Freies Wort Hilft Therapiereise nach Mexiko startet jetzt

Jessie Morgenroth

In einem Monat hat sich bei der an Multiplen Sklerose erkrankten Katrina Gräfe aus Unterpörlitz viel getan: Ihre Therapiereise nach Mexiko ist gebucht. Dieses Wochenende geht es los. So geht es Katrina Gräfe aktuell...

 
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Katrina Gräfe fliegt für ihre Stammzellentherapie nach Mexiko. In ihrem violetten Reisetrolley nimmt sie auch Geschenke mit: Zwei Reisetagebücher und eine gehäkelte Schildkröte als Glücksbringer. Foto: Jessie Morgenroth

Die Freude ist Katrina Gräfe ins Gesicht geschrieben. Noch vor gut einem Monat wusste die an Multipler Sklerose erkrankte Unterpörlitzerin nicht, wie es weitergeht. Damals stand nur fest: Sie will schnellstmöglich nach Puebla in Mexiko reisen, um sich einer Stammzellentherapie zu unterziehen. Nur so könne sie ihre fortschreitende Erkrankung stoppen. Um die kostspielige, lebenswichtige Therapie finanzieren zu können, hatte die aus Heyda stammende 56-Jährige einen Spendenaufruf gestartet und sich auch an „Freies Wort hilft“ gewandt. Heute, einen Monat später, steht fest: Katrina Gräfe hat es geschafft, das Geld ist zusammen. Sie fliegt nach Mexiko. Und das schon an diesem Wochenende.

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Rund 55 600 Euro kostet allein die Stammzellentherapie, hinzukommen unter anderem noch Flug- und Transferkosten. Das Geld hat die Unterpörlitzerin, die EU-Rente bezieht, zum Teil via Spenden akquiriert. Durch den Spendenaufruf dieser Zeitung sind – aufgerundet durch den Verein Freies Wort hilft – 5000 Euro zusammengekommen. Auch in Ilmenau und Umgebung hatte sie eine Aktion gestartet. Bei allen Spendern bedankt sich Katrina Gräfe sehr herzlich.

Den Großteil des Geldes hat sich die MS-Patientin allerdings von ihrem Bruder geborgt. Denn in Deutschland wird eine Stammzellentherapie bei Multipler Sklerose nur in sehr wenigen Fällen angewendet. Trotz dessen, dass Katrina Gräfe mittlerweile an der seltensten Multiple-Sklerose-Form PPSM leidet, die nicht schubförmig, sondern dauerhaft verschlechternd verläuft, wollte die Krankenkasse die Behandlungskosten nicht übernehmen. Nun hat die Patientin einen neuen Versuch gestartet – vielleicht bezahlt die AOK die teure Therapie ja doch. „Dann könnte ich meine Schulden zurückzahlen und den Rest würde ich dem Kinderhospiz spenden“, sagt Katrina Gräfe.

Zuerst Frankfurt, dann Mexiko

Bis 2018 stand die damalige Krankenhausmitarbeiterin mitten im Leben, ehe die erschütternde Diagnose alles veränderte. Ärzte prognostizierten ihr eine Zukunft im Rollstuhl. Die Stammzellentherapie ist der einzige Hoffnungsschimmer. Deshalb startet Katrina Gräfe an diesem Samstag nach Frankfurt, am Morgen darauf fliegt sie vom dortigen Flughafen aus nach Mexico City. Zwölf Stunden Non-Stop. In der Hauptstadt des nordamerikanischen Landes angekommen, wird sie abgeholt. Dann geht es mit dem Auto noch gut 100 Kilometer weiter nach Puebla.

In der Millionenstadt befindet sich die Klinik, in der Katrina Gräfe vier Wochen behandelt wird. Genauer gesagt wird sie vier Wochen und einem Tag unterwegs sein – der eine Tag ist der Zeitverschiebung geschuldet. Denn die Uhrenzeiger in Puebla liegen acht Stunden hinter denen in Deutschland.

Und wie blickt Katrina Gräfe auf das Abenteuer Mexico? „Es ist aufregend und spannend“, sagt sie. „Ich habe schon Bammel, freilich“, fügt sie hinzu. Die Strapazen des Fluges, die Ankunft in einem fremden Land – was, wenn sie am Flughafen nicht abgeholt wird? „Aber die Freude überwiegt, ich fühle mich euphorisch!“, erzählt sie weiter. Angst direkt vor der Therapie mit Stammzellenentnahme und vier bis fünf Zyklen Chemotherapie habe sie keine.

