Große Gefahr für antarktische Arten Wie die Vogelgrippe von Südamerika in die Antarktis kam

Annett Stein ()/Markus Brauer

Es wurde so sehr befürchtet wie erwartet: Die verheerende Welle an Vogelgrippe-Ausbrüchen hat die Antarktis erreicht. Eine bestimmte ikonische Vogelgruppe könnte aber weitgehend verschont bleiben.

 
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In großen Kolonien – wie etwa hier bei Königspinguinen in der St. Andreas Bay in Südgeorgien, können sich Seuchen wie die Vogelgrippe rasch ausbreiten. Foto: Imago/Zoonar

Die Vogelgrippe hat die Antarktis von Südamerika ausgehend erreicht. Diese Annahme bestätigt eine im Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellte Analyse von Erbsequenzen des Erregers. Wahrscheinlich sei das H5N1-Virus durch Zugvögel eingetragen worden.

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„Die Sorge gilt der neuen Brutsaison“

Mehrere antarktische Seevogelarten wandern demnach regelmäßig zwischen dem Südatlantik und dem Südlichen Ozean hin und her und besuchen die südamerikanische Küste zur Nahrungssuche oder zum Überwintern.

„Die Daten der Studie stammen aus der vorangegangenen Brutsaison und belegen die Einführung und frühe Ausbreitung des Virus“, sagt Marc Engelsma von der Universität Wageningen, der selbst nicht an der Studie beteiligt war. „Die Sorge gilt nun der neuen Brutsaison, die auf der südlichen Halbkugel bevorsteht.“

Die antarktische Region beherbergt riesige Brutkolonien verschiedener Vogelarten. Wie schlimm das Virus dort wüten werde, sei noch nicht abzusehen. Generell gelte aber, dass Krankheitsausbrüche mit hoher Sterblichkeitsrate für bereits gefährdete Seevogelpopulationen eine erhebliche Bedrohung darstellen.

Virus kann in kalter Umgebung besser überleben

Zudem seien die Überlebenschancen des Virus in der kalten Umgebung erhöht. Zudem sei es wahrscheinlich, dass es dort in Kadavern länger infektiös bleibe, erklärt das Team um Ashley Banyard von der britischen Animal and Plant Health Agency (APHA-Weybridge) in Addlestone.

Lange war die Antarktis die einzige große geografische Region, in der die seit Jahren weltweit kursierende Vogelgrippe-Variante nicht vorkam. Im Oktober 2023 wurde sie nun auch dort nachgewiesen. Damit gilt nur noch Australien als H5N1-frei.

3D-Illustration des Vogelgrippe-Virus H5N1. Foto: Imago/Imagebroker

Große Gefahr für Population langlebiger Arten

Die einzigartigen Ökosysteme der Antarktis und der subantarktischen Inseln sind von menschlichen Populationen zwar relativ isoliert, von den vom Menschen verursachten Umweltveränderungen wie der Einschleppung gebietsfremder Arten, Verschmutzung, Fischerei und raschem Klimawandel aber dennoch betroffen.

Vogelarten wie Wanderalbatros (Diomedea exulans), Goldschopfpinguin (Eudyptes chrysolophus), Graukopfalbatros (Thalassarche chrysostoma) und Weißkinn-Sturmvogel (Procellaria aequinoctialis) seien schon jetzt als gefährdete Arten gelistet. Und gerade langlebige Arten wie Albatrosse, die erst spät geschlechtsreif werden, seien wenig widerstandsfähig gegenüber einer höheren Sterblichkeit innerhalb der Population.

Vögel in der Antarktis. Foto: Ashley Bennison/dpa

Virus-Variante breitet sich global aus

Ursache der weltumspannenden Vogelgrippeausbrüche ist die sogenannte Klade 2.3.4.4b des H5N1-Virus. Seit etwa 2020 breitet sich diese Untervariante – wahrscheinlich von Asien ausgehend – immer weiter aus. Vor allem Wildvögel und Geflügel, seltener auch Säugetiere wie Meeressäuger, Nerze, Füchse und Bären, erkranken. Zudem kam es unter anderem in den USA auch zu Übertragungen von Rindern auf Menschen.

Ende 2022 sei der Erreger nach Südamerika vorgedrungen, das bis dahin stets vogelgrippefrei geblieben war, so die Studie. Entsprechend empfänglich waren viele Vogelpopulationen dort. Zudem infizierten sich in der Region zahlreiche Meeressäugetiere und verendeten.

H5N1-Virus seit Februar 2024 in Antarktis nachgewiesen

Im Februar 2024 wurde das H5N1-Virus erstmals auf dem antarktischen Festland nachgewiesen, bei einer verendeten Raubmöwe. Für eine riesige Gruppe in der antarktischen Region lebender Vögel ist das Ausmaß der Folgen bisher noch weitgehend unklar: Pinguine. Sie seien womöglich für die kursierende Variante weniger anfällig als befürchtet, schreiben die Forschenden.

Pinguine nisten in hohen Dichten, Seuchen können sich daher besonders rasant in ihren Kolonien verbreiten. „Die derzeitige Situation deutet jedoch nicht darauf hin, dass signifikante Sterblichkeitsfälle bei Pinguinarten zu erwarten sind“, heißt es in der Studie.

Info: Vogelgrippe-Virus H5N1

Was ruft Vogelgrippe hervor?
Die Vogelgrippe oder Aviäre Influenza wird – ebenso wie die Grippe beim Menschen – durch Influenza-A-Viren hervorgerufen, allerdings durch diverse andere Subtypen. Derzeit grassiert die größte je dokumentierte Vogelgrippewelle, die sich über fast die gesamte Erde erstreckt und auch Europa betrifft. Der Erreger befällt vor allem Vögel, wurde aber auch bei vielen Säugetieren gefunden, darunter Katzen, Bären und Robben.

Wie gefährlich ist das H5N1-Virus für Menschen?
Menschliche Infektionen treten nur vereinzelt auf. Die Symptome reichen von Augen- oder Atemwegsinfektionen bis hin zu schweren Erkrankungen wie Lungenentzündungen, die zum Tod führen können. „Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen schätzt die WHO das derzeitige Risiko für die Allgemeinbevölkerung, das von diesem Virus ausgeht, als gering ein“, teilt die Weltgesundheitsorganisation WHO mit.

Um was für ein Virus geht es?
H5N1 ist ein Influenza-A-Virus wie die beim Menschen kursierenden Erreger der saisonalen Grippe. H und N bezeichnen zwei Eiweiße der Virushülle: Hämagglutinin und Neuraminidase. Sie kommen jeweils in verschiedenen Subtypen vor (H1 bis H16 und N1 bis N9). Der Name H5N1 bedeutet also die Kombination der Eiweiße H5 und N1 auf der Oberfläche der Variante. Seit 1997 werden verstärkt auf H5N1 zurückgehende Ausbrüche erfasst.

Welche Virus-Varainten sind virulent?
Seit 2016 breitet sich eine Untervariante des Erregers aus – die sogenannte Klade 2.3.4.4b. Folge waren verheerende Vogelgrippe-Ausbrüche in inzwischen fast allen Teilen der Welt bei Wildvögeln, auch Geflügel und – seltener – Säugetiere wie Meeressäuger, Nerze, Füchse und Bären waren betroffen. Verschont blieb bisher nur Australien. Zur Info: Eine Klade (von altgriechisch: kládos, Zweig) – auch Monophylum, monophyletische Gruppe oder geschlossene Abstammungsgemeinschaft genannt – ist in der Biologie eine systematische Einheit, die den letzten gemeinsamen Vorfahren und alle seine Nachfahren enthält.