Herzinfarkt im LKW Nur einer hält an, um Ebersdorfer zu helfen

Von Corinna Rösler

Mit nur 33 Jahren erlag der Ebersdorfer Lars Rempt einem Herzinfarkt. Er saß gerade am Steuer seines Lkw. Kevin Hudson findet ihn, setzt den Notruf und filmt, was dann geschieht.

 
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Lars Rempt am Steuer seines geliebten Lkw. Foto: Privat

Ebersdorf - Es ist der Dienstag vergangener Woche. Der 33-jährige Lars Rempt setzt sich früh gegen 5 Uhr ans Steuer seines Lkw. Es geht Richtung Osnabrück. Eigentlich hätte er schon am Montag fahren sollen, aber das Wetter war zu schlecht. Schneechaos auf den Straßen.

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Am Dienstag ist es zwar kaum besser, „aber so ist das für Lkw-Fahrer“, sagt Lars’ Vater Maik Rempt: „Die Kunden wollen ihre Ware, wir alle die Lebensmittel im Supermarktregal.“

Lars hat schon aus- und wieder neu geladen, als er gegen 18 Uhr mit seinem Kumpel Christian Rommel telefoniert. Er erzählt von einem Kribbeln im Hals, einer tauben Zunge.

Kurze Zeit später klingelt das Telefon bei Lars‘ Eltern in Ebersdorf bei Coburg. „Da war die Steffi dran, Lars‘ Freundin“, erzählt Maik Rempt. Lars sei mit einem Krankenwagen weggefahren worden, es habe wohl eine Reanimation stattgefunden. „Wir haben versucht ihn zu orten, haben sämtliche Polizeidienststellen und Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen durchgerufen“, erinnert sich der Vater. Gegen 22 Uhr, kurz bevor Lars‘ Mutter von der Spätschicht kommt, hält ein Streifenwagen in Ebersdorf vor Lars‘ Elternhaus. Lars ist tot. Ein Herzinfarkt am Steuer seines geliebten DAF.

Im letzten Moment hat Lars den Lastwagen wohl noch nach rechts in eine Schneeverwehung lenken und damit Schlimmeres verhindern können.

Kevin Hudson, ein 27-jähriger Lkw-Fahrer aus Nordrhein-Westfalen, hat Lars entdeckt. „Zwei Lkw waren rechts im Graben“, erinnert er sich in einem Video, das er ins Netz gestellt hat, an seine Fahrt an jenem Dienstagabend. Beim dritten Lkw fällt ihm auf, dass etwas nicht stimmt: Das Licht ist aus, aber der Motor läuft. Er hält mit Warnblinkanlage auf der Höhe der etwas nach rechts abgewandten Kabine an. Er hupt, er bekommt aber keine Reaktion. Er öffnet die Tür und erkennt den leblosen unbekannten Kollegen, im Sitz etwas nach rechts gekippt.

In seinem Video schildert Kevin, was er dann, nachdem er den Notruf abgesetzt hat, erfahren musste: Vier Lkw sind einfach weitergefahren, der Fahrer eines Kleintransporters hat zwar kurz angehalten, aber nicht geholfen, wie versprochen. Erst ein fünfter Fahrer hält an und hilft. Seinem Ärger über dieses Verhalten macht Kevin Hudson in einem Video Luft, das gerade tausendfach in den sozialen Medien geteilt wird.

Lars ist bereits der sechste Lkw-Fahrer, der in diesem noch jungen Jahr, aus gesundheitlichen Gründen gestorben ist. Die meisten waren älter, 50 aufwärts. Schon einmal, vor drei, vier Jahren hatte Lars, erzählt sein Vater, einen kleinen Herzinfarkt, wie man bei einer Routineuntersuchung festgestellt habe. „Damals hat er mit den Nachtfahrten aufgehört.“

Maik Rempt ist auch Lkw-Fahrer, dessen Vater war es ebenfalls. Genau wie der Schwiegervater. „Auch er ist mit 58 Jahren an einem Herzinfarkt im Lkw gestorben“, erinnert sich der Ebersdorfer.

