Haushaltsauflösung Zu schade für den Sperrmüll

In das neue Gemeindezentrum der evangelischen Kirchengemeinde Schmalkalden am Kirchhof 3 zieht zaghaft Leben ein. Ein Wermutstropfen bleibt: Der Abschied vom Reinhard-Naumann-Haus in der Künkelsgasse 32. Am Samstag öffnen sich ein letztes Mal die Türen.

 
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Schmalkalden - Dekan Ralf Gebauer dreht den kleinen Schlüssel im Türschloss der Eingangstür herum. Nur noch einmal wird er Besucher in das Reinhard-Naumann-Haus einlassen: Am Samstag, 17. Juli, 10 bis 14 Uhr, haben alle Interessierten die Möglichkeit, sich in dem dreistöckigen Gebäude noch einmal umsehen. Abschied nehmen. In Erinnerungen versinken. Vielleicht auch den einen oder anderen Gegenstand aus dem Inventar mit nach Hause zu nehmen.

Dekan Gebauer steht inmitten von Kisten und Kästen. Der überwiegende Teil des Mobiliars, sagt er, ist schon im neuen Gemeindezentrum gegenüber der St. Georgskirche angekommen. „Hinübergeschafft“ in zahlreichen Umzügen, unter dem wachen Auge und der ordnenden Hand von Gisela Höland. Doch nicht alles von dem, was sich in den vergangenen 35 Jahren im Naumann-Haus angesammelt hat, wird benötigt. Und nicht alles ist reif für den Sperrmüll.

Zu schade zum Wegwerfen findet Ralf Gebauer beispielsweise Chorhefte, Notenblätter, Bücher, Bilder, Bastelarbeiten oder die leere Aktenordner. Holzregale und -schränke, Sitzhocker, ein Sofa und eine Küchenzeile stehen noch im einstigen Jugendraum wie Stehlampen, Holzstühle und Tische, Blumentöpfe, ein Drucker sowie verschiedenes Spielzeug. Sogar ein Pelzmantel hängt noch an der Garderobe. Alles abzugeben gegen eine kleine Spende. Freilich ist der Hausrat nicht mehr der allerbeste, aber der Versuch ist es wert, das eine oder andere Stück an die Frau oder den Mann zu bringen.

Dekan Gebauer weiß, dass dieser Samstag sicherlich auch mit vielen Emotionen und Erinnerungen verbunden sein wird. Kindern und Jugendlichen war das Gemeindehaus in der Künkelsgasse 32 ein zweites Zuhause. Hier trafen sie sich zur Kinderstunde und Kinderarche, zum Konfirmandenunterricht oder einfach nur zum Chillen. Gottesdienste, Senioren- und Gesprächskreise fanden hier statt, Chorproben, Konzerte, Vorträge, Lesungen. Noch immer hadert das eine oder andere Gemeindemitglied mit der Entscheidung des Kirchenvorstandes, das Reinhard-Naumann-Haus aufgegeben zu haben, zugunsten von Kirchhof 3. Eine Entscheidung, die keiner leichtfertig getroffen hat, beteuert Gebauer. Und der ein langer und intensiv geführter Diskurs vorausging. Im Gegensatz zum Gemeindehaus Bohrmühle, die inzwischen an die Diakonie verkauft ist, bleibt die Künkelsgasse 32 erst einmal im Besitz der Kirchengemeinde. „Wir suchen nach Nutzungsmöglichkeiten“, so Gebauer. Über allen Ideen schwebt die langfristige Überlegung von einem Kindergarten, umgesetzt mit der Stadt. Doch das ist Zukunftsmusik. Fakt ist, dass das Gebäude, wenn auch nicht auf den ersten Blick sichtbar, Sanierungsbedarf hat. Die Kosten würden, nach derzeitigem Stand, sechsstellig sein.

Aktuell, und das freut den Dekan ganz besonders, könnte trotzdem bald Musik in dem Haus mit den großen Fenstern spielen. Die Musikschule hat dem Vernehmen nach Interesse daran, Räumlichkeiten zu mieten. Deshalb bleiben der Flügel und Orgel erst einmal in dem großen Gemeindesaal stehen.

„Wer immer den Tag des geringen Anfangs verachtet hat, wird doch mit Freuden den Schlussstein sehen.“ (Sacharja 4,10). Mit dieser Zusage Gottes hatte die Kirchengemeinde am 27. September 1986 ihr neues Gemeindehaus in der Künkelsgasse 32, eingeweiht und eröffnet. Nach zweijähriger Bauzeit. Den Festgottesdienst in der Stadtkirche feierte die Gemeinde damals mit Landesbischof Leich aus Eisenach und dem Bischof der Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Gerhard Jung. Einen Tag später fand nach dem Erntedankgottesdienst im Garten der Künkelsgasse ein großes Gemeindefest statt; am 1. Oktober waren alle beteiligten Baufirmen und Handwerker zum „fröhlichen Schmausen“ eingeladen. Unter dem Motto: Hurra! Wir haben es geschafft.“

Lange genug hatte es gedauert. Bis Mitte der 1980er Jahre hauste die Gemeinde in einem sanierungsbedürftigen und baufälligen Haus am Reiherstor 11. Dank der finanziellen Unterstützung der Mutterkirche Kurhessen-Waldeck konnte das Bauprojekt gestemmt werden. Im Stadt- und Kreisarchiv ist Leiterin Ute Simon auf ein Protokoll des Rates des Kreises, Abteilung Kreisplankommission, aus dem Jahr 1983 gestoßen. Am 4. August hatte das Gremium den Standort für das neue Gemeindehaus genehmigt. Auf der Grundlage der von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen am 14. Juli 1983 eingereichten Unterlagen. Investträger, Auftraggeber und Projektant, laut Protokoll, waren der Bund der evangelischen Kirchen in der DDR / Kirchengemeinde Schmalkalden – und die Limex Bau Berlin.

Als Bauzeit war der Zeitraum 1984 bis 1985 angegeben, die Inbetriebnahme 1986. Für die „Schaffung der kirchlichen Versorgung der Kirchengemeinde notwendigen Räume., einschließlich einer Wohneinheit, wurden bewilligt: vier Gemeinderäume mit insgesamt 105 Plätzen und einer Fläche von 145 Quadratmetern, Christenlehrräume mit 30 Plätzen, Nebenräumen und einer 100 Quadratmeter großen Wohnung. Die Kosten: 637.000 Mark, davon 138.000 Mark in Eigenleistung.

Zehn Jahre nach der Einweihung wurde das Haus nach Pfarrer Reinhard Naumann (1945-1990) benannt. Er brachte Schmalkalden gewaltlos durch die Wendezeit – und war maßgeblich am Bau des Hauses in der 1980er Jahren maßgeblich.

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