Freies Wort hilft „Es kommt mir vor wie in einem Traum!“

Erik Kellermann mit versteigerter Biathlon-Startnummer und Bö-Skiern. Foto:  

Biathlon-Weltmeister  Bö hat eine verzweifelte Mutter aus Erlau und ihren im Rollstuhl sitzenden Sohn Erik glücklich gemacht. Wofür das Geld aus der Versteigerung genutzt wird...

 
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Roman Kirchner aus Crock heißt der Glückspilz, der nun stolzer Besitzer von Weltmeisterskiern ist. Für 2500 Euro hat er das leuchtend gelbe Paar ersteigert. Doch er ist kein Biathlonfan. Warum er die signierten Langläufer des Biathlon-Königs dennoch unbedingt haben wollte? „Das war die Kombination: Die Ski sind schon etwas Besonderes, klar, aber mir war vor allem wichtig zu helfen. Hätte nicht die Geschichte von Erik dahintergestanden, hätte ich kein Gebot abgegeben“, sagt er. Trotzdem ist Ehrfurcht dabei, als er die Langläufer in Empfang nimmt. Dennoch: Roman Kirchner wird sich Bindungen besorgen – und irgendwann damit fahren.

„Ich stand auch schon einmal auf Skiern“, sagt Erik Kellermann und schmunzelt. Der 21-Jährige, der mittlerweile im Rollstuhl sitzt, streicht über die Langlaufski. In der achten Klasse müsse das gewesen sein, erinnert er sich. Da sei er mit seiner Klasse in Murau gewesen, in Österreich. „Das waren allerdings Abfahrtski.“ Und das Fahren habe ihm Spaß gemacht. Es sei allerdings bei dem einen Mal geblieben. Aber wer weiß, es gebe heutzutage viele Möglichkeiten. Vielleicht werde er auch noch einmal in den Genuss kommen.

Seltene Muskelkrankheit

2500 Euro für die Ski und 553 Euro für das von Sprint-Weltmeisterin Denise Herrmann-Wick und Bö unterschriebene WM-Leibchen hat die Versteigerung gebracht. Das Trikot ging übrigens nach Berlin. „Während die Versteigerung lief, habe ich immer wieder nach den Geboten geschaut – und jedem gesagt, er solle die Daumen drücken. Als dann der Hammer gefallen war, war ich so glücklich“, sagt Eriks Mutter Claudia Fritz. Die gut 3000 Euro sind nämlich das Startkapital für einen Hub- oder Plattformlift, den die Familie dringend benötigt. Hinzu kommen etwa 2200 Euro, die bereits auf dem Spendenkonto von „Freies Wort hilft“ eingegangen sind.

Claudia Fritz kann es nicht fassen. Sie strahlt an diesem Tag mit ihrem Sohn um die Wette. „Ich freue mich wie ein Schneekönig – seit ich von dieser großartigen Aktion erfahren habe“, sagt Claudia Fritz. Sie lacht unbeschwert, fühlt sich wie in einem wunderbaren Traum. Zum Greifen nah scheint der Tag, an dem sie ihren Sohn Erik wieder bei sich hat – als Gast. Das ist momentan nicht möglich, weil der Rollstuhl des 21-Jährigen nicht durchs enge Treppenhaus passt, das hinauf führt ins Wohngeschoss seiner Familie.

Erik Kellermann leidet an einer seltenen Muskelkrankheit – an Muskeldystrophie. Mit sechs Jahren erhielt die Familie die Diagnose. Verlauf nahezu unerforscht, kein Mittel bekannt, das die Krankheit aufhält. Vor etwas mehr als einem Jahr konnte der junge Mann, der in der Suhler Stadtverwaltung arbeitet, noch laufen. Kurze Strecken. Dann kam ein extremer Krankheitsschub – seitdem sitzt er im Rollstuhl.

