Freies Wort hilft Wenn plötzlich nichts mehr selbstverständlich ist

Berit Richter

Julia Vetter aus Ichtershausen ist eine sportliche, junge Frau, bis eine schwere Erkrankung ihr Leben verändert. Vor welchen Herausforderungen steht die zweifache Mutter nun und welche Hilfe benötigt sie?

 
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Möchte Julia Vetter ein Bad nehmen, braucht sie die Hilfe ihres Partners Torsten Bela, denn das Bad ist viel zu eng und nicht barrierefrei. Um es umbauen zu können, braucht das Paar finanzielle Hilfe. Foto: BERIT RICHTER

Julia Vetter aus Ichtershausen ist eine starke, aktive, junge Frau, steht fest im Berufsleben, leitet den örtlichen Sportverein, engagiert sich in Schule und Kindergarten ihrer zwei Töchter. Doch dann kommt der 15. Februar und von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr so, wie es einmal war.

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„An diesem Morgen bin ich mit starken Schmerzen in der Brust aufgewacht, bekam kaum Luft“, erinnert sich die 32-Jährige. Schon in den Tagen zuvor hatte sie sich krank gefühlt, war mit Grippe diagnostiziert worden. „Ich hatte noch nie Influenza, wusste also nicht, ob meine heftigen Symptome normal sind“, sagt sie. Nun ruft ihr Partner den Rettungsdienst. Julia kommt in die Ilm-Kreis-Kliniken, zunächst nach Arnstadt, dann nach Ilmenau, weil in der Kreisstadt kein Bett auf der Intensivstation frei ist. Trotz Sauerstoffgabe verschlechtert sich ihr Zustand. Am Abend verlegen die Ärzte sie per Hubschrauber nach Bad Berka.

Wie schlimm es um sie steht, ahnt Partner Torsten Bela am nächsten Morgen, als ihn ein Arzt am Telefon fragt: „Haben Sie Kontakt zu den Eltern der Patientin? Dann bringen Sie diese besser gleich mit.“ „Ich hatte eine schwere Lungenentzündung, Multiorganversagen und eine Streptokokkeninfektion, also quasi eine Superblutvergiftung“, erzählt Julia Vetter. Sie selbst bekommt von all dem nichts mehr mit. Für zehn Tage versetzen die Ärzte sie in ein künstliches Koma, schließen sie an die Herz-Lungen-Maschine an, die sogenannte Ecmo. „Hinterher haben mir die Ärzte gesagt, dass nur etwa die Hälfte der Patienten das überhaupt überlebt“, erzählt sie.

Amputationen unumgänglich

Julia schafft es. Doch ihr Martyrium ist noch lange nicht vorbei. Die Krankheit hat ihre Haut extrem geschädigt, ihre Extremitäten wurden nicht ausreichend durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. „Wenn der Körper es nicht schafft, sich komplett zu versorgen, dann konzentriert er sich auf die wichtigsten Organe“, weiß die junge Frau. Sie kommt ins Klinikum Bergmannstrost nach Halle/Saale. Dort ist man auf Brandopfer spezialisiert. Und ihre Symptome sind ähnlich. Große Blasen haben sich an den Beinen gebildet, die Haut löst sich ab. Mit künstlichem Gewebe und Hauttransplantationen gelingt es den Medizinern, die Unterschenkelhaut zu rekonstruieren. Doch ihre Füße können sie nicht retten. Beide müssen amputiert werden. Und auch im rechten Arm haben sich Nekrosen gebildet. Damit der Gewebezerfall nicht weiter fortschreitet wird der Arm am Ellenbogengelenk amputiert.

Mittlerweile ist es Mitte Mai. „Dass ich meine Kinder wochenlang nicht sehen konnte, war das Schlimmste“, sagt Julia Vetter. Zur fünfköpfigen Patchworkfamilie gehören die achtjährige Marlene, ihre Tochter aus einer früheren Beziehung, der zwölfjährige Leopold aus der ersten Ehe ihres Partners und die gemeinsame Tochter Annemarie, dreieinhalb Jahre jung. Wie schlimm es um die Mama steht, ahnen die Kinder lange nicht. „Wir haben ihnen nur gesagt, die Mama ist im Krankenhaus und kommt bald wieder“, erinnert sich Torsten Bela. Ihre Große sei in der Zeit „sehr erwachsen“ geworden, ergänzt seine Partnerin.

