Hassberge Bär und andere Politiker sprechen sich gegen Sexismus aus

, Christian Licha

Die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär, verlässt die Ludwig- Erhard-Stiftung. Anlass ist eine sexistische Äußerungen von Roland Tichy gegenüber Sawsan Chebli.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Kreis Haßberge/Berlin - "Ich habe meine Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung am Mittwoch gekündigt. Grund für diese Entscheidung ist eine Publikation in dem Magazin ‚Tichys Einblick‘, die frauenverachtende und in höchstem Ausmaß sexistische Äußerungen gegenüber meiner Kollegin Sawsan Chebli (SPD) enthält", erklärt Dorothee Bär (CSU), Staatsministerin für Digitales und seit dem 1. Mai 2008 Mitglied des Kreistags des Landkreises Haßberge.

Nach der Werbung weiterlesen

Hintergrund-Infos

Der Hashtag "NotInMyParliament" (#NotInMyParliament) wurde von Theresa Bergmann in den Bundestag eingebracht. Sie drängte darauf, die Kampagne im Bundestag zu diskutieren und hatte Erfolg.

Die Ludwig-Erhard-Stiftung e.V. wurde 1967 durch Altbundeskanzler Ludwig Erhard gegründet. Ihr Ziel ist die Fortentwicklung und Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft.

Der Vorsitzende der Stiftung, Roland Tichy, hatte in seinem Magazin "Tichys Einblick" Chebli indirekt unterstellt, dass für sie nur der "G-Punkt als Pluspunkt in der Spezialdemokratischen Partei der alten Männer" spreche. Die Berliner Staatssekretärin befindet sich gegenwärtig mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller in einem öffentlichkeitswirksamen Konkurrenzkampf um eine Kandidatur zum nächsten Bundestag.

Chebli selbst hatte den Beitrag auf Twitter als "besonders erbärmliches, aber leider alltägliches Beispiel von Sexismus gegen Frauen in der Politik" bezeichnet. Dem schloss sich Dorothee Bär umgehend an. Sie teilte den Tweet und fragte: "Das ist widerlicher Dreck! Wo steht so ein Müll?" Und auch einen Tag, nachdem der Skandal öffentlich wurde, ist Bär empört. "Derartige Ausfälle sind unerträglich und mit den Zielen der Stiftung absolut unvereinbar", erklärt Bär auf Anfrage der Neuen Presse. Ludwig Erhards Ansinnen sei, so die Ministerin, "heute sicher nicht die Herabwürdigung von Frauen, sondern das Fördern weiblicher Karrieren. Denn nur dann kann eine Marktwirtschaft heute auch sozial und erfolgreich sein." Die Marktwirtschaft sei eine unerlässliche Säule unseres Landes, deren Stärkung und Ausbau ihr seit Beginn ihrer politischen Tätigkeit deshalb am Herzen liege, bekräftigt Bär gegenüber der Neuen Presse. "Das wollte ich auch durch meine Mitgliedschaft zum Ausdruck bringen. Sofern die Stiftung einen Vorsitzenden hat, unter dessen Federführung solche Texte veröffentlicht werden, kann und will ich sie nicht weiter unterstützen." Das, was geschehn sei, zeige eine gesellschaftspolitische Geisteshaltung, die sie nicht akzeptiere, so Bär.

An diesem Donnerstag zog der Verursacher des Skandals, Roland Tichy, die Konsequenzen. Er kündigte an, dass er sein Amt als Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung im Oktober abgeben wolle.

"Herrn Tichys Entscheidung zum Rückzug aus der Stiftung begrüße ich sehr und hoffe auf einen guten Neuanfang mit einem neuen Vorsitzenden oder - was ich sehr wünschenswert fände - einer neuen Vorsitzenden. Die Reaktionen auf meine Entscheidung waren und sind von allen Seiten äußerst positiv, gerade auch von vielen männlichen Kollegen", zeigt sich Bär erleichtert. "Ich finde es entscheidend, dass wir alle gemeinsam - Frauen und Männer - gegen die vielen Gesichter des Sexismus vorgehen", betont die Ministerin. Ob Tichys Rückzug Auswirkungen auf ihre Entscheidung hat, konnte Bär am Donnerstag nicht sagen: "Meine Entscheidung zum Austritt ist mit dem jetzigen Vorsitzenden verknüpft. Alles weitere wird sich zeigen."

Gerald Pittner, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler, zeigt Verständnis für Bärs Reaktion: "Grundsätzlich finde ich die Reaktion richtig. Wenn ein Gespräch nichts bringt und es, wie in diesem Fall hier, bereits mehrfach berechtigte Vorwürfe wegen Äußerungen gab, bin ich der Meinung, dass ein Rücktritt oder Ruhen lassen der Mitgliedschaft als politisches Zeichen eine angemessene Reaktion ist."

Dem stimmt auch Landrat Wilhelm Schneider zu: "Die Kündigung der Mitgliedschaft in der Ludwig-Ehrhard-Stiftung ist eine persönliche Entscheidung von Frau Staatsministerin Bär. Die Reaktion ist für mich jedoch sehr gut nachvollziehbar. Frauenverachtende und sexistische Äußerungen sind in unserer Gesellschaft - in keinem Bereich - hinnehmbar", betont der Politiker aus den Haßbergen.

Auch Sabine Dittmar, Mitglied des Deutschen Bundestages und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, zeigt sich entsetzt über Tichys Äußerungen und unterstützt Dorothee Bär in ihrer Entscheidung: "Leider ist Sexismus im Alltag nach wie vor weit verbreitet. Das ist nicht hinnehmbar und auch kein Kavaliersdelikt", erklärt Dittmar auf Anfrage. "Es ist daher richtig, derartige Entgleisungen öffentlich anzuprangern und die notwendigen Schritte zu ziehen." Dittmar begrüße es ausdrücklich, dass es in dieser Legislaturperiode einen interfraktionellen Zusammenschluss von Abgeordneten gibt, die #notinmyparliament folgend für bessere Strukturen im Deutschen Bundestag sorgen wollen. "Diskutiert wird unter anderem eine Studie zur geschlechterbasierten Gewalt im Deutschen Bundestag zu erstellen und die Beratungs- und Anlaufstellen für Mitarbeiter zu verbessern", so Dittmar.