Gedenken „Diskriminierung braucht ein entschlossenes Nein“

Jana Henn
Der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ fand in diesem Jahr auf dem Husenfriedhof statt. Foto:  

Auf dem Husenfriedhof in Bad Salzungen kamen am 27. Januar Vertreter der Stadt, der Kirchen, der Schulen und verschiedener Institutionen und Vereine zusammen, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

 
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Bad Salzungen - Der 27. Januar 1945 ist der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee. 1996 wurde dieses Datum zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Zugleich ist es der „Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (International Holocaust Remembrance Day)“, der 2005 von den Vereinten Nationen eingeführt wurde.

In Bad Salzungen fand das Gedenken in diesem Jahr auf dem Husenfriedhof, an der städtischen Grabanlage für ausländische Kriegstote, statt. Diese Anlage erinnert an 13 polnische, elf sowjetische, zwei deutsche, einen ungarischen, einen jugoslawischen, einen italienischen und einen Menschen unbekannter Herkunft, die als Zwangsarbeiter in Bad Salzungen und Umgebung eingesetzt wurden und starben.

Zunächst kamen Schüler der Ersten Stadtschule Bad Salzungen zu Wort. Die Zehntklässler Nele-Sophie Siewert, Annalena Rösler, Anton Reum, Josephine Ißleib und Joel Hartung erinnerten an das Vernichtungslager Auschwitz. Sie zitierten unter anderem den Auschwitz-Überlebenden Noah Pflug: „Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: Sie hat Gesichter vor Augen und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären. Auch deshalb wollen wir als Opfer und sollen wir als Opfer nicht vergessen werden. Auch die heutige und die zukünftige Welt müssen wissen, wie das Unrecht, die Sklaverei der Zwangsarbeit und der Massenmord organisiert wurden und wer die Verantwortlichen dafür waren. Dies soll immer wieder dokumentiert und den jungen Menschen erklärt werden: Zur Erinnerung an uns und unsere ermordeten Angehörigen und zu ihrem Schutz in ihrer Zukunft.“ Ein weiteres Zitat stammte von Abraham Koplowicz. Darin beschreibt er seinen Traum vom Leben, vom Reisen und von einer besseren Zukunft. Er starb im Alter von 14 Jahren in Auschwitz.

Danach wandte sich der hauptamtliche Beigeordnete der Stadt Bad Salzungen Hannes Knott an die Anwesenden: „Heute erinnern wir an die Opfer des Nationalsozialismus – unendlich viele Menschen, die unter der beispiellosen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden – weltweit und auch hier in unserem Landkreis, in unserer Stadt.“ Er erinnerte an die Wannsee-Konferenz, auf der vor fast genau 80 Jahren der perfide Plan geschmiedet wurde, die jüdische Bevölkerung in ganz Europa auszulöschen. Hannes Knott zählte die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auf: „Neben dem millionenfachen Mord an Juden litten besonders Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Zwangsarbeiter, Homosexuelle, Vertriebene, politische Gefangene und Widerstandskämpfer, Kranke und Behinderte sowie alle, die zu Feinden des Systems erklärt wurden, unter den Nazis.“

Der Beigeordnete betonte, dass Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, Feindschaft gegenüber Menschen, die vom Normativ abweichen, bis heute nicht überwunden sind: „Das sind Anfeindungen gegen queere Menschen oder die Tatsache, dass People of Colour sich auch heute nicht angstfrei in Deutschland bewegen können. Notwendig ist gerade heute immer noch und wieder der Schutz jüdischer Versammlungsorte und Synagogen.“

Mit Blick auf die Pandemie in Deutschland und die damit einhergehenden Proteste appellierte er für eine freie und offene Gesellschaft: „Gerade in den jetzigen Tagen, in einer Zeit der Unsicherheit, verschiedener Ansichten über die weltweite Pandemie, sollten wir verstärkt für ein Miteinander werben und für die Akzeptanz anderer Meinungen eintreten. Wissenschaftliche Fakten dürfen nicht für politische Zwecke verzerrt werden und wir alle müssen uns mehr denn je über die Konsequenzen unseres Handelns bewusst sein. Deshalb ist es so wichtig, zu erinnern und der erschreckenden Geschichtsverdrehung entgegenzuwirken. Die Diskriminierung gegenüber bestimmten Gruppen und Minderheiten braucht ein entschlossenes Nein. Wir als Gesellschaft, das heißt jeder von uns, ist in der Pflicht, für Menschenrechte und Nächstenliebe einzutreten und diese Werte an andere weiterzugeben.“

Die Schülerinnen des Dr. Sulzberger-Gymnasiums Clarissa Naujoks, Saman-tha Wagner, Leonie Güth und Janice Machalett hatten sich in der zehnten Klasse am Projekt „900 Jahre Jüdisches Leben in Thüringen“ beteiligt. Zur Gedenkveranstaltung erzählten sie die Geschichte der jüdischen Familie Clara und Willi Frank aus Bad Salzungen. Sie beginnt 1938 und endet mit dem Tod im Konzentrationslager Lublin 1942.

Pfarrer Thomas Volkmann erinnerte ebenfalls an das unermessliche Leid. Mit Blick auf die Wannsee-Konferenz und die folgenden Ereignisse meint er: „Die Kirchen hätten damals ein deutliches Nein rufen müssen.“ Man müsse dankbar sein für die Überlebenden, die als Zeitzeugen berichten. Sie könnten Wege der Umkehr eröffnen und den jungen Menschen den Blick schärfen. Es sei ein Vermächtnis, dieses Geschenk der Zeitzeugen weiterzuführen. Mit einem gemeinsamen Gebet beendete er seine Rede. Anschließend wurden Blumen niedergelegt und in einer Schweigeminute wurde der Opfer gedacht.

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