Torsten Bela ist dankbar dafür, dass ihm in der schweren Zeit sein Arbeitgeber den Rücken frei hielt wie auch die Arbeitgeber von Julias Eltern. So konnte täglich jemand aus der Familie ins Krankenhaus fahren, ihr Beistand leisten, selbst als der Weg nach Halle weiter wurde als ins nahe Bad Berka. Keine Selbstverständlichkeit, wie Mediziner und andere Patienten bemerken. Ebenso dankbar ist das Paar den Medizinern, die Julias Leben retteten.

Kampf um Hilfe

Im Juli muss die Ichtershäuserin noch einmal nach Halle, dann kann sie endlich nach vorn schauen. „Meine Organe haben sich zum Glück erholt, auch zur Dialyse muss ich nicht mehr“, sagt sie. Nun gilt es, sich zurechtzufinden im neuen Leben mit Rollstuhl und nur noch einer Hand. Zum Glück im Unglück, so sagt Julia Vetter, sei sie Linkshänderin und ihr damit wenigstens „die starke Hand“ geblieben. Perspektivisch möchte sie mit Prothesen auch wieder laufen. Doch erst einmal muss alles verheilen.

Mit der Heimkehr beginnen für das Paar aber auch der Kampf mit der Bürokratie und den Kosten. Man müsse hunderte Seiten an Anträgen schreiben und Unterlagen einreichen, um Hilfsmittel und Zuschüsse zu bekommen, erzählen Julia Vetter und Torsten Bela. Die Pflegestufe 4 ist mittlerweile genehmigt, der Rollstuhl hingegen nur geliehen, denn der eigene fehlt immer noch. Auf den Treppenlift wartete man fünf Wochen.

Genau der zeigt dann auch das erste Problem auf, weshalb dringend finanzielle Hilfe benötigt wird. Das Haus, in dem die junge Familie zusammen mit Julias Eltern wohnt, ist etwa hundert Jahre alt, ein Fachwerkgebäude, nicht barrierefrei. „Wir müssen einiges umbauen“, sagt Torsten Bela. Zum Beispiel das Badezimmer. Denn aktuell kommt Julia ohne Hilfe weder in die Wanne noch unter die Dusche. In der Enge des Raumes kann der Rollstuhl kaum manövrieren.

Ziel Mobilität

Manchmal frage sie sich: „Warum ausgerechnet ich?“, sagt Julia Vetter. Doch sie will nach vorn schauen. Und dazu gehört für die gelernte Bankkauffrau, die bei der Volksbank Thüringen Mitte in Erfurt arbeitet, auch, wieder in ihren Beruf zurückzukehren. „Ich bin sehr dankbar, dass mein Arbeitgeber sagt: Wir warten auf dich. Komm zurück, wenn du bereit dazu bist“, sagt sie. Doch dafür braucht es Mobilität.

„Wir haben uns schon erkundigt, der Umbau eines Autos kostet 100 000 Euro“, erklärt Torsten Bela. „Und da haben wir noch kein Auto.“ Denn die vorhandenen Fahrzeuge der Familie seien für den Umbau nicht geeignet. Ein neuer Wagen müsse deshalb her. Damit entstehen weitere Ausgaben im fünfstelligen Bereich. Und Julia muss erneut Fahrstunden nehmen und eine Prüfung ablegen, um zu beweisen, dass sie das Auto per Joystick bedienen, mit der Hand zum Beispiel Gas geben kann. Kosten für dies etwa 5000 Euro.

Erst wenn Selbstverständlichkeiten plötzlich nicht mehr da sind, merke man, wie wenig barrierefrei doch vieles im Alltag gestaltet sei, sagt Julia Vetter. Sie selbst will sich davon nicht bremsen lassen. Ihren Sportverein möchte sie weiter führen, sie ist dankbar für die Unterstützung ihrer Vorstandskollegen in den letzten Monaten. Auch in Schule und Kita bleibt sie engagiert. Dass Elternversammlungen und -sprechstunden nun ins Erdgeschoss verlegt würden, damit sie teilnehmen kann, zeige, dass die Menschen mitdenken und Rücksicht nehmen.

Spender gesucht

Die Familie erfährt im Ort viel Unterstützung, bewegt das Schicksal der jungen Frau die Menschen. Der Kirmesverein veranstaltete einen Kuchenbasar zu ihren Gunsten. Der Kulturverein sammelte beim Mittelalter-Spectaculum Spenden. Am 14. September organisieren Freunde in der Ichtershäuser Neuen Mitte ein großes Familienfest, dessen Erlös Julia zugute kommen soll.

Wenn auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, Julia unterstützen wollen, können Sie dies über eine Spende an Freies Wort hilft tun. Der Betreff lautet: Julia Vetter.

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