Gut, dass zu dieser Zeit sein Häuschen im Garten bereits fertig war, an dem übrigens viele Leser von Freies Wort mit ihren Spenden „mitgebaut“ hatten. 2018, als die Familie öffentlich um Hilfe bat, war die Spendenbereitschaft groß. Für Erik stand viel auf dem Spiel: Da das verwinkelte Haus seiner Eltern nicht behindertengerecht umgebaut werden konnte, stand für ihn der Umzug in ein Pflegeheim zur Debatte. Doch seine Familie kämpfte. Sie wollte Erik nicht in ein Seniorenheim geben. Mit viel Unterstützung und viel Eigenleistung wurde im Handumdrehen der kleine Flachbau fertiggestellt. Seit dem Frühjahr 2019 lebt Erik in seinem eigenen kleinen Reich. „Ich fühle mich wohl“, sagt er lächelnd. Und doch übermannt ihn dann und wann das Gefühl, ausgegrenzt zu sein. Ins Haus, wenige Meter von seinem entfernt, in dem der Rest der Familie lebt, kann er nicht mehr. Es sei denn, es trägt ihn jemand Huckepack die enge Treppe hinauf. Doch Stiefvater Jan Fritz hat „Rücken“. „Ich glaube, das letzte Mal war ich tatsächlich vor über einem Jahr dort“, sagt Erik und schaut die nur wenige Meter entfernte Hauswand an. Zum Greifen nah ist die Wohnetage der Familie – doch unerreichbar für Erik.

Lösungsmöglichkeiten

Kersten Mey vom Verein „Freies Wort hilft“ zückt den Zollstock. Er misst Höhe und Breite der Hauswand, an die perspektivisch ein Außenlift installiert werden soll. Über eine Tür könnte Erik dann direkt ins Obergeschoss fahren. Ohne Treppen überwinden zu müssen. Ausgemessen ist alles. „Es würde funktionieren“, hatte Jan Fritz beim Treffen vor drei Wochen gesagt. Kersten Mey überlegt kurz – und dann gibt’s für die Familie eine große Überraschung: Ein Leser hat von Eriks Geschichte und dem Herzenswunsch seiner Mutter Claudia Fritz in der Zeitung gelesen – und sich daraufhin beim Verein gemeldet. Er würde einen solchen gebrauchten Lift abgeben. Eine Möglichkeit, die geprüft wird, aber höchstwahrscheinlich nicht funktioniert. „Der Hub scheint nach der ersten Prüfung nicht ausreichend“, sagt Kersten Mey. Es gibt aber eine Alternative: Der Verein „Freies Wort hilft“ hat vor einiger Zeit gemeinsam mit einer Ilmenauer Firma einen Plattformlift in Themar eingebaut. Es werde dort geprüft, ob eine angepasste Lösung auch in Erlau möglich ist. Es ist also einiges im Gange. Bauliche Veränderungen auf dem Grundstück der Familie Fritz/Kellermann wären sicherlich nötig. Jan Fritz ist ein Bastler – hat Eriks Häuschen mitgebaut und gestaltet zurzeit das Bad im Haus um, um Tochter Hannah mehr Platz zu geben. Denn auch sie ist unheilbar krank. „Wir überlegen momentan, für den Lift die Terrasse zurückzubauen und über den Balkon eine Zufahrt für Erik zu schaffen“, sagt er am Freitag während eines Telefonats. Noch am Donnerstagabend hatte er sich alles durch den Kopf gehen lassen – und Pläne geschmiedet. Für die anfallenden Materialkosten freilich werde „Freies Wort hilft“ aufkommen.

Jan Fritz ist überwältigt. Gerade einmal drei Wochen ist es her, da sich die Familie an die Zeitung gewendet hatte – und schon gibt es Lösungsvarianten. Nein, so schnell hätten sie nie und nimmer damit gerechnet. Viele Menschen nehmen Anteil und bieten ihre Hilfe an. „Es ist Wahnsinn! Wir sind so dankbar“, sagt Claudia Fritz. Auch Roman Kirchner spürt die Dankbarkeit der Familie. Er wird mit Erik Kontakt halten, um weiter zu helfen. Das sagt er zum Abschied.

Erik strahlt. Vielleicht sind bald Zusammenkünfte der Familie nicht mehr nur im ebenerdigen Bungalow von Oma und Opa möglich. Vielleicht kann er in absehbarer Zeit mit Claudia und Jan Kaffee trinken, zu Abend essen oder auf deren Couch fläzen und quatschen? Er hofft es so sehr.

Spendenkonto

Der Verein „Freies Wort hilft“
wird Familie Kellermann/Fritz aus Erlau nach Kräften unterstützen. Der Erlös aus der Versteigerung der Bö-Ski und der von Weltmeistern signierten Biathlon-Startnummer in Höhe von 3053 Euro soll in einen Hublift investiert werden. Bitte helfen Sie der Familie und dem schwerkranken Erik weiter .

Überweisungen an „Freies Wort hilft“, IBAN: DE 39 8405 0000 1705 0170 17 bei der Rhön-Rennsteig-Sparkasse. Stichwort: Erik Kellermann. Wir garantieren: Jeder Euro kommt direkt Erik und seiner Familie zugute. Spenden sind steuerlich absetzbar.

 

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