Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts hatte Oberlind sich als wirtschaftliches Zentrum längst etabliert. 1441 bestand im Ort Schankrecht und – häufig mit Bezug zum Verkehr auf der Handelsstraße – auch mehrere Handwerksinnungen. Den Aufstieg des Dorfes dokumentierte auch die Kirche St. Aegidius, die 1455 spätgotisch erweitert wurde. Ohne die günstige Lage an der Straße ist auch dieser Kirchenbau kaum vorstellbar. Ablassbriefe, ausgestellt durch die Bischöfe von Bamberg, ermöglichten wohl diesen Kirchenbau. Aber dass sehr viel Mittel für den Bau einkamen, hängt auch mit der starken Frequenz des Verkehrs in Oberlind zusammen. Bereits 1444 und 1485 wurde die Kirche als Pfarrkirche bezeichnet, obwohl die Pfarrechte im Jahr 1517 zwischen Oberlind und der Stadt Sonneberg strittig waren. Selbst in den Inventaren, die im Vorfeld der ersten evangelischen Kirchenvisitation 1528 erstellt wurden, erscheint Oberlind als die besser ausgestattete Kirche. Immerhin war der Oberlinder Kirchensprengel im Vergleich zu Sonneberg riesig, reichte vom Unterland bis hinauf nach Judenbach. Und als die Oberlinder 1517 bereits auf einer Separation von Sonneberg bestanden, erwähnten sie einen regelrechten Marktbetrieb im Ort. Einwohner der umliegenden Dörfer zwischen Unterlind und Judenbach nutzten wohl diese Gelegenheit, um sich mit verschiedenen Erzeugnissen zu versorgen. Die günstige Entwicklung des ausgehenden Mittelalters setzte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg fort. Der Ort verfügte über Marktrechte, die 1656 auch um das Braurecht für die Hofbesitzer erweitert wurden. Durch das Braurecht konnten sich die Oberlinder Nachbarn, wie damals die in Gemeindedingen mitspracheberechtigten Hofbesitzer genannt wurden, mit den Bürgern in Sonneberg und Neustadt messen. Aus beiden Städten gab es im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert wiederholte Protestschreiben, in denen das Oberlinder Braurecht als Eingriff in ihre „bürgerlichen Vorrechte“ kritisiert wurde. Nebenher bemerkt, Oberlind pflasterte seine Gassen noch etliche Jahre vor Stadt Sonneberg. Längst hatte sich Oberlind als Zentrum des ländlichen Gerichtes Sonneberg etabliert. 1735 wurde der Schultheiß als Sprecher der Dörfer in diesem Verwaltungsbezirk bezeichnet. Zudem hatten sich im Dorf mehrere Handwerksinnungen etabliert, solche des Dorfes und Marktflecken wie solche der Landhandwerker im Amt Sonneberg. Was auf den ersten Blick als außergewöhnlich erscheint, ist dies nicht unbedingt. Der Historiker Peter Blickle (1938-2017) hatte darauf hingewiesen, dass insbesondere im oberdeutschen und mitteldeutschen Raum viele ländliche Dorfgemeinden sich in ihrer Verfasstheit nur wenig von den meist kleinen Städten unterschieden haben. Wie die Städte verfügten sie über eine kommunale Selbstverwaltung, Satzungsbefugnisse und sprachen als Dorfgericht Recht. Sofern sie wirtschaftlich potent waren wie Oberlind, bewegten sie sich auf Augenhöhe mit der Stadt. In der einstigen Pflege Coburg, zu der auch große Teile des Sonneberger Landes gehörten, war dies kein Einzelfall. Die frühe Oberlinder Ortsgeschichte zeigt, wie sich der ländliche Raum in der Vormoderne entwickelt hat. Wer mehr davon wissen möchte, der kann gern zum Vortrag vorbeischauen.