Hassberge Ein Flügel bekommt Flügel

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Das Instrument im Saal der Raiffeisenbank findet endlich seinen Weg ins Domizil der Musikschule im Eberner Schuhmacherhaus. Dafür muss es aber im wahrsten Sinne des Wortes Umwege in Kauf nehmen.

Ebern - So manch Eberner wird am gestrigen Mittwoch seinen Augen nicht getraut haben, als er den Blick in den Winterhimmel richtete: Da flog ein Flügel über die Dächer der Stadt. Der musikalische Überflieger fristete zuvor über mehrere Jahre ein eher unspektakuläres Dasein im Saal der Raiffeisenbank. Lange schon spielte niemand mehr darauf, wie Raiffeisen-Vorstand Christian Senff bedauert. Und: "Es kann sich eigentlich keiner mehr daran erinnern, wie der Flügel hier hereingekommen ist." Das größere Problem aber war, ihn wieder hinauszukriegen. Denn die Volkshochschule als Eigentümer des guten Stücks hatte ihn der Musikschule vermacht, die dafür schon ein Plätzchen im Schuhmacherhaus reserviert hatte. Nun passte das Instrument aber nicht mehr durch das Treppenhaus der Bank, die vor einem halben Jahr generalsaniert und mit einer Sicherheitsglastür versehen wurde. Der städtische Bauhof winkte ab: Ein Klaviertransport-Unternehmen musste her und obendrein ein Kran - der einzige Weg führte über die Dachterrasse der Raiffeisenbank.

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Am Mittwoch treten sie dann an, Heinz Haußner und Sohn Christian, unerschrocken und optimistisch: "So was haben wir schon einmal gemacht", beruhigen sie Karin Meyer-Jungclaussen, die von der Musikschule die Aktion begleitete. Alltag sei es nun zwar nicht gerade, dass ein Kran anrückt, komme aber vor: "Die Leute bauen immer kleiner, auch die Treppenhäuser werden dadurch schmaler - ein Klavier bleibt aber immer gleich groß!", grinst Christian Haußner. Bis zu 350 Kilogramm trage er schon mit seinem Vater zu zweit, darüber, dass heute der Kran die Hauptarbeit übernimmt, ist er aber auch nicht böse.

Es bleibt ohnehin genug zu tun für die beiden Männer. Der Flügel wird vorsichtig verpackt, in weiche Umzugsdecken gehüllt und mit Folie ummantelt. Wind und Wetter sollen ihm nichts anhaben. Dann geht es dem Instrument an die Beine: Die kommen nämlich separat in den schon wartenden Kleintransporter - über den ganz normalen Fußweg durchs Treppenhaus. Auch zum Transport des Klavierhockers fänden sich mehrere Herren bereit.

Rund 400 Kilogramm

Den sechs bis acht Zentner schweren Flügel allerdings zieht auf der Dachterrasse dann der starke Gurt des Krans empor, ganz sachte und wie in Zeitlupe entschwindet er, um sich bald darauf auf dem Boden in der Walk-Strasser-Anlage wiederzufinden. Noch einmal gibt es Schwerstarbeit, als das Instrument von seinen Fesseln gelöst ist und in den Kleinlastwagen manövriert wird. Dann geht es auf zu seinem neuen Zuhause im Schuhmacherhaus, gut 800 Meter weiter über den Marktplatz den Stadtberg hinab. Dort wird ihn sich nach etwa drei Wochen, wenn er sich akklimatisiert hat, ein Klavierstimmer zur Brust nehmen. Und dann wird er sicher auch in den höchsten Tönen von seinem Abenteuer über den Dächern der Stadt berichten können.