Gesundheitswesen Corona-Impfpflicht - Folgen in Thüringen ungewiss

Eine Pflegerin begleitet eine Frau im Pflegeheim. - Symbolfoto Foto: Sven Hoppe/dpa

Wie groß könnte der mögliche Aderlass beim Klinik-, Praxis- oder Pflegeheimpersonal werden, wenn die Corona-Impfpflicht für die Einrichtungen kommt? In Thüringen ist das derzeit noch völlig unklar.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Eineinhalb Monate vor dem Start der Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen und in Pflegeeinrichtungen lässt sich in Thüringen schwer einschätzen, ob es wegen ungeimpfter Beschäftigter zu Einschnitten in der medizinischen Versorgung kommen könnte. Dem Landesgesundheitsministerium liegen keine detaillierten Angaben über die Impfquoten etwa in Pflegeheimen vor, wie eine Sprecherin in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Berufe und Tätigkeiten von Geimpften würden im Meldesystem des Berliner Robert Koch-Instituts nicht berücksichtigt. Vertreter von Ärzten und Zahnärzten gehen von einer deutlich höheren Impfquote zumindest bei Medizinern als in der übrigen Bevölkerung aus.

Die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Land, Annette Rommel, rechnet nicht mit allzu großen Einschnitten in der ambulanten Versorgung. Bislang gebe es keine Signale, dass Praxen ihren Betrieb nicht mehr aufrechterhalten könnten, sagte sie. Die genauen Impfquoten bei Praxisärzten und nichtärztlichem Personal sind allerdings auch hier unklar. Vertragsärzte müssen ihren Impfstatus nicht an die Kassenärztliche Vereinigung melden.

«Ich mache mir eher Sorgen um den pflegerischen Bereich in Heimen und Krankenhäusern», sagte Rommel. Laut Landeskrankenhausgesellschaft sind derzeit rund 17 Prozent der Klinikbeschäftigten in Thüringen nicht gegen Covid-19 geimpft oder davon genesen. Das ist zwar deutlich weniger als in der Gesamtbevölkerung, wo rund 30 Prozent noch nicht einmal die erste Spritze erhalten haben. Dennoch fürchtet die Gesellschaft Personalausfälle durch Betretungs- und Beschäftigungsverbote, wodurch kurzfristig rund 1900 der rund 15 700 Krankenhausbetten nicht betrieben werden könnten. In Thüringer Kliniken arbeiten rund 12 000 Pflegekräfte.

Die Landeszahnärztekammer hatte im Dezember die Zahnmediziner nach deren Impfstatus befragt. Nach der nicht repräsentativen Datenerhebung seien rund 84 Prozent der in Praxen arbeitenden Zahnärztinnen und Zahnärzte geimpft, teilte die Kammer mit. Auch der Anteil des geimpften Praxispersonals liege mit etwa 74 Prozent deutlich über dem der erwachsenen Thüringer Bevölkerung. An der Umfrage hatte sich etwa ein Drittel der rund 1400 Praxen in Thüringen beteiligt.

Mehr als ein Drittel der Praxisinhaber erwarten demnach keine Auswirkungen der Impfpflicht auf die eigene Praxis. Allerdings könnten einzelne Behandlungen wegfallen oder nur noch ausgedünnt angeboten werden. Die Kammer schließt zudem nicht aus, dass manche Praxisbetreiber ihren bereits geplanten Ruhestand vorziehen - um die Impfpflicht und den damit verbundenen Aufwand nicht mehr erfüllen zu müssen.

In Pflegeheimen geht das Gesundheitsministerium von einer Impfquote von 60 bis 70 Prozent aus. «Das ist teilweise von Einrichtung zu Einrichtung sehr unterschiedlich und entstammt den Erfahrungswerten unserer mobilen Impfteams», sagte die Sprecherin. Der Dachverband privat betriebener Pflegeheime (bpa) in Thüringen hofft, dass sich diese Quote durch den neuen Impfstoff des US-Herstellers Novavax noch erhöhen lässt. «Wir wissen aus den Reihen unserer gut 300 Mitgliedseinrichtungen, dass die Bereitschaft für diesen Impfstoff bei den noch Zögernden größer ist», erklärte die bpa-Landesvorsitzende Margit Benkenstein.

Auch beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) mit rund 1700 Beschäftigten in 35 Pflegeheimen gibt es Befürchtungen, ungeimpftes Personal zu verlieren. Konkrete Signale zu Kündigungen gebe es allerdings noch nicht, sagte Sprecher Dirk Bley. Das DRK hatte nach seinen Angaben mehrfach Impfaufrufe an die Beschäftigten gerichtet.

Aus Sicht des Dachverbands bpa kann auch eine allgemeine Corona-Impfpflicht helfen, Zögernde zu überzeugen. «Jede und jeder Beschäftigte, der uns verloren geht, weil er oder sie sich nicht impfen lassen will, ist eine Katastrophe», mahnte Benkenstein. Auch die Landeskrankenhausgesellschaft fordert seit längerem eine allgemeine Impfpflicht.

Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Kliniken und Pflegeheime müssen bis zum 15. März nachweisen, dass sie gegen Covid-19 geimpft oder genesen sind. Bei Neueinstellungen ist ab Mitte März die Impfung ebenfalls Voraussetzung. Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt bis zum Jahresende 2022.

Autor

Bilder