Der Stapel wächst. Ich bin ein Hochstapler und türme die Bücher auf, die ich unbedingt lesen will. Später. Wenn Zeit dafür ist. Und Muße. Wo ist eigentlich beides abgeblieben? Früher habe ich Bücher quasi totgelesen. Manchmal mehrfach, mit einem bisschen Lebens-Abstand dazwischen. Aber zum Glück sind die Bücher nicht wirklich gestorben. Sie haben nur Konkurrenz bekommen. Von einem vollgestopften Alltag. Vom Handy. Vom Computer. Von der Glotze, auf der jederzeit alles bereitsteht, wonach einem gerade ist. Früher gab es für uns Kinder Meister Nadelöhr und das Sandmännchen. Das war’s. Da waren die Bücher voller Abenteuer meine Filme. Nur, dass sie eben im Kopfkino liefen. Und das bei mir anders als bei meinem Bruder oder bei meinen Freunden. Das war verdammt spannend. Früher ... Ich höre schon die jungen Kollegen fragen: „Aus welchem Jahrhundert kommst du nochmal?“ Offensichtlich aus einem, in dem das Buch wie eine Schatztruhe war. Das Buch, das den Klang der Stimmen unserer Eltern hatte, weil sie uns daraus vorgelesen haben. Das Buch, das wir später, als wir selbst lesen konnten, heimlich mit der Taschenlampe unter der Bettdecke regelrecht verschlangen. Wie vorsichtig haben wir umgeblättert, manchmal atemlos vor Erwartung auf die nächste Geschichte ... Der Gerechtigkeit wegen muss ich nachschieben, dass wir garantiert auch an Handy, Computer und Glotze gedillert hätten, wäre das alles da gewesen. War es aber nicht. Und irgendwie bin ich dankbar dafür, dass der technische Fortschritt nicht so schnell war, wie wir heranwuchsen. Und heute? Da gibt es viel Unruhe, Krisen und ein von Informationen überflutetes Hirn, dass es schon Luxus ist, mit einem Buch abzutauchen.
Gedanken zur Zeit Hochstapler für eine ruhigere Etappe
Heike Hüchtemann 13.12.2024 - 13:00 Uhr