Gedenken „Die Erinnerungen weiterhin bewahren“

Beigeordneter Thomas Bischof erinnerte in seiner Rede am Gedenkstein für Max Rothschild an die Deportation jüdischer Mitbürger in Zella-Mehlis. Foto: /Michael Bauroth

Das Schicksal von Max Rothschild und den anderen 30 jüdischen Einwohnern von Zella-Mehlis, die vor 80 Jahren die Mitteilung ihrer Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt bekamen, ist nicht vergessen.

 
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Es war der 18. September 1942, als allen jüdischen Bürgern von Zella-Mehlis in einem an Zynismus und Menschenverachtung kaum zu überbietenden Schreiben ihre Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt angekündigt wurde. 13 von ihnen kamen dort um. Einer der Adressaten, Max Rothschild, der in Zella-Mehlis ein Textilgeschäft führte, starb nach Zustellung des Schreibens, in dem er erfuhr, dass seine gesamte Familie ausgelöscht werden soll, an einem Herzanfall im Alter von 68 Jahren. „Um den Zynismus dieser abscheulichen Zeit zu vervollständigen, muss man fast schon sagen, dass er Glück hatte, denn er musste die Gräueltaten und das Leid, das seiner Familie und vielen tausenden anderen Juden widerfuhr, nicht mehr miterleben“, sagte Beigeordneter Thomas Bischof bei einer offiziellen Gedenkveranstaltung der Stadt am Sonntagvormittag an Gedenkstein für Max Rothschild auf dem Alten Friedhof.

Ein Grab ohne Grabstein

Schon kurz nach Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 mussten die Rothschilds und die anderen jüdischen Einwohner der Stadt antisemitische Übergriffe über sich ergehen lassen. Im August 1936 mussten die Rothschilds ihren Laden aufgeben, denn er wurde „arisiert“ und an „Nichtjuden“ verkauft. Die angegliederte Schneiderwerkstatt konnte die Familie noch bis zum Herbst 1938 weiterführen.

„Max Rothschild wurde nach seinem Herzinfarkt von Gemeindearbeitern ohne Grabstein auf diesem Friedhof hier vergraben, wobei das Wort ,verscharrt’ das, was passierte, wohl eher beschreibt; denn einen Grabstein bekam er nicht“, so Bischof in seiner emotionalen Rede weiter, bevor er in Gedenken und stellvertretend für die vielen getöteten Juden der NS-Zeit namentlich die 13 Namen der getöteten Zella-Mehliser nannte. In Erinnerung und zum Gedenken stehen man heute vor diesem Gedenkstein und gedenke nicht nur ihm, sondern stellvertretend allen Zella-Mehliser Opfern von Antisemitismus, Rassismus und Hass im schwarzen deutschen Kapitel „Nationalsozialismus“.

Beim Vorbereiten dieser Worte des Gedenkens habe er viel nachgedacht, so der Beigeordnete. „Mir kam auch der Gedanke, wozu das Ganze? Was verbindet mich – einen Mann Anfang 30 – mit diesen Leuten? Als sie ermordet wurden, sollte es noch fast 50 Jahre dauern, bis ich geboren werde. Eine Schuld an dem damals Geschehenen trage ich – und wir alle, die wir hier stehen – wohl nicht. Dann aber wurde mir eines klar: Wir stehen heute nicht hier, um die Frage der Schuld zu klären, sondern wir wollen gedenken. Und im Wort „gedenken“ steckt der Wortstamm „denken“. Und genau das ist etwas, das wir allzu oft nicht oder zu wenig machen.“ Er habe manchmal sogar das Gefühl, dass Wut und Hass, aber auch Angst und eigene Unsicherheit immer mehr dazu beitrügen, dass die Fehler der damaligen Zeit aus dem Gedächtnis vieler Menschen verschwinden und wir sehenden Auges die selben Fehler wieder machen. „Deshalb müssen wir weiterhin die Erinnerungen bewahren“, so Bischof, der dem Ortsverband der Linken für seinen Beitrag zu dieser Erinnerungskultur dankte.

Nach seinen persönlichen und ergreifenden Worten legten die Anwesenden, darunter ehemalige und aktive Stadträte, rote Rosen als Zeichen der Anteilnahme am Gedenkstein ab.

Dass die Veranstaltung im Hintergrund von zwei Polizisten abgesichert wurde, zeigt einmal mehr, dass die Ausgrenzung und Diffamierung Andersdenkender sowie Antisemitismus nach wie vor Teil dieser Gesellschaft sind.

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