Gesund in Schmalkalden Neue Waffe gegen den Krebs

red
Ronni Veitt, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I, referierte über aktuelle und zukünftige Möglichkeiten der Krebstherapie. Foto: FW/Elisabeth Klinikum

15 Jahre „Gesund in Schmalkalden“. Bei einer Veranstaltung stellten die Ärzte des Elisabeth Klinikums aktuelle Entwicklungen vor und standen den Besuchern Rede und Antwort.

 
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Schmalkalden - So alt wie „Wetten, dass…?!“ ist das Format „Gesund in Schmalkalden“ noch nicht. „Dafür müssen wir aber auch nicht über die Schwangerschaft von Helene Fischer sprechen, sondern haben sehr interessante Informationen dabei“, scherzte der Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie im Elisabeth Klinikum Schmalkalden, Dr. Andreas Luther. Er hat das Veranstaltungsformat vor 15 Jahren ins Leben gerufen, um – wie jüngst im Rathaussaal Schmalkalden – über die Entwicklungen des Krankenhauses zu berichten und den Austausch mit Bürgern zu suchen.

Zu Beginn sprach Dr. Fedor Turakulov, stellvertretender Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, über den minimalinvasiven Zugang bei Operationen, bei denen das Hüftgelenk durch ein künstliches, oft auch minimalinvasives Implantat ersetzt wird. Dabei baut das Elisabeth Klinikum mittlerweile fast ausschließlich auf diese moderne Technik, sowohl bei planbaren Operationen als auch bei Notfall-Operationen nach Stürzen und Verletzungen. „Weil die Muskulatur und Nerven geschont werden, können die Patienten schon nach wenigen Tagen ohne Unterstützung laufen und sogar Treppen steigen. Rund zwei Monate nach der Operation und der Reha ist die Lebensqualität vollständig hergestellt, sodass selbst gelenkbelastende Sportarten wie Yoga oder Skifahren wieder möglich sind“, sagte der Orthopäde und Unfallchirurg über die Vorteile gegenüber der konventionellen Technik.

„Ferrari ohne Führerschein“

Der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I, Dr. Ronni Veitt, referierte über eine Krankheit, vor der sich die viele Menschen fürchten: Krebs, die nach Herzkreislauferkrankungen häufigste Todesursache in der Bundesrepublik. „Pro Jahr werden allein in Deutschland 500.000 Neuerkrankungen registriert, pro Jahr sterben 220.000 Menschen an Krebs“, betonte der erfahrene Mediziner, der daran appellierte, die Möglichkeiten der Krebsvorsorge zu nutzen.

Ronni Veitt zeigte die aktuellen und künftigen Wege der Krebstherapie auf. Derzeit wird Tumoren mit Operationen und Chemotherapien der Kampf angesagt. Mit der Immuntherapie kommt eine neue Möglichkeit hinzu. „Auf der Grundlage der Forschung von James Allison und Tasuku Honjo, die 2018 den Medizin-Nobelpreis bekommen haben, sind Medikamente entwickelt worden, die die Kommunikation zwischen Immunzelle und Tumorzelle unterbrechen. Die Tumorzelle kann das Immunsystem nicht ausschalten, stattdessen beginnt ein Sturm der Tumorzellvernichtung“, erklärte er. Derzeit stehen die Medikamente nicht für alle bekannten Krebsarten zur Verfügung, sondern nur für Lungen- und Nierenkrebs und seit 2021 auch für Speiseröhre- und Dickdarm-Krebs.

Blick in die Zukunft

Neu ist eine Zell-Therapie, bei der der Schlüssel der Tumorzelle, mit dem sie in die Immunzelle eindringt, selbst gebaut wird. „Das ist eine hocheffektive Form, aber um sie einsetzen zu können, müssen wir die Tumorzelle und den Weg in den Tumor ganz genau kennen. Wir haben hier einen Ferrari, aber noch keinen Führerschein“, sagte der Chefarzt. In naher Zukunft könnte auch die MRNA-Impfung helfen. Den Laien ist sie durch die Corona-Impfung ein Begriff, „aber eigentlich ist sie ein Produkt der Krebstherapie. Bisher gibt es aber nur in den USA eine zugelassene Impfung gegen Prostatakrebs“, so Veitt.

Neue Bruchstellen

Im dritten Vortrag sprach Chefarzt Dr. Andreas Luther über die alternde Bevölkerung und deren medizinische Versorgung. „Die Menschen werden immer älter, bleiben aber jünger. Sie sind aktiver als in früheren Generationen, möchten bis ins hohe Alter mobil und sportlich sein und ein selbstbestimmtes Leben in gewohnter Umgebung führen. Und sie werden individuell älter, was eine individuelle Behandlung zur Folge haben muss“, betonte er.

Im höheren Lebensalter beobachtet der Orthopäde und Unfallchirurg oft Frakturen im Oberarmkopf und der körperfernen Speiche. Außerdem würden vermehrt Brüche des Schenkelhalses und des hüftgelenknahen Oberschenkelknochens auftreten. „Wir beobachten zudem ein neues Phänomen: Betagte Menschen haben häufig schon ein künstliches Gelenk, zum Beispiel einen Schenkelhals. Wenn der aus Metall ist, bricht er nicht, aber die Energie entlädt sich an ganz neuen Bruchstellen, um die Prothese herum“, sagte Luther.

Reha in der Klinik

Gemeinsam mit der Leiterin der Zentralen Notaufnahme, Dr. Alexandra Finn, arbeitet er derzeit am Aufbau eines Zentrums für Alterstraumatologie im Elisabeth Klinikum, das die Früh-Rehabilitation im kommunalen Krankenhaus ermöglichen soll. „Wenn ein älterer Patient operiert werden und bis zu zehn Tage im unserem Haus verbringen muss, macht ihm der Umgebungswechsel häufig zu schaffen. Steht dann die Reha an, muss das Milieu abermals gewechselt werden, was ein riesiges Problem werden kann auf dem Genesungsweg. Dem wollen wir entgegenwirken“, erklärte der Chefarzt.

Zukünftig soll sich ein spezielles Team aus Unfallchirurgen, Geriatern, Pflegekräften, Therapeuten und Sozialdienstmitarbeiter gemeinsam um alternde Patienten kümmern. Koordiniert wird es von Alexandra Finn, die eine Ausbildung zur Geriaterin absolviert hat. „Patienten möchten keine Schmerzen haben, sich wieder frei bewegen können und möglichst schnell nach Hause“, sagte sie. Damit das gelingt, sei es nicht nur notwendig, die Operationswunde zu versorgen und die Schmerzmittel auf den Bedarf anzupassen. Vielmehr gilt es, die Sturzursachen zu klären und zu beseitigen und zudem optimale Hilfsmittel bereitzustellen, die die Mobilität und Bewegungsfreiheit fördern. Das können manchmal kleine Stellschrauben sein, zum Beispiel gutes Schuhwerk zu benutzen, den Teppich mit Kanten zu entfernen oder einen Bewegungsmelder zu installieren, um nachts nicht im Dunkeln durch die Wohnung zu irren. „Viele ältere Menschen scheuen die Veränderung, können aber wesentlich dazu beitragen, kein weiteres Mal hinzufallen“, so Alexandra Finn.

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