Auch Lars‘ Vater ist fassungslos, dass so viele Verkehrsteilnehmer am Lkw seines Sohnes vorbeigefahren sind. „Wer weiß, ob es etwas gebracht hätte, ob er noch am Leben wäre, hätte man ihn früher aus dem Lkw geholt“, sagt er. „Wahrscheinlich nicht. Aber es geht ums Prinzip.“ Er selbst habe in seiner Zeit als Lkw-Fahrer so oft bei Unfällen angehalten und wisse daher, dass man einen Fahrer alleine gar nicht aus dem Lkw holen könne: „Da braucht es einfach mehr Leute.“ Maik Rempt ärgert die Gleichgültigkeit der Verkehrsteilnehmer: „Ganz davon abgesehen, ob mein Junge hätte überleben können: Der Wille zählt.“ Er will die Verkehrsteilnehmer sensibilisieren, anzuhalten, wenn ein Fahrzeug am Seitenstreifen steht: „Einfach kurz anhalten und nachfragen, ob alles okay ist oder ob man helfen kann – das dauert keine fünf Minuten“, sagt Maik Rempt und verweist auf den immer größer werdenden Zeitdruck, der aus seiner Sicht gerade bei den Lkw-Fahrern zu einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko führt. Just in time solle geliefert werden, dann finde man für die wichtigen Ruhezeiten nur noch schwer Stellplätze.

Die Corona-Situation verschlimmere diese Situation zusätzlich: Staus an den Grenzübergängen, Sanitäranlagen sind kaum geöffnet, et cetera. „Der Stress wird immer größer.“ Das kennt auch Rico Steinmann aus seiner langjährigen Zeit als Lkw-Fahrer. Er will nicht nur die anderen Verkehrsteilnehmer sensibilisieren, mehr Acht zu geben. Vielmehr fordert er verpflichtende Erste-Hilfe-Kurse in regelmäßigen, kurzen Abständen: „Der Großteil der Verkehrsteilnehmer hat seit dem Führerschein keinen Erste-Hilfe-Kurs mehr gemacht. Viele haben in einer Notsituation Angst, nicht helfen zu können.“

Für Lars kam jede Hilfe zu spät, aber seine Familie und Freunde wollen auf die Situation auf den Straßen, den Druck auf die Lkw-Fahrer und die damit verbundenen Risiken aufmerksam machen.

„Lkw-Fahren war Lars‘ Leben“, sagt sein Vater. Mit 22 oder 23 Jahren hat er seinen Lkw-Führerschein gemacht. Dann ging es ab auf die Straße. Für verschiedene Speditionen ist Lars gefahren. Zuletzt für Mülzer Transporte aus Rietberg. Mit seinem schwarz-grünen DAF war Lars auch auf Trucker-Treffen und Festivals gern gesehen, erst vor Kurzem haben er und seine Freunde der VIP-Trucker noch eine Spendenaktion für die Franken-Strolche unterstützt. Mit dem neuen silbergrauen DAF war Lars am Dienstag letztmals unterwegs.

Seine Freundin Stefanie Kraus wird die Urne mit Lars‘ Asche am heutigen Freitag selbst zum Friedhof fahren. Auch sie ist Lkw-Fahrerin. Mit dabei sind einige Lkw-Fahrer, die mit ihren Trucks durch Ebersdorf, am Friedhof vorbeifahren und Lars ein letztes Mal zuhupen werden.

Die riesige Anteilnahme bewegt Lars‘ Familie sehr. „Das tut gut zu sehen, wie viele ihn geschätzt haben“, beschreibt Lars‘ Vater. Er macht eine Pause und sagt dann: „Da – gerade eben war wieder ein schwerer Lkw-Unfall im Fernsehen zu sehen.“