70 Leute in zwei Stunden durchgeschleust
„Vergangene Woche haben wir hier 70 Leute durchgeschleust“, verdeutlicht die vormalige ehrenamtliche Ausländerbeauftragte den Ansturm. In Zehner-Trüppchen darf 20 Minuten gestöbert werden, damit sich keiner in den zwei Zimmern auf die Füße tritt. Dann folgt die nächste Gruppe. Vor der Tür ist nicht selten Gerangel und Geschrei geboten. In der Schlange mag demnach nicht jeder ausharren, der da glaubt, hinter der Tür würden gerade die beste Sachen über den Tisch gehen. Zuletzt hat Gundermann einen Zettel rausgehängt, der, mehrsprachig verfasst, ein Benehmen einfordert. „Was da manchmal abläuft, kann man sich gar nicht vorstellen.“ Kein Zweifel: Den Einlass zu ordnen, kostet Nerven. Traudel Schellhorn und Carola Maaser nicken. Ihre Sortiererei jedenfalls wollen sie heute nicht eintauschen gegen den so undankbaren Türsteher- oder Prellbock-Job.
Jede Nationalität hat so ihre Macke
Gundermann geizt derweil nicht mit galligen Kommentaren dazu, wie sie manchen Nutzer erlebt. Jede Nationalität habe so ihre Macken, hört man heraus. Die einen sind höflich, andere haben kein warmes Wort übrig. Mancher bedankt sich herzlich, andere sind nur darauf aus, möglichst schnell etwas zusammenzuraffeln.
Die Freude am Ehrenamt? Hat sich Gundermann trotzdem bewahrt, sagt sie und schmunzelt. Dabei ist es ihr Anspruch, für jeden erreichbar zu sein. So lässt sie sich als Fahrdienst einspannen für Spender, die den Weg zur Annahme nicht schaffen. In der Facebookgruppe werden ständig Fotos von ausgemusterten Möbeln aktualisiert, für die es keinen Stauraum gibt. Auch das, was an Gaben rein kommt, muss immer durchgeschaut sein. Manches taugt nicht. Die Entsorgung bleibe oft genug an den Ehrenamtlichen hängen, heißt es. Ihnen wenigstens einen Kübel oder Container für unbrauchbares Gerümpel, verschlissene Klamotten und ausgetretene Schuhen parat zu stellen, habe das Landratsamt bisher nicht vermocht.
Das Grundgefühl, den Lückenbüßer für das zu machen, was der Staat nicht zu leisten imstande ist, lässt sich heraushören im Gespräch mit den Helfern. Doch ebenso die Motivation, sich der humanitären Herausforderung unverdrossen ein Stück weit stellen zu wollen, das zu machen, was geht.
Volker Maaser (78) zum Beispiel mischt seit der Flüchtlingswelle 2015 mit bei „Brücken bauen“. „Wenn man die Syrer gesehen hat, die mitten im Winter kaum was am Leib hatten und barfuß oder in Latschen nach Sonneberg kamen – ganz arme Schweine waren das.“ Das Bild eines hilfsbedürftigen Jugendlichen steht ihm heute wie damals vor Augen. Der Rentner weiß von daher, für wen er anpackt. Das dafür ab und an mal ein Wort des Dankes von offizieller Seite fällig wäre, merkt er gleichwohl mürrisch an. Aber auch an der Stelle hat sich seit 2015 wohl so wenig zum Besseren gewendet, wie am Elend im Echo all der Krisenherde in der Welt.