Flüchtlings-Lobby Negativpreis „Spitze des Eisbergs“ für Suhler OB

André Knapp. Foto: imago

Der politische Kampf der Suhler Oberbürgermeisters gegen das große Erstaufnahmeheim ist Interessenvertretern von Flüchtlingen schon lange ein Dorn im Auge. Nun bekommt André Knapp den Negativpreis „Spitze des Eisbergs“ des Thüringer Flüchtlingsrats. Der Vorwurf: Knapp kriminalisiere Menschen pauschal, verkenne die eigentlichen Ursachen der Konflikte und habe auch die Krawalle bei einer Corona-Quarantäne selber zu verantworten.

 
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Erfurt/Suhl - Mit seinem diesjährigen Negativpreis „Spitze des Eisbergs“ hat der Thüringer Flüchtlingsrat den Umgang von Suhls Oberbürgermeister André Knapp (CDU) mit der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) und ihren Bewohnern scharf kritisiert. Knapp erhalte die negative Auszeichnung, weil die Bewohner pauschal zum Gefahrenpotenzial stilisiere, eine Corona-Quarantäne inkorrekt verhängt habe und damit „rassistischen Ressentiments sowie der Vorverurteilung und Kriminalisierung ganzer Personengruppen in existenzieller Notlage Vorschub leistete“, heißt es in der am Donnerstagabend veröffentlichten Begründung des Flüchtlingsrats. Dies sei „brandgefährlich“ und verschiebe den Blick weg von den tatsächlichen Problemen bei der Erstaufnahme und Unterbringung in Thüringen.

Im Flüchtlingsrat, einem Zweigverein der bundesweiten „Pro Asyl“-Organisation, sind Helfer und Unterstützer von Flüchtenden aus Kirche, Ehrenamt und Politik zusammengeschlossen. Die „Spitze des Eisbergs“ vergibt er seit 2000 zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember, um auf nach seiner Sicht kritikwürdige Zustände beim Umgang mit Asylsuchenden aufmerksam machen. Negativpreisträger im Vorjahr war die Erfurter Stadtverwaltung, der unangemessene Härte bei Abschiebungen in Corona-Risikogebiete vorgeworfen wurde.

Knapp wird vor allem die von ihm angeführte Landtags-Petition von 1900 Bürgern zur Schließung der EAE angekreidet. Mit ihr habe der CDU-Politiker dazu beigetragen, die Situation der EAE-Bewohner in Suhl zu verschärfen. Diese seien seit Jahren „einseitigen Debatten, Übergriffen und Vorverurteilungen ausgesetzt“, sagte Flüchtlinsgrat-Sprecher Martin Arnold in Erfurt. Der Flüchtlingsrat sieht die aus seiner Sicht schlechten Bedingungen bei Essen, medizinischer Versorgung und Unterbringung auf engstem Raum als eigentlichen Grund für viele der von Knapp angeprangerten Konflikte an.

Besonders harte Kritik übt der Flüchtlingsrat an den Umständen der Verhängung einer Quarantäne über das gesamte Flüchtlingsheim nach einem Corona-Fall im März 2020. Damals hatte der Versuch einiger Dutzend Bewohner, das Gelände dennoch zu verlassen, zu einem bundesweit beachtetem spektakulären Polizeieinsatz mit Schlagstöcken und schwerem Gerät geführt.

Der konkrete Vorwurf an Knapp: Das Suhler Gesundheitsamt habe die Quarantäne ohne rechtskräftigen Bescheid umgesetzt und die Bewohner ein Wochenende lang im Unklaren darüber gelassen, warum sie auf dem EAE-Gelände eingeschlossen wurden. Darüber hinaus führt der Flüchtlingsrat ein Landgerichtsurteil vom September 2020 an, wonach der damalige Zwangstransfer von rund 25 als „Störer“ identifizierten Bewohnern in eine Arrestanstalt nach Arnstadt „willkürlich und rechtswidrig“ gewesen sei. er

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