Deutschland: Ausgebremste Investitionen
Auch Deutschland überschreitet diese Werte mit einem Schuldenstand von 69 Prozent des BIPs im vergangenen Jahr und einem Defizit von 3,7 Prozent, wie aus einem länderspezifischen Bericht der Kommissionhervorgeht. Moniert wurde wie in vorherigen Jahren auch der hohe Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands - also dass unter anderem mehr exportiert als importiert wird - und eine niedrige Investitionsrate. Dies schaffe ein Ungleichgewicht gegenüber anderen Ländern. Mehr private und öffentliche Mittel sind nach Angaben der Kommission für die Energiewende und die Digitalisierung notwendig. Unter anderem bürokratische Hürden hätten Investitionen zurückgehalten.
Die Kommission warnte zudem, dass die deutsche Wirtschaft besonders von dem Krieg in der Ukraine betroffen sei - etwa wegen der Abhängigkeit von russischem Gas und anderen Rohstoffen aus Russland und der Ukraine. "Die Verschärfung von Lieferketten-Engpässen und gestiegene Kosten und Preise bremsen das Wirtschaftswachstum", heißt es in dem Bericht. Deutschland müsse seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern.
Schuldenquote sinkt um drei Prozent
Insgesamt hatte die EU-Kommission die Entwicklung der staatlichen Haushalte zuletzt positiv bewertet. Die durchschnittliche Schuldenquote werde dieses Jahr auf 87 Prozent sinken im Vergleich zu 90 Prozent im vergangenen Jahr, hieß es in der Frühlingsprognose der Behörde. Die durchschnittlichen Defizite sollen voraussichtlich von 4,7 Prozent auf 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Ihre Wachstumsprognose musste die EU-Kommission allerdings wegen des Kriegs in der Ukraine drastisch anpassen - von 4 auf 2,7 Prozent für dieses Jahr.
Lindner lehnt Aussetzung ab
Bundesfinanzminister Christian Lindner rät den EU-Ländern, die Aussetzung der Schuldenregeln für 2023 nicht zu nutzen. "Man kann abhängig werden von Staatsverschuldung, und wir müssen die Sucht nach immer mehr Verschuldung beenden, so schnell wie möglich", sagt Lindner am Rande eines Treffens der Finanz- und Wirtschaftsminister der Euroländer. Man dürfe der Inflation nicht mehr finanziellen Raum geben. "Wir raten dazu, möglichst keinen Gebrauch davon zu machen, im nächsten Jahr wieder viele Schulden aufnehmen zu können."
Lindner sagt, Deutschland werde von der allgemeinen Ausweichregel des Stabilitätspakts keinen Gebrauch machen. "Deutschland wird zur Schuldenbremse unseres Grundgesetzes im nächsten Jahr zurückkehren."