Food-Upcycling Gemüsereste sind kein Biomüll

Sandra Markert

Ärger über Verschwendung, aber auch hohe Preise für Gemüse, machen das Thema Food-Upcycling aktuell. Was man aus Karottenkraut, Erdbeergrün und Rhabarberschalen so alles machen kann.

 
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Viele Blätter und Schalen, die im Biomüll landen, lassen sich in der Küche noch verwerten. Foto: /Yuri Arcurs

„Warum werfe ich das Karottenkraut eigentlich weg?“ Diese Frage hat sich Esther Kern vor rund zehn Jahren gestellt, als sie in ihrem Garten Karotten erntete. Die Gastrokritikerin aus der Schweiz stöberte daraufhin in alten Kochbüchern, sprach mit Köchen und merkte bald: Viele Blätter und Schalen, die im Biomüll landen, lassen sich in der Küche noch verwerten. „Sie werden nur deshalb entsorgt, weil wir nicht wissen, was wir damit tun sollen. Oder weil wir Angst haben, dass davon etwas giftig sein könnte“, sagt Esther Kern, die 2014 das Projekt „Leaf to Root“ (www.leaf-to-root.com) ins Leben gerufen hat.

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Durch die gewachsene Sensibilität der Menschen für Lebensmittelverschwendung, aber auch durch gestiegene Kosten gerade für Gemüse hat das Thema Food-Upcycling die vergangenen Jahre an Bedeutung gewonnen. Ganz neu ist die Idee nicht. „Schon zu Großmutters Zeiten wurde nach dem Spargelschälen aus den Schälresten und Abschnitten eine leckere Suppe gekocht“, schreibt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in einem Ratgeber zum Thema.

Finger weg von Nachtschatten-Gewächsen

Kann man nun aber wirklich alles verwerten, was beim Gemüseputzen in der Küche so anfällt? „Nein, natürlich nicht“, sagt Kern. Vorsicht geboten ist insbesondere bei Gemüsegrün, welches Giftstoffe enthält. „Dazu gehört alles von Nachtschattengewächsen wie Tomaten, Kartoffeln oder Auberginen.“ Manche Spitzenköche nutzen zwar auch dieses Grün in kleinen Mengen. „Gift ist eben immer eine Frage der Dosis. Wer sich aber nicht wirklich gut damit auskennt, lässt besser die Finger davon“, sagt Kern.

Bedenkenlos verwenden könne man dagegen alle Teile von Gemüse aus der Kohlfamilie – von den Samen über die Blüten bis hin zu den Wurzeln. „Die Blätter von Radieschen kann man beispielsweise wunderbar in den Salat geben, das schmeckt besser als Rucola“, findet Kern. Die zarten Blätter von Kohlrabi ließen sich zubereiten wie ein Kohlgemüse. „Und aus den dicken Blättern lassen sich prima Chips machen“, hat Kern herausgefunden.

Genuss immer in Maßen

Wichtig ist jedoch auch hier ein Genuss in Maßen. Denn wie Blattsalate speichern auch Spinat, Kohlrabi, Rote Bete, Radieschen und Rettich viel Nitrat. Daraus können Substanzen entstehen, die im Tierversuch krebserregend wirken. Da sich das Nitrat besonders in den wasserleitenden Segmenten der Pflanze wie in Stielen, Blattrippen sowie in den äußeren grünen Blättern anreichert, weist das Bundeszentrum für Ernährung darauf hin, diese Gemüseteile nur sparsam zu verwenden. „Vergleichsweise wenig Nitrat enthält Gemüse während der Saison sowie Freiland- und Biogemüse“, sagen die Experten des Kompetenz- und Kommunikationszentrums für Ernährungsfragen in Deutschland.

Sie geben zudem zu bedenken, dass Pflanzenteile wie Möhrengrün oder Kohlrabiblätter bislang wenig auf Rückstände untersucht werden, da nicht von ihrem Verzehr als Lebensmittel ausgegangen wird. „Daher ist nicht auszuschließen, dass sie mit Pflanzenschutzmitteln oder anderen unerwünschten Substanzen belastet sein könnten.“

Die Expertin rät: Bioprodukte kaufen

Auch Esther Kern betont, dass sie bei der Verwertung von Schalen und Gemüsegrün nur auf Produkte aus dem eigenen Garten oder aus dem Bioanbau setzt. „Deshalb koche ich auch am liebsten mit Dingen, die gerade regional Saison haben.“

Den Trend in sozialen Medien, Bananenschalen zu veganem Speck und Schnitzel oder in Smoothies zu verwandeln, beobachtet sie zwar mit Interesse. „Aber hier muss man wirklich Bioprodukte kaufen, weil die Schalen sonst zu stark mit Pestiziden belastet sind.“ Lieber nutzt Kern auch beim Obst das, was gerade Saison hat. Momentan sind das Rhabarber und Erdbeeren. Die grünen Blätter vom Rhabarber wären zwar sehr ergiebig. „Wegen der Oxalsäure lässt man da aber besser die Finger davon“, sagt Kern.

Lieblingsverwertung: das Weiße unter den Melonenschalen

Die Schale vom Rhabarber ist sehr faserig, wenn man sie pur isst. Kern trocknet sie deshalb und streut das Pulver dann über Eiscreme. „Das gibt eine schöne, natürliche Deko.“ Auch die grünen Erdbeerstrünke landen bei ihr nicht im Biomüll. „Man kann sie frisch zu einem Früchtetee aufbrühen.“

Kerns Lieblingsverwertung aus dem Obstbereich aber sind Melonenschalen – und zwar nicht der grüne Teil, sondern die darunter liegende hellgrün-weiße Schicht. „Die kann man süßsauer einlegen oder fein reiben und einen Salat daraus zubereiten. Super lecker und ich hätte mir früher nie vorstellen können, dass man das überhaupt essen kann.“

So kann man Gemüsebrühe selber machen

Reste
 Abgesehen von Kartoffelschalen eignen sich so ziemlich alle Gemüseschalen, Strünke oder grüne Blätter dazu, um daraus eine Gemüsebrühe zu kochen.

Sammeln
Am besten sammelt man die Endstücke von Lauch, Petersilienstängel, schrumpelige Karotten, Karottengrün oder Champignonstiele im Tiefkühlfach, bis man eine ausreichend große Menge zusammenhat – mindestens 500 Gramm.

Kochen
Dann werden die Gemüsereste in einen großen Topf gegeben und der Inhalt knapp mit Wasser bedeckt. Alles einmal aufkochen und dann bei niedriger Hitze 30 bis 90 Minuten köcheln lassen. Anschließend die Brühe durch ein Sieb filtern und in Schraubgläser abfüllen. Im Kühlschrank ist sie so eine Woche haltbar.

Einfrieren
Alternativ kann man sie auch einfrieren. Dann aber das obere Drittel des Glases leer lassen, damit die Flüssigkeit sich ausdehnen kann.