aus der Welt zu schaffen".
Die Gruppierung "Arbeitskreis kritischer Jurist*innen" hatte zu Protest aufgerufen. Vollbrechts Aussage, in der Biologie gebe es nur zwei Geschlechter, sei "unwissenschaftlich", "menschenverachtend" und "queer- und trans*feindlich", heißt es in einer Stellungnahme.
Vortrag auf Youtube zu finden
Vollbrechts Vortrag ist auf Youtube zu finden und hatte am Montagnachmittag rund 50.000 Zugriffe. Darin erklärt die Forscherin, warum es ihrer Ansicht nach nur zwei biologische Geschlechter gibt und dass das biologische Geschlecht vom sozialen Geschlecht (Gender) zu unterscheiden sei. Sie wolle niemandem etwas Böses, sagte Vollbrecht in der "RBB-Abendschau". "Ich habe immer gesagt: Es geht hier nur um Biologie. Es geht hier nicht um Politik oder Meinungen außerhalb der Uni."
Universitäten seien Stätten geistiger Auseinandersetzung, so Hochschulverbands-Präsident Kempen. "Hier muss jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler ihre und seine Forschungsergebnisse, Thesen und Ansichten ohne Angst zur Diskussion stellen können." Differenzen zu Andersdenkenden seien im argumentativen Streit auszutragen. "Boykott, Bashing, Mobbing oder gar Gewalt dürfen keinen Erfolg haben."
Vollbrecht war im Juni mit anderen Autoren in die Kritik geraten. Sie schrieben in einem "Welt"-Beitrag kritisch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wo in Sendungen ihrer Ansicht nach "geleugnet" worden sei, "dass es nur zwei Geschlechter gibt". In dem Beitrag stand auch, Kinder würden "indoktriniert" und "aufdringlich sexualisiert".
Am Wochenende hatte HU-Sprecherin Birgit Mangelsdorf "faz.net" erklärt, die "Meinungen", die Vollbrecht in dem Artikel vertreten habe, stünden nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten. "Wir distanzieren uns daher von dem Artikel und den darin geäußerten Meinungen ausdrücklich", so Mangelsdorf. Sprecher Nitzsche sagte am Montag, die Entscheidung, den Vortrag abzusagen, habe mit dem umstrittenen Artikel in der "Welt" nichts zu tun.