Katrina Gräfe steht mit in Mexiko erfolgreich behandelten MS-Erkrankten in Kontakt, schreibt etwa mit ihnen übers Handy, hat schon Bilder von den Zimmern der Klinik bekommen. „Kannst du mir in zwei Sätzen die Angst nehmen?“, hatte sie einen Bekannten des Vereins „Gemeinsam gegen PPMS“ via Smartphone gefragt. Die Antwort beruhigte ungemein. In den vergangenen zwölf Monaten hatte der Verein 15 Patienten nach Mexiko geschickt. Alle wurden erfolgreich therapiert. Die Nebenwirkungen der Prozedur hielten sich in Grenzen: Manch einer hatte gar keine Probleme, bei anderen traten etwa Übelkeit und Müdigkeit auf. Als Betreuungskraft steht Katrina Gräfe eine Mitarbeiterin vor Ort zur Verfügung.

Mexikoreise ist kein Urlaub

Viel von Mexiko erleben wird die Unterpörlitzerin nicht. Ihre Reise ist schließlich kein Urlaub. Gerade die letzten beiden Wochen muss sie isoliert in ihrem Zimmer bleiben, denn dann zerstört die Chemotherapie ihr Immunsystem. „Danach wird man sozusagen neu geboren – bis auf die Organe wird alles ausgetauscht“, beschreibt sie den Prozess. Wegen der Änderungen des Immunsystems muss sie später alle bestehenden Impfungen noch einmal machen lassen.

Für die Zeit der Quarantäne hat sich die MS-Patientin allerlei Beschäftigungsmaterial besorgt. So will sie Handarbeiten erledigen, lesen, Kreuzworträtsel lösen... vielleicht auch ein bisschen Spanisch lernen. Diese Amtssprache Mexikos beherrscht sie nämlich nicht. Stattdessen hat sie in der vergangenen Zeit fleißig Englisch gepaukt, um sich vor Ort verständigen zu können. Auch der Mailkontakt mit der Klinik verlief auf Englisch. Gegen sprachliche Barrieren hat Katrina Gräfe aber auch ihr Smartphone parat. Mit diesem will sie – so es möglich ist – ihre Reise und Behandlung auch dokumentieren. Schon jetzt melden sich Interessierte bei der MS-Patientin und erkundigen sich zu den Reise- und Behandlungsplänen.

Ihnen würde Katrina Gräfe in Zukunft mit ihren Erfahrungen gerne helfen. Doch nicht nur in Bild und Video will die 56-Jährige ihr Abenteuer festhalten. Zwei Tagebücher hat sie von einer Schwägerin geschenkt bekommen, in denen sie das Erlebte verschriftlichen wird. Ein Buch hat sogar Optionen zum Ankreuzen – falls Katrina Gräfe an einem Tag nicht viel schreiben kann. Neben den Büchern wird aber noch ein besonderer Glücksbringer in den Reisetrolley wandern.

Die Nachbarin hat eine Kuschelschildkröte gehäkelt – Schildkröten sind Katrina Gräfes Lieblingstiere.

Nach der Therapie wird die Erholungszeit etwa drei bis sechs Monate dauern. Auch eine Reha will die Unterpörlitzerin noch absolvieren – um dann in ein neues Leben zu starten.

Stammzellentherapie bei Multipler Sklerose

Im Knochen werden aus den Blutstammzellen Abwehrzellen gebildet, darunter auch jene, die im Gehirn die Nervenhüllen angreifen und die Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose verursachen.
Für die Stammzelltherapie werden aus dem Blut eigene Stammzellen entnommen und für später eingefroren. Anschließend erhält der Patient eine Chemotherapie: Die aggressiven Wirkstoffe zerstören weitgehend das Immunsystem, sowohl Abwehrzellen als auch Stammzellen. Der Körper ist jetzt sehr anfällig für Infektionen, der Patient muss isoliert bleiben.
Anschließend werden die entnommenen Stammzellen wieder in die Blutbahn gebracht, diese bauen im Knochen das Immunsystem neu auf. Die neu entstehenden Abwehrzellen greifen die Nerven nicht mehr an. Die Multiple Sklerose wird vorerst gestoppt. Die Therapieform ist aber wegen fehlender Studien umstritten.